BLKÖ:Wiesner, Adolf
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 56 (1888), ab Seite: 78. (Quelle) | |||
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Kolowrat , ein Drama, das einen historischen Stoff behandelte, mit dem Titel „Inez de Castro“ auf dem Wiener Burgtheater zur Aufführung zu bringen, bei welcher Herr Anschütz und Frau Rettich namentlich den effectvollen dritten Act zur Geltung brachten. Ein zweites Drama, „Die Geiseln und der Negersklave“, dessen Hintergrund der Zug Kaiser Karls V. nach Tunis bildete, und dem es nach Ausspruch von Kennern, denen es der Dichter vorgelesen, an poetischen Schönheiten und dramatischer Wirksamkeit nicht fehlte, wurde von dem damaligen Director Deinhardstein nicht angenommen. Doch entmuthigte dies den Dichter nicht im poetischen Schaffen, denn er veröffentlichte um dieselbe Zeit (1842) in Saphir’s [79] „Humorist“ Scenen aus einem dritten Trauerspiele „Theseus“, das mächtige Schönheiten enthielt, und noch zwei andere Dramen, „Der Feind“ und „Der Arzt und seine Tochter“ hatte er vollendet im Pulte liegen. Von der bis dahin gewöhnlichen und auch heute noch nicht ganz ungewöhnlichen Todesart, welcher dramatische Dichter zu verfallen pflegen, des Verhungerns, rettete ihn einstweilen sein oben erwähnter Gönner Graf Kolowrat, der ihm eine kleine Anstellung bei einer Wiener Lebensversicherungsanstalt mit dem Gehalte von 300 fl. verschaffte. Die Criminalpraxis hatte ihm nichts genützt, und das obige Gehalt reichte gerade hin, daß er nicht verhungerte. So nützte er denn die ihm übrig bleibende Muße durch Unterrichtertheilen aus, nahm dann eine Hofmeisterstelle in einem Wiener Großhandlungshause an, was ihn in den Stand setzte, sich allmälig dem Lebensberufe des Schriftstellers, für den er sich am geeignetsten fühlte, zuzuwenden und sich selbständig zu machen. Damals lebte in Wien der russische Staatsrath L. von Tengoborsky, der mit seinem Werke „Die Finanzen, der öffentliche Credit, die Staatsschuld und das Besteuerungssystem des österreichischen Kaiserstaates mit vergleichendem Hinblick auf Preußen und Frankreich“, 2 Bände (Paris 1843, 8°.) ein unverdientes Aufsehen erregte. Darüber schrieb Dr. Joh. Jac. Herz [Bd. VIII, S. 408], eine anrüchige Persönlichkeit des Vormärz, welche im Nachmärz als Generalsecretär der galizischen Karl Ludwig Eisenbahn in einer Villa zu Hietzing nächst Schönbrunn durch Selbstmord in unheimlicher Weise endete, eine breitspurige Kritik in Dr. Ad. Schmidl’s „Oesterreichischen Blättern für Literatur“ [1844, Nr. 42–46], welche gegen eine Kritik des Werkes in Biedermann’s „Deutscher Monatschrift“ gerichtet war. Kurz, das Buch erregte damals solches Aufsehen, daß Wiesner – vielleicht durch seinen oben genannten Gönner beeinflußt – sich daran machte, Herrn von Tengoborsky in sachgemäßer Weise zu antworten. Und so schrieb er das Werk: „Russisch-politische Arithmetik. Streiflichter auf das Werk des russischen Geheimrathes M. L. von Tengoborsky: Ueber die Finanzen.. . Oesterreichs.. .“, 2 Bände mit 3 Tabellen (Leipzig 1844, 8°.). Das Werk, von edelstem österreichischen Patriotismus durchglüht, brachte doch unter dem vormärzlichen Regime dem Patrioten eine achttägige Gefängnißstrafe ein, weil er es ohne Censurbewilligung im Auslande hatte drucken lassen. Auch war ihm in Baron Zedlitz, welcher die österreichischen Verhältnisse in der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ mit durch officielle Brillen etwas getrübten Augen zu schildern pflegte, ein Gegner erstanden, der ihm in der genannten Zeitung die Leviten las. Als Wiesner mit allen Versuchen, in einem österreichischen Blatte darauf zu erwidern, scheiterte, gab er seine Entgegnung in der Flugschrift heraus: „Zwanzig Spalten über ein Pamphlet. Streiflichter auf seine sogenannte Kritik, betreffend der Schrift: Russisch-politische Arithmetik“, in Nr. 217, 223–227 der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ (Leipzig 1844, 8°.). Um diese Zeit veröffentlichte er auch in den von Kuranda in Leipzig herausgegebenen „Grenzboten“ den Aufsatz „Die Geheimnisse des Wiener allgemeinen Krankenhauses“, welcher