BLKÖ:Warkotsch, Heinrich Gottlob Freiherr

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 53 (1886), ab Seite: 83. (Quelle)
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Warkotsch, Heinrich Gottlob Freiherr (k. k. Hauptmann in österreichischen Diensten, geb. in Schlesien um 1710, Todesjahr unbekannt, nach 1760). Der Sproß einer alten ungarischen Familie, welche aus Ungarn nach Schlesien übersiedelte und am 12. Jänner 1735 durch Karl Ferdinand von Warkotsch den böhmischen Freiherrnstand erlangte. Die Genealogien gehen über einen bestimmten Zeitraum nicht hinaus und lassen zwischen 1660 und 1740 eine Lücke, so daß wir die Eltern des in Rede Stehenden, der es in der Geschichte zu einer so traurigen Berühmtheit brachte, nicht näher [84] angeben können. [Im Uebrigen vergleiche S. 87 die Quellen]. Heinrich Gottlob diente, nach unserem Gewährsmanne, dem preußischen Hofhistoriographen Georg Hiltl, welcher nach Acten den Vorgang berichtet, in der österreichischen Armee in einem Regimente Totta, nach welchem wir in den Annalen unserer kaiserlichen Armee vergebens suchen. Warkotsch verließ 1756 mit Abschied sein Regiment, um nach dem im Bade Karlsbad erfolgten Tode seines Bruders den ihm nun zugefallenen Besitz der Güter Schönbrunn, Ober- und Niederrosen und Kasserei zu übernehmen und persönlich die Verwaltung zu führen. Er lebte auf Schönbrunn, unfern Schweidnitz. Er war eine heimtückische Natur. Wenngleich er dem Könige Friedrich II., der damals – 1761 – mit Oesterreich im Kriege lag, äußerlich huldigte, haßte er denselben doch gründlich als den Beschützer der Unterthanen gegen die Gewaltthätigkeiten ihrer Gutsherren, von denen er selbst einer der gewaltthätigsten war. Er, der noch österreichischer Unterthan gewesen, hatte 1756, nachdem Schlesien von Friedrich II. in dessen Weise annectirt worden, unverhohlen seinen Widerwillen, unter preußischem Scepter stehen zu müssen, geäußert, und als sich später in Böhmen eine österreichische Armee zusammenzog, sprach er ganz offen aus: „Wenn die Oesterreicher nur erst wieder Schlesien haben, dann können wir das Bauernpack zu Paaren treiben“. Aber dies hinderte ihn nicht, seinen Haß unter der Maske der Loyalität zu verbergen. Um nun dem ihm verhaßten Regimente des Königs, welcher im Gegensatze zu Warkotsch, für den die Bauern gar keine Menschen waren, dieselben als äußerst wichtige Menschen anerkannte, ein Ende zu machen, faßte er den ruchlosen Plan, Friedrich II. gefangen zu nehmen und den Oesterreichern zu überliefern. Der Fall der Festung Schweidnitz hatte die Aussichten des Königs ziemlich trübe gestaltet, und das Schloß Schönbrunn, dem Baron Warkotsch gehörig, war der Mittelpunkt der strategischen Operationen beider Heere. Daselbst erschien am 6. November 1761 in später Abendstunde plötzlich König Friedrich II. und verlangte von Baron Warkotsch Nachtquartier. Er wurde selbstverständlich sofort aufgenommen. Um Mitternacht klingelte er, und bald darauf beschied der Kämmerer Leining den Baron zum Könige. Dieser befragte den Eintretenden, ob er einen verläßlichen Menschen ihm zur Verfügung stellen könne. Baron Warkotsch bezeichnete seinen Jäger Matthias Kappel als solchen. Derselbe, aus Mitrowitsch in Böhmen gebürtig und katholischer Confession, wurde vor den König beschieden, der ihn fragte, ob er ihn in der Nacht nach Strehlen – einem von Schönbrunn etwa zwei Stunden entfernten