BLKÖ:Zichy, Michael von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Zichy, Anton
Band: 60 (1891), ab Seite: 34. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Mihály Zichy in der Wikipedia
Mihály Zichy in Wikidata
GND-Eintrag: 118636669, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Zichy, Michael von|60|34|}}

Zichy, Michael von[WS 1] (Historien- und Genremaler, geb. zu Zala im Somogyer Comitate Ungarns 1827). Er wendete sich frühzeitig der Kunst zu und wurde in Pesth ein Schüler Marastoni’s, desselben, der später die Malerakademie in Pesth ins Leben rief, und bei dem er dann die Antikenschule besuchte. Von Pesth ging er um 1844 nach Wien, wo er bei Waldmüller seine Studien fortsetzte und in den Bildern „Der sterbende Ritter“ (400 fl.), „Christus am Kreuze“ (600 fl.) und „Die Reconvalescentin“ noch ganz im Gängelbande dieses Meisters einherschreitet. Aber noch als Schüler Waldmüller’s begann er schon seine eigenen Wege zu wandeln, [35] in denen sich eine eigenthümlich gestaltende und schöpferische Kraft offenbart, wie dies aus seiner Concurscompostion „Das Rettungsboot“ (1000 fl.) ersichtlich. Nebenbei bemerkt, ist eine der vielen Figuren derselben ein Porträt seines mit ihm zu gleicher Zeit bei Waldmüller arbeitenden Collegen Friedrich Friedländer (des Invalidenmalers). Zichy gewann damit den Ehrenpreis von hundert Ducaten. Als dann 1847 ein Lehrer der Zeichen- und Malkunst für die Großfürstin Katharina, eine Nichte des Kaisers Nicolaus, gesucht wurde, nahm er auf Rath Waldmüller’s diesen Posten an, und so ging der zwanzigjährige Künstler nach St. Petersburg, wo er bis 1850 verblieb. Nach Oesterreich zurückgekehrt, sollte er während der nächsten drei Jahre auch „Künstlers Erdenwallen“ von der Schattenseite kennen lernen. Muthig und unverdrossen harrte er einer freundlicheren Wendung seines Geschickes entgegen, welche auch eintrat, als er bald nach der Krönung des Kaisers Alexander, welche am 26. August 1856 erfolgte, und welche er zur künstlerischen Darstellung brachte, als kaiserlich russischer Hofmaler eine feste Anstellung erhielt. Er wurde zunächst mit einem Gehalte von 6000 Silberrubeln auf zehn Jahre angestellt und diese Stellung nach Ablauf dieser Zeit auf weitere zehn Jahre verlängert. Aber der Künstler schied vor Ablauf der Verlängerung seiner Anstellung aus derselben. Ein Oelbild „Der Gefangene“, welches von seinen Gegnern am russischen Hofe ausgenützt wurde, um ihn zu verdächtigen, gab dem Hofministerium Veranlassung zu einem Schreiben, welches den Künstler so verletzte, daß er, ohne den Ablauf seiner Zeit abzuwarten, nach fünfzehnjähriger Thätigkeit unmuthig seine Stellung aufgab. Aber der Kaiser suchte diese Kränkung insoweit gut zu machen, daß er dem Künstler eine lebenslängliche Pension von 2000 Silberrubeln anweisen ließ. Im Jahre 1874 begab sich Zichy nach Paris, wo er dann seinen ständigen Aufenthalt nahm. In der letzten Zeit aber kehrte er in sein Vaterland zurück, wo er jüngst (Juni 1890) mit zwei Bildern für das Arader Märtyrer-Album zum Ueberfluß den demonstrativen Pfad in der Kunst betrat, den ein Maler von seiner Bedeutung doch nicht nöthig hat zu beschreiten. In den Rahmen dieser künstlerischen Thätigkeit nahezu eines halben Jahrhunderts fällt eine große Anzahl mitunter sehr bedeutender Werke, welche, da der Künstler lange Jahre in der Fremde weilte, auch nicht alle in die Oeffentlichkeit drangen. Wir können daher in der folgenden Uebersicht nur jene namhaft machen, die entweder durch Ausstellungen oder aber durch Berichte in den Zeitungen bekannt geworden sind. Den Katalog der im Jahre 