Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wisniewski
Band: 57 (1889), ab Seite: 127. (Quelle)
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Wismayr, Joseph (Pädagog, geb. in Freising am 30. November 1767, gest. zu München am 9. September 1858). Obgleich in Bayern geboren und gestorben, wirkte er doch in Salzburg, und zwar in der glänzendsten Periode des Erzstiftes, durch eine längere Reihe von Jahren (1788–1803) in so verdienstlicher Weise auf pädagogischem Gebiete, daß ihm eine Stelle in unserem Werke gebührt, abgesehen davon, daß er in seiner Selbstbiographie Salzburg sein zweites Vaterland nennt Der plötzliche Tod seines Vaters (1780), welcher Cabinetscourier des Fürstbischofs von Freising war, veranlaßte ihn, dem Wunsche der Mutter zu entsprechen und dem geistlichen Stande sich zu widmen, was er, wenn der Vater am Leben geblieben wäre, wohl kaum gethan haben würde. Nachdem er noch in Freising ins bischöfliche Alumnat eingetreten, betrieb er neben seinen geistlichen Berufsstudien mit besonderem Eifer jenes der italienischen und französischen Sprache, während er das der deutschen mit besonderer Gründlichkeit und Vorliebe pflegte. 1788 bezog er die damals ihrer trefflichen Lehrer wegen in hohem Ansehen stehende Universität in Salzburg, wo er neben Theologie juridische Collegien und Universalgeschichte hörte. In Salzburg wurde ihm von dem verdienstvollen Topographen Professor Lorenz Hübner [Bd. IX, S. 397], der 1788 die „Oberdeutsche Literatur-Zeitung“, das bedeutendste literarische Journal Süddeutschlands, noch heute für die Cultur des deutschen Südens eine reiche und verläßliche Quelle, gegründet hatte, so große Theilnahme zugewendet, daß er in seiner Biographie es offen ausspricht: „Ihm verdanke ich Alles; was ich in der Folge ward und bin, ward und bin ich nur durch ihn“. So sah er sich durch Hübner in seinen Sprachstudien gefördert und unter die Mitarbeiter der „Oberdeutschen Literatur-Zeitung“ aufgenommen, und viele Umstände sprechen dafür, daß er der Verfasser der in genannter Zeitschrift mit J. W. und ssm gezeichneten Artikel ist, auch jener, welche den aus Anlaß der Schiller-Goethe’schen Xenien entflammten Kampf betreffen. Wenigstens sind J. und W. die Anfangsbuchstaben seines Vor- und Zunamens, wie ssm die Mittelbuchstaben des letzteren bilden. Wismayr aber schrieb sich anfänglich mit einem s, später mit ss. Man vergleiche übrigens darüber Eduard Boas[WS 1]Schiller und Goethe im Xenienkampfe“ (Stuttgart 1851, 8°.) Bd. II, S. 24 und „Mein Schiller-Buch“ (Wien 1859) S. 34, Marginal 508. Am 8. August 1792 erhielt Wismayr, der schon 1790 die Priesterweihe erlangt, die Präfectenstelle im Lodron-Rupertinischen Erziehungsstifte zu Salzburg, um welche er sich beworben hatte. Bei den Mißbräuchen, welche sich während der Amtsführung seiner Vorgänger in diesem Stifte allmälig eingeschlichen, gab es für ihn, der bei deren Abstellung energisch vorging, harte Arbeit. Wagner in seiner Biographie Wismayr’s gibt hierüber einige Beispiele. Mittlerweile unterzog sich unser Pädagog, von Hübner, der sich längst mit sprachlichen Arbeiten beschäftigte, aufgefordert, der Ausarbeitung eines Werkes über die deutsche Sprache, welches unter dem Titel: „Grundsätze im deutschen Sprache“, [128] 2 Theile (Salzburg 1796, 2. Aufl. ebd. 1803; 3. Aufl. München 1805) erschien, von Seite der Kritik in sehr anerkennender Weise aufgenommen, im engsten Kreise der Zunft aber mannigfach beanständet wurde. Diesen literarischen Streit mit allen seinen Kleinlichkeiten schildert Wagner