Städtchen – bringen könne. Er bejahte es, und um 4 Uhr Früh – es war noch stockfinster – ritt der König mit seinem Führer nach dem genannten Orte. Auf dem Ritte bemerkte Kappel, daß die preußische Armee während der Nacht auf die umliegenden Dörfer und Güter gerückt war. Der König wollte den Oesterreichern den Vormarsch nach Breslau wehren und verlegte daher seine Winterquartiere von Neiße nach Strehlen und dessen Umgegend. Warkotsch wußte nun, daß Friedrich II. daselbst sein Hauptquartier aufgeschlagen habe. Obwohl er Protestant war, vernachlässigte er doch in auffälliger Weise den protestantischen Prediger Gerlach zu Schönbrunn und hielt es mit dem katholischen [85] Curaten Schmidt, der zu Siebenkulm in der Nähe des Gebirges wohnte und auf dem Warkotsch’schen Schlosse ein oft gesehener Gast und Vertrauter des Barons war. Mit diesem Curaten entwarf er nun das Complot. Schmidt gab dem österreichischen Hauptmanne, Namens Wallis, dessen Corps unfern Schönbrunn aufgestellt war, Kenntniß von allen Veränderungen im preußischen Hauptquartier. Man wußte, daß die Bedeckung des Königs, vom ersten Bataillon des Garde-Regiments beigestellt, nur aus dreizehn Mann bestand, welche im Hause lagen, das der König bewohnte, und leicht überwältigt werden konnten. Wir übergehen die Details des Complots, welches von Warkotsch und Schmidt geschickt gesponnen wurde, während Hauptmann Wallis immer Nachricht von den jeweiligen Veränderungen erhielt, um mit seinen Leuten zum Ueberfall sich bereit zu halten. Durch die vielen Besuche Schmidt’s und den zwischen diesem und Warkotsch lebhaft geführten Briefwechsel, mit dessen Bestellung Kappel betraut wurde, und durch eine gewisse Geheimthuerei, wie sie bei so üblen Vorgängen ja oft genug vorkommt, ward derselbe erst recht aufmerksam, und als ihm Warkotsch wieder einen Brief gab, den er sofort an Schmidt überbringen sollte, schöpfte er Verdacht und erbrach das Couvert, welches einen Brief, „A Monsieur le Baron de Wallis adressirt, enthielt und inwendig die Worte: „Der Herr Curatus beliebe diesen Brief auf das allerschleunigste zu bestellen“. Da dieses Schreiben den Beleg für den Verrath des Barons Warkotsch bildet und den Vorgang enthüllt, wie er ausgeführt werden sollte, setzen wir ihn nach dem Wortlaute, der in den Verhörsacten enthalten ist, hieher: „Mein lieber General (?) von Wallis! Ich zeige Ihnen an, daß ich gestern in dem Hauptquartiere des Königs gewesen bin und genau alle Nachrichten gebe. Der König hat die mehrsten Regimenter unvermerkt gegen Breslau in die Winterquartiere abmarschiren lassen. Das Geschütz, wie auch die Kriegscasse, ist auch bereits abgegangen. Der König selbst, wie es sicher ist, wird den 30., also Mittwoch Nachts, nachfolgen. Sein Wagen steht vor der Thür; er ist nur des Regens wegen weggeschoben gewesen. Es ist Zeit; machen Sie ihr Glück. Man muß den Vogel nicht ausfliegen lassen. Sie haben nichts zu riskiren, da Sie jetzo Wegweiser haben. Lassen Sie Treppendorf rechter Hand liegen, worin etwas Dragoner von Zastrow liegen. Eine halbe Meile am Gebirge linker Hand sind etliche Fußjäger auf Vorposten. Sie können hinten durch den Garten, gerade in des Königs Quartier, wo eine Brücke geschlagen ist, eindringen. Bei sich hat der König, rechter Hand im Eingange des Hauses, nur dreizehn Mann von seiner Garde zur Bedeckung. Warkotsch“. Diesen Brief las Kappel mit Entsetzen. Was zu