Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Wedl, Matthias
Nächster>>>
Wędrychowski, W.
Band: 53 (1886), ab Seite: 228. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Carl Wedl in der Wikipedia
Carl Wedl in Wikidata
GND-Eintrag: 117207934, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Wedl, Karl|53|228|}}

Wedl, Karl (Arzt und Naturforscher, geb. zu Wien am 14. October 18153). In seiner Geburtsstadt beendete er das Gymnasium und das Studium der Philosophie und lag dann daselbst auch der Arzeneiwissenschaft ob, und zwar zu einer Zeit, als die Koryphäen derselben, ein Oppolzer, Skoda, Rokitansky, Schuh und Andere, in der Blüte ihrer Wirksamkeit standen. Im Jahre 1841 erlangte er die medicinische Doctorwürde, und nun widmete er sich zunächst in Ischl und Salzburg der ärztlichen Praxis. Dabei setzte er mit rastlosem Eifer die Studien fort und unternahm 1844 eine wissenschaftliche Reise nach Frankreich und England, wo er die großen medicinischen Lehranstalten besuchte und an denselben seine ersten Studien über die Physiologie und Pathologie der Gewebe machte. Heimgekehrt, veröffentlichte er 1845 die ersten Früchte seiner Wahrnehmungen, welche die Aufmerksamkeit seiner Fachgenossen erregten und den jungen Arzt bestimmten, seinen ständigen Aufenthalt in der Kaiserstadt zu nehmen und sich dem von ihm gewählten Studium ausschließlich hinzugeben. Aber diese Forschungen über einen Gegenstand, der daselbst so gut wie unbekannt war, und dessen Bedeutung, selbst von Fachmännern noch nicht gewürdigt wurde, bereiteten ihm nicht geringe Schwierigkeiten; nur der Altmeister der Wiener medicinischen Schule, Karl Rokitansky [Bd. XXVI, S. 288] erkannte sofort den wahren Werth der Forschungen und Leistungen Wedl’s und lenkte schon 1849 in einer Eingabe an das Unterrichtsministerium die Aufmerksamkeit desselben auf den jungen Gelehrten, zu gleicher Zeit in eindringlichster Weise dessen Ernennung zum Privatdocenten der Histologie (Gewebelehre) befürwortend. In dieser Stelle, zu welcher Wedl denn auch bald darauf berufen wurde, war ihm das Material zu seinen wissenschaftlichen Forschungen leichter zugänglich, und es wurde ihm bald möglich, der Histologie als einer wissenschaftlichen Disciplin die Anerkennung zu verschaffen. Er wurde denn auch 1853 wieder auf Anregung Rokitansky’s, dem sich dieses Mal auch der berühmte Anatom Hyrtl [Bd. IX, S. 464] anschloß, zum außerordentlichen [229] Professor dieses Gegenstandes ernannt. Aber der Gelehrte wollte nicht voreilig mit einem Gesammtergebniß seiner mühsamen Forschungen hervortreten und gab sich denselben unaufhörlich hin, Ergebniß an Ergebniß reihend, und erst als er diesen neuen und wichtigen Gegenstand, welcher eine Fülle von neuen Ideen und bedeutungsvollen Anregungen enthält, völlig durchgearbeitet zu haben meinte, schloß er ab und trat mit seinem großen und grundlegenden Werke über die pathologische Histologie in die Oeffentlichkeit. Nun ergriff das medicinische Professorencollegium, da er selbst, ein stiller bescheidener Gelehrter, nach dieser Richtung keinen Schritt that, aus Eigenem die Initiative, die bisher außerordentliche Professur in eine ordentliche umzuwandeln, und beantragte noch im nämlichen Jahre nach einstimmigem Beschluß bei dem Unterrichtsministerium Wedl’s Ernennung zum ordentlichen Professor der Histologie an der Wiener Hochschule. Am 1. Jänner 1872 als solcher berufen, wirkte er im Interesse seiner Wissenschaft, die er immer mehr und mehr förderte, in geräuschloser Stille fort, und als er nach zurückgelegtem siebenzigsten Lebensjahre nach