BLKÖ:Wallnöfer, Jacob

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 53 (1886), ab Seite: 2. (Quelle)
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Wallnöfer, Jacob (Tiroler Landesvertheidiger, geb. zu Sterzing in Tirol 1781, gest. im Spital zu Meran Anfangs Jänner 1863). Seine Eltern, schlichte Landleute, bestimmten ihn für das Schneiderhandwerk, aber Jaggl, wie sie ihn daheim nannten, protestirte dagegen und wollte Kammmacher werden; er kam daher auch am 12. October 1793 in Meran zu einem Kammmachermeister in die Lehre. Hier blieb er dann, bis er zum ersten Male 1796 mit den Schützen auszog, als diese gegen Napoleon, der nach der Einnahme Mailands und siegreichen Gefechten bei Mori und San Marco gegen Tirol vordrängte, ins Feld rückten. In der ersten Zeit zeigte sich der 15jährige Junge im Kundschafter- und Botendienste trefflich verwendbar. Ungemein zuverlässig, ein scharfer Beobachter, wurde er von dem einen zum andern der Tiroleranführer geschickt und machte seine Sachen immer gut; focht aber auch trotz seiner Jugend in den meisten Gefechten mit. So war er in späteren Jahren, da ihm das Gedächtniß treu geblieben, eine lebendige Chronik, und die unten angeführten Aufzeichnungen nach Mittheilungen aus seinem Munde enthalten über die damaligen Zustände sehr interessante Einzelheiten, ja Enthüllungen, welche ein ganz eigenthümliches Streiflicht auf Verhältnisse und Personen werfen. 1809 trat Wallnöfer wieder bei den Landesschützen ein und entwickelte eine höchst verdienstvolle Thätigkeit, er kämpfte unter Hauptmann Auckenthaler. Auch stritt er in den blutigen Gefechten am 25. und 29. Mai; dann war er der Erste, der die Entdeckung machte, wie nach Abschluß des auf 24 Stunden festgesetzten Waffenstillstandes die Bayern bei Nacht und Nebel über Hall und Kufstein den Rückzug angetreten hatten. Vom zweiten Auszuge, Ende Juli desselben Jahres, erzählte er als Augenzeuge Geschichten, die an die Heldenthaten der alten Griechen und Römer erinnerten. Speckbacher hatte bei Mittewald Verhaue angebracht. Ein achtzigjähriger Greis nahm daselbst meist die feindlichen Officiere aufs Korn und fehlte nur selten. Zuletzt wurde er auf dem Felsen, auf dem er stand, umgangen und von vorn und hinten angegriffen. Da warf er den Stutzen weg, packte einen der feindlichen Soldaten mit [3] den Armen und stürzte sich mit dem Ausrufe: „Juchhe in Gottes Namen!“ in den Abgrund. Zurückgedrängt von der Uebermacht der Feinde mußten die Tiroler endlich ihre Verhaue räumen und zogen sich auf die Felsen zurück, an deren steilen Wänden die Straße hinzieht. Ueber dieser strömt im tiefen Abgrunde die Eisack, über welche die Laditschbrücke führt. Hohe schwarze Lärchenbäume waren oben gefällt, fest mit Wieden an einander gebunden, mit Erde, Gesträuch und schweren Steinen angefüllt, und durch Seile in noch stehende Lärchen befestigt, schwebten sie wie eine Wetterwolke über der Straße. Dies Alles hatte in schneller Eile Haspinger ausgesonnen und mit tausend Händen ins Werk gesetzt. Bald zog der Vortrab der französischen Colonne, welche an 7000 Mann zählte, die Straße daher. Von der Höhe herab vernahm man deutlich die Worte: „Stöffel, soll ich abhack’n?“ – „Noch nicht!“ hörte man erwidern. Die Truppen machten Halt und lauschten. Dem General Ronger aber, welcher noch zurück ist, werden die bedeutungsvollen Worte rapportirt. Er findet nichts Bedenkliches an denselben und läßt weiter marschiren. Jetzt ist der ganze Vortrab theils vorüber, theils mit der Hauptmasse unter der drohenden Wolkendecke. „Hiesel, hau ab!“ ertönte auf einmal eine furchtbare Stimme, und eine Axt klingt, zugleich der Ruf: „Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit!“ Im Nu rollt erst mit dumpfem Donner, dann laut krachend die ganze Masse von Baumstämmen, Erde und Steinen hinab, alle Klippen und Vorsprünge an der Felsenwand mit sich fortreißend. Ein Schrei dringt durch den Donner hindurch – dann eine gräßliche Todtenstille. Hunderte waren zerschmettert, andere Hunderte über die schmale Landstraße in die Abgründe der Eisack hinuntergeschleudert. Die Vordersten, welche entkommen waren, wehklagten unten, die Tiroler jubelten oben, und wie eine Weihrauchwolke über dem Todtenopfer erhob sich der Staub in die Höhe. Ueber 1200 Feinde hatten theils bei dieser entsetzlichen Verschüttung, theils im Kampfe zuvor das Leben verloren. 53 Officiere waren gefallen. Alle und noch andere heroische Vorfälle berichtet Wallnöfer als Augenzeuge. Tirol war nun bayrisch. Was zu Oesterreich und zum Kaiser hielt, ward von den Bayern drangsalirt und chicanirt, und Wallnöfer, der entschiedene Patriot, hatte schlimme Tage. Aber dies hinderte ihn nicht, im Verein mit einem Knechte des Schermser Gemeinde-Anwalts, der, obgleich ein Tiroler, alle anders Gesinnten an die bayrischen Beamten verrieth, die Bedrohten rechtzeitig zu warnen; denn die bayrischen Beamten handhabten mit eiserner Hand das Regiment und Haft, Leibes- und Geldstrafen, die Soldatenjacke waren an der Tagesordnung. Doch das Treiben Jaggls, durch welches mancher treue Tiroler der Vergewaltigung der bayrischen Beamten entging, erweckte Verdacht – Spione gab es damals in allen Ecken – und so wurde denn endlich auch Wallnöfer eines schönen Tages fest genommen und dann mit noch einigen Andern, die gleich ihm des Hochverrathes beschuldigt worden, unter starker Escorte nach Innsbruck geschleppt. Aber nach mehrtägiger Haft vor die Richter gestellt, täuschte er durch feine Schlauheit, indem er sich ein bischen einfältig stellte und die verfänglichsten Fragen theils ganz ablehnte, theils lächerlich komisch beantwortete, seine Richter so vollkommen, daß sie ihn endlich frei ließen, freilich ihm schwere Strafe androhend, wenn er erwischt würde. [4] Jaggl höhnte die Gestrengen noch zu guter Letzt damit, daß er für das unverschuldet erlittene Herumzerren Schmerzensgeld verlangte. Nach mannigfachen Abenteuern endlich kehrte er heim und lebte die langen Jahre hindurch als Kammmacher in Dürftigkeit, bis er, 82 Jahre alt, im Spital zu Meran für immer die Augen schloß. Seine unten verzeichneten Denkwürdigkeiten, welche das Merkmal voller Glaubwürdigkeit an sich tragen, verdienen gelesen zu werden.

Beilage zum „Südtiroler Volksblatt“ 1863, Nr. 13, 15, 17, 19, 21, 23, 25, 27, 29, 31: „Jacob Wallnöfer“. – Dieselbe 1862, Beilage Nr. 17 und 19: „Ein Stück Complot im Jahre 1817“ [Wallnöfer spielt in dieser Geschichte die Hauptrolle].