thun, überlegte er mit seiner Frau, welche ihm rieth, denselben statt an Schmidt an den Pastor Gerlach zu übergeben. So geschah es auch. Letzterer copirte nun beide Briefe an Schmidt und Wallis. Die copirten sollten an Schmidt gebracht werden, den echten Kappel persönlich dem Könige übergeben. In der That ließ Kappel die copirten Briefe durch den Jägerburschen Johann Böhmelt an Schmidt abgeben, während er selbst auf dem Vorwerke Kasserei ein Pferd borgte und mit verhängten Zügeln nach Strehlen sprengte. Dort wollte er den Brief dem [86] Könige persönlich übergeben. Aber die Wache, ein Grenadier; versperrte ihm den Weg; der Officier, an den ihn derselbe wies, weigerte sich auch, ihn beim Könige zu melden und bedeutete ihn, sich an den General Krusemark zu wenden. Dieser lag noch im Bette. Kappel übergab ihm den Brief und begann zu berichten. Kaum aber war er damit zu Ende, so sprang Krusemark aus dem Bette, kleidete sich rasch an und eilte mit dem Briefe zum Könige. Später wurde Kappel vor denselben gebracht und berichtete dann mündlich, was er wußte. Friedrich II. ertheilte sofort Befehl, Warkotsch zu verhaften, und ordnete einen Hauptmann Rabenau mit hundert Dragonern zur Arretirung ab. Warkotsch wurde festgenommen, sein Haus umzingelt. Aber er behielt seine Geistesgegenwart, verstand es, Rabenau sicher zu machen und ihm jedes Mißtrauen zu benehmen. So gelangte er in seinen Stall, wo ein trefflicher Engländer für alle Fälle gesattelt stand, und jagte durch den Schloßhof den österreichischen Vorposten zu. Als Warkotsch noch immer nicht kam, sah Rabenau nach und entdeckte, daß ihm der Vogel entflohen. Ein nachgesendetes Commando kehrte unverrichteter Dinge zurück. Rabenau wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und mit Arrest und Verweis bestraft, mußte dann noch lange auf Beförderung warten und nahm als Major seinen Abschied. Er starb auf seinem Gute Tschertschendorf bei Grünberg. Nicht glücklicher ging es mit der Verhaftung des Curaten Schmidt. Man nahm ihn bei einem Herrn von Nimptsch in Empfang, wo er eben zu Gaste war. Ein Zastrow’scher Dragoner verhaftete ihn, aber Schmidt entfloh durch einen seiner priesterlichen Würde sehr unangemessenen Ort, dessen Besuch ihm der Dragoner gestattet. Der statt seiner verhaftete Nimptsch wurde auf Grund der Aussage Kappel’s freigelassen. Warkotsch hatte noch die Frechheit, in der Nacht nach seiner Flucht, unter Escorte von 300 österreichischen Huszaren nach Schönbrunn zurückzukehren, um Geld zu holen. Seine Gemalin, eine geborene Freiin von Hösser zu Löwenstein, die als eine treffliche Dame geschildert wird, und welche nichts weniger als glücklich an Seite ihres ausschweifenden Gatten lebte, war durch Rabenau ins preußische Hauptquartier abgeführt worden. Warkotsch, der also in sein Schloß zurückgekehrt, nahm aus seinem Schreibspinde 30.000 Thaler, dann Juwelen und verließ das Schloß, um nie wiederzukehren. Das Glück war ihm auch da günstig. Man hatte seine Rückkehr vermuthet und so lag, um ihn zu fangen, ein starkes preußisches Detachement im Hinterhalt. Der Commandant dieser Truppe, Lieutenant Brausen, hatte Befehl, bis Mitternacht zu bleiben, dann aber, wenn Warkotsch nicht gekommen, abzurücken. Brausen blieb bis Zwölf, und der Erwartete kam erst um ein Uhr und entging so glücklich seinen Häschern. In Breslau wurde nun der Proceß gegen Warkotsch angestrengt und am 22. März 