den Bestimmungen des österreichischen Gesetzes für die Lehrthätigkeit eines Professors seiner akademischen Stelle im Jahre 1883 entsagte und in den Ruhestand übertrat, ward er wider seinen Willen, aber in Anerkennung seiner hohen Verdienste um die Wissenschaft und im Lehrfache, zum Rector Magnificus der Wiener Hochschule erwählt. Diese Wahl erfolgte noch überdies unter auszeichnenden Umständen in demonstrativer Weise, da er Nachfolger des Professors Maaßen wurde, dessen im niederösterreichischen Landtage, in dem der jeweilige Rector der Wiener Universität Sitz und Stimme hat, zu Gunsten der čechischen Schule in Wien gehaltene Rede große Aufregung und in den deutschen Kreisen geradezu Unwillen erregt hatte. Es galt, in der Neuwahl einen Mann zum Rector der ersten deutschen Hochschule zu treffen, dessen deutsch-liberale Gesinnung außer allem Zweifel stand, und sie fiel auf Professor Wedl, der sich lange, jedoch vergebens gegen die Annahme der ihm aufgedrungenen Würde sträubte. Bat er doch selbst, da die Aufregung in den Kreisen der Studirenden gegen Professor Maaßen im Steigen begriffen war, und man bei der Installation des neuen Rectors, wie solche üblich, mit gutem Grund eine Demonstration gegen den abtretenden Rector besorgte, unter den obwaltenden Umständen von dieser Feier abzusehen. Nichts desto weniger aber kam die aufgeregte Stimmung der Studirenden zum Ausbruch, freilich nicht in der großen Festhalle der Universität, wohl aber in Maaßen’s Hörsaale, der im October 1883 der Schauplatz stürmischer Scenen wurde. Diesen peinlichen Ereignissen gegenüber trat nun Rector Wedl stets mit voller Ruhe, strengster Mäßigung und der Würde des wahren Gelehrten entgegen. Aber diese durch Hineinzerren der Politik in die Hallen der Wissenschaft hervorgebrachte Aufregung war nichts weniger als nach dem Sinne des Gelehrten, der den ersten Moment der wieder hergestellten Ruhe benützte, seine Rectorswürde niederzulegen und zum stillen Herde der ihm liebgewordenen Wissenschaften zurückzukehren. Wir schließen die vorstehende Lebensskizze mit einer Uebersicht der im Druck erschienenen Arbeiten Wedl’s; diese sind: „Beiträge zur Anatomie des zweibuckeligen Kamels“ (Wien 1852, Fol. mit 5 KK.), gemeinschaftlich mit [230] F. Müller, auch in den Denkschriften mathematisch-naturwissenschaftlicher Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften; – „Grundzüge der pathologischen Histologie“ (ebd. 1854, gr. 8°., 826 S.); – „Pathologie der Zähne. Mit besonderer Berücksichtigung auf Anatomie und Physiologie bearbeitet. Mit 102 (eingedr.) Holzschnitten“ (Leipzig 1870, gr. 8°.; VIII und 362 S.) und „Die pathologische Anatomie des Auges. Mit 33 Lichtdrucktafeln in Fol.“ (Wien, Gerold, gr. 8°.), gemeinschaftlich mit Dr. E. Bock. Die übrigen Arbeiten des Gelehrten sind in Fachzeitschriften, zum größten Theile in den „Sitzungsberichten mathematisch-naturwissenschaftlicher Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften“ und aus diesen auch in Sonderabdrücken erschienen. Diese sind: „Beiträge zur Lehre von den Hamatozoen. Mit 1 Tafel“ [Bd. II, S. 177]; – „Ueber die traubenförmigen Gallengangsdrüsen. Mit 1 Tafel“ [Bd. V, S. 480]; – „Helminthologische Notizen. Mit 5 Tafeln“ [Bd. XVI, S. 371 u. f.]; – „Zur Ovologie und Embryologie der Helminthen. Mit 2 Tafeln“ [Bd. XVI, S. 395 u. f.]; – „Ueber das Herz von Menopon pallidum. Mit Tafel“ [Bd. XVII, S. 173 u. f.]; – „Ueber das Nervensystem der Nematoden. Mit 1 Tafel“ [Bd. XVII, S. 298 u. f.]; – „Charakteristik mehrerer größtentheils neuer Tänien. Mit 3 Tafeln“ [Bd. XVIII, S. 5 