gleichfalls in der schon citirten Biographie Wismayr’s. Während man aber die Einführung der „Grundsätze“ als Lehrbuch in Salzburg anfocht, wurden dieselben in den Schulen Bayerns und der Pfalz eingeführt. Wismayr arbeitete schon in jener Zeit, also vor nahezu 90 Jahren, darauf hin, das Fremdwort in unserer Sprache zu vermeiden. So verdeutscht er die damals üblichen Ausdrücke Verbum mit „Redewort“, Substantiv mit „Nennwort“, Pronomen mit „stellvertretendes Nennwort“. Jean Paul, der die damals beliebten Verdeutschungsversuche der grammatischen Terminologie in witziger Weise verspottet, räumt unserem Wismayr einen Platz im „Landtage der deutschen Sprachlehrer“ ein. Diesen „Grundsätzen“ ließ Wismayr als nächstes Werk die „Kleine deutsche Sprachlehre für öffentliche Vorbereitungsschulen und den Privatunterricht“ (Salzburg 1777, Zaunrieth) folgen. Diese wurde schon in 1. Auflage in Bayern und der oberen Pfalz als Lehrbuch eingeführt. Das Buch, das mit der 5. Auflage unter dem Titel „Lehrbuch der deutschen Sprache“ erschien, erlebte bis 1824 nicht weniger denn neun Auflagen und war viele Jahre hindurch in zahlreichen Schulen Süddeutschlands als Lehrbuch verbreitet. Wismayr’s nächste Schrift: „Blüten und Früchte“, 2 Bändchen (Salzburg 1797 und 1798) sollte jugendlichen Talenten, namentlich Studirenden Gelegenheit bieten, ihre poetischen Versuche dem Publicum vorzulegen. Wismayr lieferte dafür eigene Beiträge; im ersten Jahrgange finden sich auch Melodien von J. Mich. Haydn, A. J. Emmert und Ph. Schmalz. Im Jahre 1799 erfolgte seine Beförderung zum Oberpräfecten des Rupertinums mit der speciellen Aufgabe, die Erziehung der drei Enkel des Grafen Giusti aus Verona zu leiten, welche ihm auf Empfehlung des Grafen Joh. Nep. Lodron übertragen wurde. Doch diese Function war von kurzer Dauer, da, als einer der Zöglinge an den Pocken starb, die beiden anderen nach Italien zurückkehrten. Aber verschiedene Unannehmlichkeiten, welche mit dieser Angelegenheit in Verbindung standen, verleideten ihm, wie Wagner meint, die Oberpräfectenstelle, und da er eben mit der Redaction der „Ephemeriden der italienischen Literatur“ (Salzburg, 8°.), wovon 1800–1805 acht Bände erschienen sind, beschäftigt war, gab er diese als Ursache an, die ihm sein ferneres Wirken am Rupertinum so erschwere, daß er um die Enthebung von seinem Posten ersuchte, die ihm denn auch in anerkennenden Worten am 31. December 1802 gewährt wurde. Als 1799 Hübner einen Ruf nach München als Akademiker und geistlicher Rath angenommen hatte, führte Wismayr bis Ende des Jahres die Redaction der „Oberdeutschen Literatur-Zeitung“, die dann in München erschien. Da erfolgte mit einem Male seine Berufung als Generalschulen- und Studiendirectionsrath ins bayrische Ministerium des Innern, bei welcher wohl sein alter Freund Hübner, der sich der besonderen Gunst des damals so mächtigen Ministers Montgelas erfreute, die Hand im Spiele gehabt haben mag. So kehrte er denn nach fünfzehnjähriger Amtsthätigkeit in Salzburg in seine Heimat Bayern zurück, [129] und können wir sein Wirken daselbst, das sich über ein halbes Jahrhundert erstreckte, kurz fassen. 