Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weyr, Eduard
Band: 55 (1887), ab Seite: 203. (Quelle)
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Weyr, Emil (Mathematiker, geb. in Prag 31. August 1848). Die Realstudien beendete er an der deutschen Oberrealschule in Prag, an welcher sein Vater Franz als Professor der Mathematik und Physik angestellt ist. Zugleich betrieb er aus eigenem Fleiße das Studium der lateinischen Sprache. Schon in den letzten zwei Jahrgängen der Realschule begann er, und zwar unter Anleitung seines Vaters, höhere Mathematik und besuchte 1865 das Polytechnicum in Prag, wo er besonders Fiedler’s Vorträge über beschreibende Geometrie hörte. In seinen mathematischen Studien that er sich so hervor, daß, während er noch selbst Hörer der Vorlesungen war, ihm, dem damals kaum Achtzehnjährigen, 1866/67 die Stelle des Assistenten der höheren Mathematik an der Prager polytechnischen Anstalt übertragen wurde. Um eine Privatdocentur an der Prager Hochschule zu erlangen, begab er sich, dem Rathe seiner Freunde folgend, nach Leipzig und erlangte daselbst im Mai 1869 das Diplom des Doctors der Philosophie. Aber dem Prager Professorencollegium genügte diese Diplomirung einer ausländischen Universität nicht, da er nicht die vorgeschriebenen Gymnasial-und Universitätsstudien an einer vaterländischen Hochschule durchgemacht hatte. Erst 1870 konnte er den vorgeschriebenen Anforderungen genügen und als Privatdocent der Geometrie an der Prager Universität seine Vorträge über algebraische Curven beginnen. Um diese Zeit trat er auch mit seinem ersten selbstständigen Werke über die Theorie der Curven unter dem Titel: „Theorie der mehrdeutigen geometrischen Elementargebilde und der algebraischen Curven und Flächen als deren Erzeugnísse“ (Leipzig 1869, Teubner, gr. 8°., mit 5 Tafeln in 4°.) in die Oeffentlichkeit. Um sich im Auslande bei den hervorragendsten Mathematikern der Gegenwart in seinem Fache weiter auszubilden, erhielt er vom Ministerium des Unterrichts eine Unterstützung von tausend Gulden, und er hatte sich schon für Paris entschlossen, wo damals Chasles, Mannheim, Bertrand und Andere, die Koryphäen der mathematischen Wissenschaft, lehrten, als der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges dieses Vorhaben vereitelte. So wendete er sich denn Anfangs November 1870 nach Mailand, um am Polytechnicum daselbst die Vorträge des berühmten Geometers Ludwig Cremona und jene des Professors Casaroti zu hören. Dort befreundete er sich auch bald mit anderen jungen Liebhabern und Pflegern der mathematischen Studien, so daß sich sein Bekanntenkreis im Gebiete dieser Disciplin bald über den ganzen italienischen Continent ausdehnte. Im Frühling bereiste er Mittel- und Unteritalien, um die verschiedenen Universitäten des Landes und die Koryphäen seiner Wissenschaft an denselben kennen zu lernen; vornehmlich verweilte er in Padua, Bologna, Pisa, Rom und Neapel und knüpfte überall freundschaftliche [204] Verbindungen an, die er auch nach seiner Rückkehr in die Heimat im Interesse der Wissenschaft, der er huldigte, aufrecht erhielt. Ende Mai 1871 kehrte er in den Kaiserstaat zurück, wo während seiner Abwesenheit ein großer Umschwung in den politischen Verhältnissen eingetreten, der auch auf die Universität und die Besetzung derselben mit Lehrkräften nicht ohne Einfluß blieb. Der Landesausschuß ernannte Weyr zum außerordentlichen Professor der Mathematik an der čechischen technischen Lehranstalt, welche Ernennung am 17. December 1871 die ah. Bestätigung erlangte. Gleichzeitig mit den Vorträgen an diesem Institute eröffnete der junge Gelehrte auch seine Vorträge an der Universität. Mittlerweile aber beschäftigte er sich mit der deutschen Uebersetzung des Werkes „Introduzione ad una teoria geometrica delle curve piane“ des Professors Ludwig Cremona und begab sich, nachdem er diese beendigt hatte, im März 1873 wieder nach Italien, um sich in Mailand betreffs seiner Arbeit mit dem Verfasser des Originals zu verständigen, dann aber in Bologna die Erlaubniß zur