damals in Wien ein großes Aufsehen machte. Die Schrift war anonym erschienen, und erst nach Wiesner’s Tode wurde das Geheimniß gelüftet und er, den ein [80] Secundararzt Dr. P. inspirirte, als Verfasser derselben genannt. Als in den Vierziger-Jahren die niederösterreichischen Stände, von der Unerträglichkeit der herrschenden politischen Mißverhältnisse beschwert und niedergedrückt, sich aus der ihnen aufgezwungenen Thatlosigkeit aufzuraffen begannen, boten sie, als sie Wiesner’s publicistisches Talent erkannten, ihm eine beträchtliche Jahressubvention an, wenn er in ihrem Interesse schriebe. „Das thue ich ohnehin, lasse mich aber dafür nicht bezahlen“, antwortete Wiesner, der gerade damals nicht, wie überhaupt in keiner Zeit seines Lebens, an Geldüberfluß litt. Endlich im Jahre 1846, als ihm die heimischen Verhältnisse unerträglich wurden, verließ er Wien, indem er seine Hoffnung vorerst auf zwei Manuscripte setzte, die er daselbst vorbereitet hatte: eine Biographie Sonnenfels’ und über österreichische Censurverhältnisse. Von ersterer sind nur ein paar Bruchstücke in L. A. Frankl’s „Sonntagsblättern“ [1846, S. 45 und 137] erschienen, über letztere aber gab er den stattlichen Band: „Denkwürdigkeiten der österreichischen Censur vom Zeitalter der Reformation bis auf die Gegenwart“ (Stuttgart 1847, Krabbe, gr. 8°., 436 S.) heraus, ein Werk, das eben in die vollste politische Gährung fiel und daher auch nicht die verdiente Beachtung fand, heute aber durch das ungemein reiche, aus den Quellen geschöpfte Material doch nur noch historischen Werth, diesen aber in hohem Grade, besitzt. In einem der ihm gewidmeten Nekrologe heißt es, daß er in den Vierziger-Jahren in Leipzig Redacteur einer Zeitung gewesen sei, in welcher er die österreichischen Zustände scharf kritisirt habe. Von einer solchen Zeitung ist mir nichts bekannt. Es wäre denn damit der Fall gemeint, daß er, als er im Frankfurter Parlament als Abgeordneter saß, für kurze Zeit Redacteur der Frankfurter „Oberpostamts-Zeitung“ gewesen, was er aber doch erst Ende der Vierziger-Jahre war. Indessen hatte sich doch die Aufmerksamkeit auf ihn derart gerichtet, daß, als es in Oesterreich im Jahre 1848 zu den Wahlen für das deutsche Parlament kam, er im Wahlbezirke Feldsberg in Niederösterreich – nicht, wie es in einem Nekrologe heißt, von der Bevölkerung Prags – in das Frankfurter Parlament gewählt wurde. Wenn Letzteres auch geschah, so steht es doch fest, daß er sich für Feldsberg entschied, da er sich in das von S. Schmerber in Frankfurt a. M. 1849 verlegte Parlamentsalbum unter dem Satz: „Die Grundrechte und das Wahlgesetz werden das erringen, was wir nicht erringen konnten oder wollten, 26. April 1849“ als Abgeordneter für den Wahlbezirk Feldsberg in Niederösterreich unterschrieb. Im Frankfurter Parlamente saß er auf der äußersten Linken, aber über seine Thätigkeit in demselben kommen wir nicht recht ins Klare. Laube , des Parlaments Historiker, dem nüchterne Anschauung und scharfe Beobachtung nicht abzusprechen sind, ist auf Wiesner nicht gut zu sprechen, er ist nicht dessen Gegner, was nicht zu verschmähen wäre, sondern, was bei weitem schlimmer, er macht ihn lächerlich und reiht ihn unter die enfants terribles dieser Versammlung. Jedenfalls war Wiesner ’s Wirksamkeit in derselben von keinen Erfolgen begleitet. In Bezug auf die nächste Zeit, nachdem das Parlament auseinander gegangen, sind wir über ihn wenig unterrichtet; er wird öfter mit Adolf C. Wiesner , einem Kärnthner, auch einem Verbannten der Jahre 1848 und 1849, über den ein eigener Artikel folgt, verwechselt. Er hat in dieser Zeit [81] die Schrift herausgegeben: „Laube gegen Friedrich Hecker, Robert Blum, Adolf Trätscher, die Wiener Studentenlegion. Einige Streiflichter über das Pamphlet: Das erste deutsche Parlament“ (Leipzig 1850, Mather, gr. 8°.), mit dem Pamphlet ist eben Laube’s Parlamentswerk gemeint. Dann war er, da ihm die Rückkehr in seine Heimat infolge seines politischen Verhaltens unmöglich geworden, und er bei seinem rastlosen, nie befriedigten Wesen auf deutschem Gebiet für sich keine Zukunft sah, 