1878 im Kunstvereine veranstalteten Zichy-Ausstellung konnten wir uns leider nicht mehr verschaffen. Wir nennen außer den bereits erwähnten Bildern Zichy’s folgende: „Der Messias“; – „Luther auf der Wartburg“; – „Der Gelehrte als Himmelsstürmer“; – dann eine Suite von Zeichnungen, die, wie einer seiner Biographen schreibt, man sich nur „unter dem Tische zeigt“, und welche es deutlich bekunden, welche tiefen Blicke der Künstler in die Nachtseiten des Lebens und der menschlichen Natur gethan, die vorgenannten alle Aquarelle; – „Die Waffen des Teufels“ (November 1878), ein colossales Wandgemälde für die Pariser Ausstellung; – „Die Kaiserin am Sarge Deák’s“; – „Der Mensch zwischen Vernunft und Wahrheit“, [36] Zeichnung; – „Jüdische Märtyrer“, Kohlenzeichnung und Aquarell; – „Du bist von Erde und sollst Erde werden“, in gleicher Ausführung; – „Das Edelfräulein“; – „Der Jagdjunker“; – „Der letzte Besuch des Arztes“; – „Holländischer Soldat in Weinlaune“; – „Der Raucher“; – „Die Schachspieler“; – „Auerhahnjagd in Russland“; – „Aus der Zeit der spanischen Judenverfolgung“ (Eigenthum des Banquiers Bloch in Warschau), im Holzschnitt aus der xylogr. Anstalt von Aarland im 28. Bande der „Gartenlaube“ S. 17; – „Fackeltanz in Schottland“, im Holzschnitt von [LR] in „Ueber Land und Meer“ 34. Bd., 1875, S. 728 und 729; – „Triumph des Bösen auf Erden“ (1878); – „Sternschnuppen“ (1879), im Besitz des Directors des Renaissancetheaters in Paris Victor Coning; – „Gespensterstunde auf dem Friedhofe“, eine ganze Folge Compositionen erotischer Natur, Eigenthum der Herren Beggrow und Velten in St. Petersburg; – Siebzehn Bilder im Besitze des Prinzen von Wales, diese sind in der Holzdecoration eines nach dem Maler benannten Zichy-Saales incrustirt; – auch nachdem der Künstler Rußland verlassen hatte, erhielt er von dort immer noch Aufträge, so z. B. ließen die Herausgeber der Petersburger illustrirten Blätter ihre Prämienbilder von ihm malen; für den Jahrgang 1880 der „Niwa“ lieferte er zwei Kunstblätter, deren Gegenstand den Lermantoff’schen Gedichten entnommen war; für 1881 malte er einzelne Scenen aus Gogol’s Roman „Bulba Taras“; ferner ist zu nennen ein Illustrationscyclus zu Madách’s „Tragödie des Menschen“, welche als die ungarische Faustdichtung bezeichnet wird; zwei in Sepiazeichnung ausgeführte, „Lebensbilder“ bezeichnete Blätter; dann eine Bleistiftzeichnung: „Der Todesengel“, „Luther und der Papst“, Carton, alle vier in der Wiener Weltausstellung 1873; dann im Kronprinzenwerke: „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ in der Abtheilung „Ungarn“ Bd. I, Heft 10 und 11: „Entscheidung eines Processes durch Zweikampf“; – „Entscheidung einer Schlacht durch Zweikampf“; – „Der Feuersprung“; – „Weihung des neugeborenen Kindes bei den Urmagyaren“; – „Der todte Krieger und seine Braut“; – „Burschenerweckung bei einem Todtenschmaus aus der Vorzeit“; – „Attila’s Gastmahl“; – „Der Weg des Csaba“; – „Die Wasserfee und der Königssohn“; – „Der garabonczás diák (der fahrende Student) und das Waisenkind“, sämmtliche zehn Blätter wahre Zierden des Werkes. Seine jüngste Arbeit sind, wie schon oben erwähnt, die zwei Bilder für das Arader Märtyrer-Album: „Die Arader Tragödie“: die gefesselte Ungarin, von einem russischen General festgehalten, im Hintergrund der Galgen, an dessen Stufen der Henker in der Uniform eines österreichischen Generals (!) Das zweite Bild stellt den „Sieg des Constitutionalismus“ vor. Wieder die Ungaria, und ein General, hinter dem die gedemüthigte österreichische Camarilla, zu Füßen der Ungarin Petőfi’s Leichnam. Beide Bilder, im