u. f.]; – „Ueber die Mundwerkzeuge der Nematoden. Mit 3 Tafeln“ [Bd. XIX, S. 33 u. f.]; – „Ueber einige Nematoden. Mit 1 Tafel“ [Bd. XIX, S. 122]; – „Anatomische Beobachtungen über Trematoden. Mit 4 Tafeln“ [Bd. XXVI, S. 241]; – „Ueber ein in den Mägen des Rindes vorkommendes Epiphyt“ [Bd. XXIX, S. 91]; – „Ueber die Bedeutung der in den Schalen von manchen Acephalen und Gasteropoden vorkommenden Canäle. Mit 3 Tafeln“ [Bd. XXXIII, S. 451 u. f.]; – „Beiträge zur Pathologie der Blutgefäße. Mit 3 Tafeln“ [Bd. XXXVII, S. 265 u. f.]; – „Fortsetzung II derselben. Mit 2 Tafeln“ [Bd. XLVIII, 1. Abthlg., S. 384]; – „Fortsetzung III derselben. Mit 4 Tafeln“ [Bd. LIII, 1. Abthlg., S. 343 u. f.]; – „Zur Helminthenfauna Aegyptens. I. Abtheilung. Mit 2 Tafeln“ [Bd. XLIV, 1. Abthlg., S. 225 u. f.]: 1) Acanthotheca, 2) Acanthocephala; II. Abtheilung. Mit 3 Tafeln [Bd. XLIV, 1. Abthlg., S. 463 u. f.]: 3) Nematoda, 4) Cestoda, 5) Trematoda; – „Ueber das Pentastom einer Löwin. Mit 1 Tafel“ [Bd. XLVIII, 1. Abthlg., S. 408]; – „Ueber einen im Zahnbein und Knochen keimenden Pilz. Mit 1 Tafel“ [Bd. L, 1. Abthlg., S. 171 u. f.]; – „Zur Kenntniß der Dünndarmzotten. Mit 1 Tafel“ [Bd. LVIII, 2. Abthlg., S. 253 u. f.]; – „Ueber Capillargefäßsysteme von Gasteropoden. Mit 2 Tafeln“ [Bd. LVIII, 2. Abthlg., S. 269 u. f.]; – „Histologische Mittheilungen. Mit 2 Tafeln“: 1) Zur Anatomie der Milz; 2) Ueber die Lymphgefäße der Leberkapsel; 3) Ueber die Lymphgefäße des Herzens; 4) Ueber die Einwirkung der Pyogallussäure auf die rothen Blutkörperchen [Bd. LXVI, 1. Abthlg., S. 391 u. f.]. Ferner gab er den Atlas zu M. Heider’s „Pathologie der Zähne“, dann unter Mitwirkung von C. Stellwag von Carion den „Atlas zur pathologischen Histologie des Auges“ und schließlich aus dem literarischen Nachlasse des Arztes Ludwig Türck das Werk „Ueber die Hautsensibilitätsbezirke der einzelnen Rückenmarknervenpaare“. heraus, welches auch in den Denkschriften [231] der Akademie enthalten ist. Kleinere Arbeiten Wedl’s sind in verschiedenen Fachzeitschriften, so z. B. in den „Verhandlungen der Freunde der Naturwissenschaften in Wien“, in der von der Prager medicinischen Facultät herausgegebenen „Vierteljahresschrift für die praktische Heilkunde“, in der „Zeitschrift der Gesellschaft der Wiener Aerzte“ von 1849 an, abgedruckt. In Anerkennung dieser Verdienste um seine Wissenschaft wurde ihm von Seiner Majestät dem Kaiser der Hofrathstitel verliehen, ferner – seiner Wahl zum Rector der Wiener Hochschule gedachten wir bereits – wählte ihn 1849 die kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu ihrem correspondirenden Mitgliede und die k. k. Gesellschaft der Aerzte in Wien, die physicalisch-medicinische Gesellschaft zu Erlangen und die Gesellschaft für Natur- und Heilkunde zu Dresden zu ihrem Mitgliede.

Hirschel (Bernhard Dr.). Compendium der Geschichte der Medicin von den Urzeiten bis auf die Gegenwart, mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der Wiener Schule. Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage (Wien 1862, Braumüller, gr. 8°.) S. 415, 459, 484, 485, 504, 508, 561, 566.
Porträt. Das Bildniß des Gelehrten im Holzschnitt brachte die „Neue Illustrirte Zeitung“ (Wien, vormals Zamarski, kl. 8°.) XII. Jahrg., Nr. 11 vom 9. December 1883: „Aus der Sammlung Porträts der Professoren der Wiener medicinischen Facultät“.
Charge. Humoristische Blätter. Von Klič. XI. Jahrg., 2. December 1883, Nr. 48. Ueberschrift: „Die Demission des Universitätsrectors Dr. Wedl“. Unterschrift: „Der Wedl geht – doch der Wedler ist geblieben“. Ap. del.