Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Wenger, Karl Franz
Band: 54 (1886), ab Seite: 278. (Quelle)
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Wenger, Franz (Holzschnitzer, geb. zu Hof nächst Mondsee in Oberösterreich am 6. October 1831). Der Sohn eines unbemittelten Zimmermanns, der ihm keinen anderen Unterricht gewähren konnte, als den Besuch der einclassigen Volksschule zu Zell am Moos, übte er während der freien Zeit sich im Zeichnen und Modelliren, ohne darin je eine Unterweisung erhalten zu haben. Eine Caricatur, aus welcher die Züge seines Lehrers unverkennbar sprachen, trug ihm eine Tracht Ohrfeigen ein, welche aber seinen Eifer zum Zeichnen nicht beeinträchtigte. Als er zehn Jahre alt war und den Wunsch äußerte, zu einem Bildhauer in die Lehre zu kommen, konnte ihm der Vater nicht willfahren, [279] und Franz mußte das Handwerk desselben erlernen und statt des Meißels die Zimmermannsaxt ergreifen. Nun nahte die Zeit der Militärpflichtigkeit. Damit er dieser entgehe, nöthigten ihn die Eltern zu heiraten; nach längerem Widerstreben gab er endlich nach und trat in den Stand der Ehe. Nun war er doch sein eigener Herr, gab das Zimmermannshandwerk auf und begann die Tischlerei zu betreiben, wozu sich ihm bei seinem Modellirtalent erfreulichere Aussichten darboten. Während er fleißig im Zeichnen und Modelliren sich übte, verfertigte er Kunstmöbel, Altäre für Capellen, wozu er die Bildhauerarbeit selbst ausführte; auch erlernte er von einem damals in seinem Wohnorte verweilenden Maler das Vergolden und Bemalen der Figuren. Nun stand seinem Fortkommen nichts im Wege, aber er hatte nicht an die Gewerbeordnung gedacht; für unbefugte Ausübung seines Gewerbes wurde ihm als Strafe eine ansehnliche Geldsumme andictirt, und man confiscirte ihm noch zum Ueberflusse sämmtliche Werkzeuge. Nun klopfte die Noth von Neuem an seine Thür, und um sein Dasein zu fristen, begann er Tabakspfeifen, Stockknöpfe zu schnitzen, Gewehrschäfte mit Thieren und Jagdgeräth zu schmücken; aber auch dies ward ihm eingestellt, ihm wieder das Werkzeug abgenommen und eine empfindliche Geldstrafe auferlegt. So befand er sich denn mit Frau und zwei Kindern in schlimmster Noth und brachte sich als Holzknecht mit Holzfällen im Walde kümmerlich fort. Bei dieser Beschäftigung aber gerieth seine künstlerische Anlage von selbst auf den rechten Weg, auf die Beobachtung der Natur. Im Walde sah er Reh, Gemse, Hirsch in ihren verschiedenartigsten Stellungen, der alte Drang zum Zeichnen erwachte in ihm, und er zeichnete, modellirte sie. Nun gewann er auch der Beobachtung der Hausthiere einen neuen Reiz ab, bildete Pferde, Rinder u. s. w. in ihren verschiedenen Stellungen und Bewegungen nach, führte sie in Holz aus, und bald wanderten seine mit großer Naturwahrheit ausgeführten Thiergruppen in die Hände reicher Engländer, welche sie gut bezahlten; schließlich gelangten seine Schnitzarbeiten in die Ausstellungen und erzielten erste Preise. Nun kam er auch den gewerblichen Anforderungen zur Ausübung seines Geschäftes nach, verband sich mit seinem älteren Bruder und arbeitete für Kirchen, führte Restaurationen in großem Style aus, so in der Pfarrkirche zu Oberhofen, und vollendete neue Altäre, wie in der Pfarrkirche zu Pischelsdorf im Innkreise und andere. Endlich hatte er auch die Mittel beisammen, um seinen längstgehegten Wunsch, eine Reise nach Wien, auszuführen. Er begab sich 1868 in die Residenz und arbeitete daselbst längere Zeit im Atelier des Professors Otto König. Im Sommer 1870 kehrte er nach Mondsee zurück, und nun leitete er zuvörderst den Bau der Villa des Schriftstellers Friedrich Uhl, wobei er zugleich die Herstellung der ganzen inneren Einrichtung, nebst der Restauration alterthümlicher Möbel für dieselbe, besorgte. Diesem Baue folgten bald mehrere andere, so jene der Villen Samek, Angerer, Reiffenstein, Flatz, Feichtinger in Mondsee und der Villa Fink in Braunau, sämmtliche nach eigenen Entwürfen und Plänen in der äußeren und inneren Ausstattung. In der Zwischenzeit, im Herbst 1872, ging er nach Wien, wo er im Mai 1873 im Auftrage des Ministeriums eine Fachschule für Holzschnitzerei eröffnete. Später, wenn ich [280] nicht irre, übernahm er die Leitung der versuchsweise errichteten Holzschnitzschule in Mondsee, und dann kam er als Lehrer an die Fachschule für Holzindustrie in Ebensee. Nebenbei vollendete er mehrere Kunstschnitzereien in Holz, die zu dem Schönsten, was in diesem Kunstzweige geleistet wird, gehören. Wir kennen und nennen davon: die Speisezimmereinrichtung im italienischen Renaissancestyl für Albert Samek in Wien, den Altar für die Kirche in Grossenschwandt, ausgeführt im Winter 1874/75, im nämlichen Winter ein Relief: „Abendruhe einer Bauernfamilie“, von Seiner Majestät dem Kaiser angekauft; – ein großes Relief: „Der Transport eines verletzten Hirsches“, im Winter 1875 vollendet und gleichfalls von Seiner Majestät angekauft; – dann ein großes Relief, eine „Jagdscene“, 1876 geschnitzt, und „Kaiserin Elisabeth zu Pferde, im Hintergrunde Schloss Gödöllö“, 1877 geschnitzt; ferner zahlreiche Thiergruppen, vornehmlich Pferde und Rinder u. d. m. Wenger ist in seinem Kunstzweige ein ganz bedeutender Künstler, seine Reliefs stellen sich den schönsten Arbeiten des Mittelalters in dieser Richtung würdig zur Seite. Seine Figuren haben Charakter, seine Gruppen sind reich und naturwahr, und sein Schnitt ist rein und glatt.

Oesterreichische Kunst-Chronik. Herausgeben und redigirt von Dr. Heinrich Kábdebo (Wien, Reisser und Werthner, 4°.) I. Jahrg., 1878, Nr. 4, S. 58 im Artikel: „Schnitzschule“.