höchsten Grade unzeitgemäß, reißen zum Ueberflusse vernarbte Wunden auf, und der magyarische Maler vergißt die Greuel, welche sein eigenes Volk an Tausenden Wehrloser und Unschuldiger verübt. Als Gegengabe für das Arader Märtyrer-Album sind von einem anderen nicht malenden patriotischen Ungar zwei Aquarelle bei dem Spanier Benliure y Gil bestellt, und zwar „Die Ermordung des Grafen Lamberg, des Grafen Zichy und des [37] siebenbürgischen Pfarrers Stephan Ludwig Roth“; das zweite Bild aber stellt die Geister der 4854 Opfer des magyarischen Terrorismus in Siebenbürgen in den Jahren 1848 und 1849 dar, welche von ihren Mördern Jenci Jósika, Alex. Nagy, Oberst Sáros, Kemény, Csepe, Gyarmati, Teleki, Szabó und vielen Anderen Rechenschaft fordern für das Blutgericht, dem sie wider Recht und Gesetz unterlagen. Der Künstlerkranz Zichy’s wäre, wenn die obengenannten zwei Blutblätter fehlten, nicht minder reich geblieben. Michael Zichy als Künstler ist eine geradezu elementare Kraft, in Auffassung und Technik durchaus eigenartig und hervorragend. Gehalt- und gefühlvoll, den Stoff immer aus innerster Tiefe packend, wirkt er auf unser Gemüth oft in erschütternder Weise. Er fordert mit seinen Bildern nicht selten offenen Widerspruch heraus, wirkt aber nichtsdestoweniger damit in erschütternder Weise. Er versteht es mit dichterischer Einbildungskraft und philosophischem Geiste seine Motive herauszuheben und zu verbinden. In der Mehrheit seiner Schöpfungen mehr düster und ernst, hat der Künstler doch wieder Momente, wo ihm der Schalk im Genicke sitzt. Er hat oder hatte doch auch Schüler, die er aber nach dem Grundsatze seines Meisters Waldmüller mit großer Strenge auswählt, denn nur wo Begabung für die Kunst sich unwiderleglich ausspricht, will er das Lehramt üben. Am meisten genannt wird eine russische Dame, die unter dem Namen „Mary“ in Pariser und Wiener Salons bekannt geworden und ihm die Eigenart seiner Technik und Wahl der Motive mit merkwürdiger Findigkeit abgelauscht hat. Von Seite der russischen Regierung ist der Künstler mehrere Male mit Orden ausgezeichnet. Ob Michael Zichy, der auch adelig ist, zur Familie der Zichy-Vásonykeő gehört, ist nirgend ersichtlich. Iván Nagy in seinem ungarischen Adelslexikon führt keine zweite Adelsfamilie Zichy auf.

Presse (Wiener polit. Blatt) 14. März 1878, Nr. 72 im Feuilleton: „Ein Künstlerleben“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg) 18. März 1880, Nr. 78, Beilage: „Wiener Briefe“ CXVI. v. V.(incenti). – Dieselbe (München) 25. Juni 1890, Nr. 174, Abendblatt. – Nagler (G. K. Dr.). Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München, E. A. Fleischmann, 8°.) Bd. XXII, S. 270. – Müller (Hermann Alex. Dr.). Biographischem Künstler-Lexikon der Gegenwart. Die bekanntesten Zeitgenossen auf dem Gesammtgebiete der bildenden Künste aller Länder, mit Angabe ihrer Werke (Leipzig 1882, Bibliogr. Institut, gr. 12°.) S. 572. – Oesterreichische Kunst-Chronik. Herausgegeben von Dr. Heinrich Kábdebo (Wien 1879, 4°.) I. Jahrg., Nr. 1, 1. November 1878. S. 10; Nr. 2, 15. November S. 24; Nr. 5, 1. December 1879, S. 73; III. Jahrg., Nr. 2, 15. November 1879, S. 43; V. Jahrg. S. 67, 94. 100. – Neue illustrirte Zeitung (Wien, Zamarski, Fol.) 1877, Nr. 24. S. 374.
Porträt. Unterschrift. „Michael v. Zichy“. Zeichnung von F. W(eiß) in der vorangeführten „Neuen illustrirten Zeitung“. – Charge. Ueberschrift: „Michael Zichy und seine Schülerin Frl. Mary“. Von Klič im „Floh“ 9. Jänner 1881, Nr. 2.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vergleiche den 2. Artikel zu dieser Person Siczy (Maler).