1852 nach Amerika ausgewandert. Dort lebte er, fast verschollen, von schriftstellerischen Arbeiten. Erst nach seinem Tode brachte die New-Yorker „Handels-Zeitung“ einige flüchtige Notizen über ihn. Er schrieb in Amerika staatsmännische Abhandlungen und arbeitete für Compagnien, die sich zur Ausführung von Eisenbahn- und Dampfschifffahrten gebildet hatten. Auch geschah es durch seine Anregung und Arbeit, daß 1858 in New York das Schiller-Denkmal errichtet wurde. Im Jahre 1860 gab er die Zeitschrift „Geist der Weltliteratur“ heraus, der aber nur ein kurzes Dasein beschieden war. Dann siedelte er nach Baltimore über, wo er sich mit der Redaction einer „Turn-Zeitung beschäftigte. Als dann der Secessionskrieg ausbrach, widmete er seine Thätigkeit der Verpflegung kranker Unionssoldaten und erhielt als Anerkennung seiner Dienste für die Union eine Stelle im Zollhause zu Baltimore, die er dazu benützte, den deutschen Emigranten, mit denen er vermöge seines Amtes in steten Verkehr kam, mit Rath und That beizustehen. Im Frühjahr 1866 bekam er einen Ruf als Redacteur der „Illinois-Staatszeitung“. Immer aber erfüllte ihn die Sehnsucht nach Deutschland mit der Hoffnung, an der Einigung desselben mitzuwirken. In der letzteren Zeit ging er nach Chicago und stellte von dort aus der Redaction der New Yorker „Handels-Zeitung“ den Antrag, für dieses Blatt „Lebensbilder aus dem Nordwesten“ zu schreiben. Da erschien der kaiserliche Gnadenact der Amnestie, und nun unternahm er – obgleich schon sehr leidend – die Reise nach New-York, um von dort nach Europa zurückzukehren. Erschöpft kam er daselbst an, ein typhöses Fieber stellte sich ein und raffte ihn nach wenigen Tagen hin. Hans Kudlich hielt ihm die Grabrede. Die New-Yorker „Handels-Zeitung“ fällte bei Gelegenheit der Meldung seines Todes das im Ganzen zutreffende Urtheil über den Verblichenen: „Adolf Wiesner war einer unserer fähigsten, vielseitigsten Literaten und bravsten Männer. Wir melden seinen Tod mit innigem Bedauern unseren Lesern. Zu spät hier eingewandert, um sich den diesseitigen Verhältnissen zu fügen, war es ihm nicht gelungen, einen geeigneten Wirkungskreis zu finden; trotz seiner tiefen umfassenden Kenntnisse, seines unermüdlichen Fleißes, hatte der edle, gesinnungstüchtige Mann während seines fünfzehnjährigen Aufenthaltes in diesem Lande oft mit Mangel zu kämpfen, und dennoch konnte kein Preis ihn bestimmen, auch nur um eines Haares Breite von seiner Ueberzeugung zu weichen. Sich selbst hat er den Genuß des Lebens dadurch verbittert, daß er trotz der ihm gewordenen Anerkennung sich stets unterschätzt glaubte.“
Wiesner, Adolf (Schriftsteller, geb. in Prag 1807, gest. zu New-York am 23. September 1867). Er heißt eigentlich Wiener, den Namen Wiesner nahm er erst an, als er um die Mitte der Dreißiger-Jahre vom jüdischen zum katholischen Glauben übertrat. Er that dies, um bei seinen ausgezeichneten Fähigkeiten sich eine entsprechende Carrière im Justizfache zu eröffnen, was unter den damaligen Verhältnissen dem Israeliten nicht möglich war. Dabei verschmähte er aber den bei solchen Uebertritten nicht seltenen Kunstgriff, sich durch einen einflußreichen Pathen Protection zu verschaffen, sondern wählte sich einfach den Meßner von St. Stephan in Wien zum Pathen und ließ sich, um kein Aufsehen zu erregen, in frühester Morgenstunde taufen. Sodann seinem Vorhaben, die juridische Laufbahn zu betreten. folgend, nahm er bei dem k. k. Criminalgerichte in Wien die übliche Praxis. Neben seinem Berufe huldigte er aber auch der Muse, und gelang es ihm durch besondere Empfehlung des damaligen Ministers des Innern, Grafen- Presse (Wiener politisches Blatt) 1861, Nr. 64 und Nr. 184. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1867, Nr. 282. – Wanderer (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 280. – Neues Wiener Tagblatt, 1867, Nr. 213. – Neue Freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 1118 in der „Kleinen Chronik“, Nr. 1120. – Dieselbe, [82] 1869, Nr. 1876. – Laube (Heinrich). Das erste deutsche Parlament (Leipzig 1849, Weidmann, 8°.) Bd. 1, S. 283; Bd. II, S 99, 175.