1762 das Urtheil gegen ihn und Schmidt in contumaciam veröffentlicht. Es lautete: „daß Heinrich Gottlob, ehemals Freiherr von Warkotsch, und Franz Schmidt durch die wider ihren Souverän geschmiedete Unternehmung, Ersterer seines Adels verlustig, Beide rechts- und ehrlos werden und ihr gesammtes Vermögen, bewegliches und unbewegliches, mit Vorbehalt deren der Eheconsortin des ersteren Verbrechers [87] und einer jeden davon zustehenden erweislichen Anforderung, dem Fisco als verwirktes Gut zu verabfolgen – demnächst Ersterer lebendig zu viertheilen, der Zweite zuvörderst zu enthaupten und sodann der Körper in vier Theile zu theilen, auch bis zu Erfolg ihrer Habhaftwerdung das Urtheil in effígie zu vollziehen und dabei des ersteren Verbrechers Wappen durch den Scharfrichter zu cassiren und zu zerbrechen“. Der König unterschrieb das Todesurtheil, fügte aber auf dem Rande des Erkenntnisses hinzu: „Soll also geschehen; die Porträts werden wohl so wenig taugen als die Originals“. Diese Strafen wurden „im Bild“ an den Verbrechern auf dem Salzringe in Breslau vollstreckt. Warkotsch war nun wohl der Strafe entronnen, lebte jedoch verachtet und von Jedermann gemieden, mit dem Fluche der That belastet, in der Nähe von Pesth, später in Raab. Die Kaiserin Maria Theresia bezeigte ihm ihre Verachtung und ließ ihm sagen: „er möge sich fortpacken“. Doch erhielt er ein Sündengehalt von 800 Gulden. Wallis’ Person selbst ist nie bekannt und festgestellt worden; die gräfliche Familie Wallis machte öffentlich bekannt, daß der Verschworene Wallis nicht zu ihrer Verwandtschaft gehöre. Warkotsch selbst freilich bereute bald schwer die That, wie aus einem Briefe an seine Frau erhellt, welcher lautet: „Mein Kind! Der verfluchte Gedanke, den ich gegen den König gefaßt, hat mich in das Elend gestürzt. Und wenn ich den höchsten Berg bestiege, kann ich solches nicht übersehen. Lebe wohl, ich befinde mich an der äußersten Grenze der Türkei. Warkotsch“. Die Baronin (gest. 1789), welche schon nach dem ersten Verhöre in Freiheit gesetzt wurde, machte eine Art von Bußzwang durch. Ihr Vermögen testirte sie ihren Angehörigen und Domestiken. Für ihren Mann ließ sie dreißig Seelenmessen lesen. Kappel erhielt die Hegemeisterstelle zu Oranienburg, und 1779 ließ der König ihm ein neues Haus erbauen, sah ihn aber sehr selten. Der Jäger Böhmelt wurde Unterförster bei Bromberg. Prediger Gerlach kam auf die Pfarrstelle zu Brieg. Der Curat Schmidt ist vollständig verschollen. Das aus der Warkotsch’schen Gesammtmasse stammende Vermögen ließ der König den Breslauer Schulen und Stiftungen überweisen.

Archenholtz (J. W. v). Geschichte des siebenjährigen Krieges, in Deutschland (Leipzig o. J., Reclam, 12°.) Bd. II, S. 150. – Die Gartenlaube. Verlag von Ernst Keil in Leipzig. Redacteur F. Stolle und A. Diezmann (gr. 4°.) 1862, Nr. 50, S. 798 und Nr. 51, S. 808: „Der Verrath des Barons Warkotsch gegen Friedrich den Großen“. Nach den Acten des Breslauer Oberamtes, datirt Breslau den 22. März 1762. Von Georg Hiltl [ist eine actenmäßige Darstellung des ganzen Vorganges]. – Allgemeine Familien-Zeitung (Schönlein in Stuttgart, Fol.) 1873, Nr. 7, S. 102–107: „Em Verräther. Historische Episode“. Von L. Schubar. – Illustrirte Chronik der Zeit (Stuttgart, Schönlein, gr. 4°.) 1879, Heft 17, S. 331 u. f.: „Ein Verrath gegen Friedrich den Großen. Historische Episode“. Von Wilhelm Girschner.