Herausgabe seiner Uebersetzung zu erlangen, da das Original Eigenthum der dortigen Akademie der Wissenschaften war, in deren Schriften es zuerst veröffentlicht worden. Nachdem er Alles glücklich geordnet hatte, kehrte er heim, wo die Gesellschaft der čechischen Mathematiker, zu deren Vorstand er 1872 erwählt worden, den Verlag dieses Werkes übernahm. In der Folge wurde er an die Wiener Hochschule berufen, wo er zur Zeit an der philosophischen Facultät die Professur der Mathematik und die Vorstandschaft des mathematischen Seminars versieht. Wir lassen hier die Uebersicht seiner Arbeiten folgen, welche zum größeren Theile in den Schriften der mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und in anderen mathematischen Zeitschriften erschienen. Außer den bisher angeführten sind es folgende: „Geometrie der räumlichen Erzeugnisse ein- und zweideutiger Gebilde, insbesondere Kegelflächen dritter Ordnung“ (Leipzig 1870, Teubner, gr. 8°.); die nun citirten kamen sämmtlich in den erwähnten Sitzungsberichten der k. Akademie, aber alle auch in Sonderabdrücken heraus: „Ein Versuch, das Newton’sche Gravitationsgesetz aus molecularen Kräften abzuleiten“ [Bd. LIV, Abtheilung II, S. 630]; – „Ein Beitrag zur Theorie transversal magnetischer Flächen“ [Band LVI, Abth. II, 1868, S. 669 u. f.]; – „Studien aus der höheren Geometrie. Mit 1 Tafel“ [Bd. LVII, Abth. II, S. 449]; – „Ueber Krümmungslinien der Flächen zweiten Grades und confocale Systeme solcher Flächen“ [Band LVIII, Abth. II, S. 60]; – „Zur Erzeugung der Curven dritter Ordnung. Mit 1 Holzschnitt. [Bd. LVIII, Abtheilung II, S. 633]; – „Die Dreitheilung eines Winkels“ [Band LVIII, Abth. II, S. 655]; – „Construction des Krümmungskreises für Fußpunktcurven. Mit 5 Holzschn.“ [Bd. LIX, Abth. II, S. 169]; – „Ueber kaustische Brennlinien“ [Bd. LIX, Abtheilung II, S. 469]; – „Ueber Curvenbüschel“ [Bd. LXI, Abth. II, S. 731]; – „Zur Vervollständigung der Involutionen höherer Ordnung. Mit 2 Holzschnitten“ [Bd. LXI, Abth. II, S. 600]; – „Geometrische Mittheilungen. I., II., III.“ [Bd. LXI, Abth. II, S. 731, 819 und Bd. LXII, Abth. II, S. 273]; – „Ueber Evolutionen räumlicher Curven“ [Bd. LXII, Abth. II, S. 804]; – [205] „Ueber rationale Raumcurven vierter Ordnung“ [Bd. LXIII, Abtheilung II, S. 493]; – „Ueber die Abbildung einer rationalen Raumcurve vierter Ordnung auf einem Kegelschnitt“ [1875]; – „Weitere Bemerkungen über die Abbildung einer rationalen Raumcurve vierter Ordnung auf einem Kegelschnitt“ [1873]; – „Ueber rationale ebene Curven vierter Ordnung, deren Doppelpunktstangenten Inflexionstangenten sind“ [1873]; – „Die Erzeugnisse der Curven dritter Ordnung mittels symmetrischer Elementensysteme zweiten Grades“ [1874]; – „Ueber Raumcurven vierter Ordnung mit einem Cuspidalpunkte“ [1875]; – „Raumcurven siebenter Ordnung“ (1874). Auch ist Weyr Mitarbeiter der wichtigsten mathematischen Zeitschriften der Gegenwart, so der in Leipzig erscheinenden mathematischen „Annalen“, von Crelle’s[WS 1] „Journal für die reine und angewandte Mathematik“, Schlömilch’s „Zeitschrift für Mathematik und Physik“, der Abhandlungen des Vereines čechischer Mathematiker, der Verhandlungen der königlich lombardischen Akademie der Wissenschaften in Mailand, des „Giornale di matematica“ in Neapel, der „Annali di matematica pura e applicata“ in Mailand und des französischen Journals der „Société mathématique de France“. Diese wissenschaftliche Thätigkeit Weyr’s fand in Fachkreisen oftmalige Würdigung, so wurde er schon 1872 von der königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften zum außerordentlichen Mitgliede derselben erwählt; 1872 von der lombardischen Akademie der Wissenschaften in Mailand, im Juni 1875 von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien zum correspondirenden, am 30. Juni 1882 zum wirklichen Mitgliede der mathematisch-naturwissenschaftlichen Altheilung; von der „Société mathématique de France“, von der kaiserlich leopoldinischen Akademie und noch von vielen anderen. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Crell’s.