1807 wurde er zum ordentlichen Mitglied der Akademie, 1808 zum Oberschulrath befördert, 1811 aber, da sein Studienplan für die bayrischen Gymnasien wegen zu geringer Berücksichtigung des Griechischen auf Widerstand stieß, in die Kirchensection versetzt und 1816 zum Oberkirchenrath ernannt. Von 1815 stand er, als ständiges Mitglied der Akademie, der Commission zur Organisirung des Kalenderwesens über 30 Jahre vor. Seine schriftstellerische Thätigkeit in dieser Zeit beschränkt sich, seine Theilnahme als Mitarbeiter an Zeitschriften, wie an der „Allgemeinen Justiz- und Polizeifama“, am „Kunst- und Gewerbeblatte des polytechnischen Vereines“, an „Aurora“, „Eos“, „Hesperus“, „Flora“ u. a. abgerechnet, nur noch auf wenige Schriften: „Pantheon Italiens, enthaltend Biographien der ausgezeichnetsten Italiener, nebst deren Bildnissen, historisch-kritisch bearbeitet“, 1. bis 3. Abtheilung (Salzburg 1815–1818, Mayr, gr. 4°.). Wie aus dem Verlagsorte zu entnehmen, hatte er den Plan zu diesem Werke noch während seines Wirkens in Salzburg gefaßt, und das vollständige Manuscript befand sich in Zaunrieth’s Händen; dasselbe ging aber bei dem großen Brande, der 1818 einen Theil Salzburgs einäscherte, mit zu Grunde, und so erschienen von den 12 Heften, auf welche das Ganze berechnet war, nur die drei, welche die Biographien Dante’s, Petrarca’s und Boccaccio’s behandeln. Doch sie genügten, um dem Verfasser den Namen des „Deutschen Plutarch der Italiener“ zu erwerben und seine Aufnahme in die gelehrten Gesellschaften zu Jena, Erfurt, Arezzo und Padua zu veranlassen. Sein Werk, nachdem es verbrannt, noch einmal zu beginnen, dazu fehlten ihm Muth und Lust. Dann gab er noch heraus: „Fragen und Antworten mit Gründen und Gegengründen“ (Freising 1857); – „Lesefrüchte“ (ebd. 1857) und „Geschichtliche Merkwürdigkeiten“ (ebd. 1857). Auch schrieb er noch für Freunde und Freundlichgesinnte seine „Selbstbiographie“, welche gleichfalls in Freysing ein Jahr vor seinem Tode erschien. Wismayr erreichte ein Alter von über 90 Jahren. Er nimmt unter jenen Männern, welche zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts der Metropole der salzburgischen Erzbischöfe einen vorübergehenden Glanz verliehen, und unter denen wir Graser [Bd. V, S. 310, in den Quellen], Lorenz Hübner [Bd. IX, S. 397], Franz Mich. Vierthaler [Bd. L, S. 276], Baron Moll [Bd. XIX, S. 2], Mielichhofer [Bd. XVIII, S. 234], Koch-Sternfeld [Bd. XII, S. 195], Kleimayrn [Bd. XII, S. 38] ausdrücklich nennen, eine hervorragende Stelle ein. Als Pädagog säuberte er die erzbischöfliche Erziehungsanstalt Rupertinum von einer Reihe von Uebelständen, nach deren Entfernung erst die Bezeichnung einer „Erziehungsanstalt“ gerechtfertigt war; er mit noch einigen gleichgesinnten Männern arbeitete die neue Disciplinarordnung aus, welche für die Leitung dieses Institutes in der Folge maßgebend blieb. Als Forscher in der deutschen Sprache aber nimmt er in der Geschichte der Methodik des Sprachunterrichtes eine ehrenvolle Stelle ein, und finden wir ihn überhaupt in den zahlreichen Schriften, welche Salzburgs Geschichte behandeln, unter den besten und thätigsten Männern des Erzbisthums genannt.

Wagner (H. F.). Der Pädagoge Joseph Wismayr in Salzburg. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Sprachstudiums in [130] Süddeutschland (Salzburg 1876, Pustet, gr. 8°.) [vorher im dritten Programm der Lehrerbildungsanstalt in Salzburg 1876]. – Waitzenegger, Franz Joseph). Gelehrten- und Schriftsteller-Lexikon der deutschen katholischen Geistlichkeit (Landshut 1822, Joseph Thoman, gr. 8°.) Bd. III, S. 431. – Heindl. Biographien der berühmtesten Pädagogen (Augsburg 1860). – Almanach der bayrischen Akademie (München, 8°.) Jahrgang 1855. – Als Wismayr’s Todesdatum gibt Heindl den 8. Juli 1858 an, der Münchener Diöcesan-Schematismus für 1859 nennt den 9. September, welcher Angabe wir folgen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Eduard Boa’s.