BLKÖ:Württemberg, Wilhelm Nicolaus Herzog

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
fertig
Nächster>>>
Würzburg, Zerline
Band: 58 (1889), ab Seite: 254. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Wilhelm von Württemberg in der Wikipedia
Herzog Wilhelm zu Württemberg in Wikidata
GND-Eintrag: 117375845, SeeAlso
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Württemberg, Wilhelm Nicolaus Herzog|58|254|}}

Württemberg, Wilhelm Nicolaus Herzog (k. k. Feldzeugmeister, Ritter des Maria Theresien-Ordens, geb. 20. Juli 1828). Ein Sohn des am 16. September 1857 verstorbenen Herzogs Friedrich Eugen aus dessen zweiter Ehe mit Helene geborenen Prinzessin Hohenlohe-Langenburg (gest. 5. September 1880). Der Vater war russischer General und hatte bei Lützen und Bautzen seine Ruhmestage. Der Sohn studirte in Breslau und Genf, zeigte aber von frühauf Neigung zum Waffendienste. Doch mit dem Wunsche des Sohnes, Soldat zu werden, war der Herzog nichts weniger als einverstanden, und als er endlich nun dem beständigen Drängen des Prinzen nachgab, meinte er: „Wenn Du schon um jeden Preis Soldat werden willst, so geh’ nach Oesterreich, dort bist Du General, während Du in Preußen noch etatsmäßiger Hauptmann wärest.“ So trat denn Prinz Wilhelm frühzeitig in die kaiserliche Armee und diente ohne Unterbrechung in den Infanterie-Regimentern Kaiser Nr. 1, Erzherzog Siegmund Nr. 45, Baron Reischach Nr. 21. Im Feldzuge 1849 Hauptmann, betheiligte er sich an der Erstürmung von Cava (20. März), von Casino St. Albino, an dem Treffen und der Einnahme [255] Mortara (21. März) und an der Erstürmung von Casino Castellazzo. In der Schlacht bei Novara am 23. März 1849 ward er bei Erstürmung einer Schanze durch einen Schuß aus nächster Nähe am Schienbein des linken Fußes sehr schwer verwundet. Lange Leiden waren die Folgen dieser Verletzung, und die Aerzte riethen zur Amputation, allein der Prinz, welcher nicht dienstuntüchtig werden wollte, verweigerte entschieden seine Einwilligung. Und seine Hoffnung sollte nicht getäuscht werden: durch geschickte Behandlung in der Schroth’schen Heilanstalt war er am 29. März 1850 wieder völlig geheilt, nur eine unbedeutende Verkürzung des verwundeten Fußes um einige Linien blieb zurück. Den Feldzug in Italien 1859 machte er als Oberstlieutenant und als Oberst mit und zeichnete sich rühmlichst aus. In der Schlacht bei Magenta am 4. Juni ergriff der heldenmüthige Prinz als Oberst des 27. Infanterie-Regimentes König der Belgier die Fahne des ersten Bataillons aus der Hand ihres schwergetroffenen Trägers und sprengte seinem Regimente voran – Fahne und Oberst schwebten im Handgemenge des Kampfes in höchster Gefahr, wurden aber von herbeieilenden Leuten des Regimentes, welche den Feind mit Kolbenschlägen und Bajonnetstößen bedienten, gerettet. Der Oberst beklagte tief an diesem Tage den Verlust von 400 Mann und drei Wochen später bei Solferino am 24. Juni den von 29 Officieren und 500 Mann seines Regimentes. Da er bereits 1848 mit dem Ritterkreuze des Leopold-Ordens ausgezeichnet worden, erhielt er nun den Orden der eisernen Krone zweiter Classe. Im Nachtragscapitel vom 21. Mai 1860 wurde ihm aber das Ritterkreuz des Maria Theresia-Ordens zuerkannt. Mit nicht geringerer Bravour kämpfte er 1864 in Schleswig-Holstein. Bei Oeversee am 7. Februar dieses Jahres hielt er trotz zwei abgeschossener Zehen standhaft im Feuer aus. „Seine Officiere und Leute, die ihn anbeten“, so schreibt ein Augenzeuge, „kämpften wie die Bären.“ Sein Regiment focht so kampfbegeistert, daß die Leute, welche beordert wurden, die Verwundeten aus dem Gefechte auf den Verbandplatz zu bringen, mit Gewalt gezwungen werden mußten, die Kampflinie zu verlassen; so waren sie von der Kaltblütigkeit und dem Heldenmuthe ihres Führers hingerissen. Auf dem Verbandplatze jammerte der Herzog nicht über seine schmerzhaften Wunden, sondern um seine Officiere und Leute. Von den zehn Compagnien, die im Gefechte, von 34 Officieren befehligt, gestanden, hatte das Regiment 14 todte und 15 verwundete Officiere und den Verlust von mehr als der Hälfte der Mannschaft zu beklagen. Für sein heldenmüthiges Verhalten bei Oeversee erhielt der Herzog das Comthurkreuz des Leopold-Ordens. Auch sah er sich an dem der Schlacht folgenden Tage, 8. Februar, zum Generalmajor befördert. Als solcher befehligte er Brigaden zu Gratz, in der Folge zu Triest, rückte darauf zum Feldmarschall-Lieutenant, dann zum Feldzeugmeister vor und wurde Truppendivisions- und Militär-Commandant in Triest. Als aber Feldzeugmeister Philippovic den Befehl über die Occupationstruppen in der Hercegovina niederlegte, ward Herzog Wilhelm an dessen Stelle gesetzt. In der Folge zum commandirenden General von Galizien und der Bukowina mit dem Sitz des General-Commandos in Lemberg ernannt, befindet er sich noch auf diesem Posten. An Auszeichnungen erhielt er das Großkreuz des Leopold-Ordens mit [256] der Kriegsdecoration des Commandeurkreuzes und den Orden der eisernen Krone 1. Classe mit Kriegsdecoration. Auch war er schon 1865 zum Inhaber des Infanterie-Regimentes Nr. 73 (vormals Mensdorff-Pouilly) ernannt worden. Obwohl Herzog Wilhelm verhältnißmäßig schnell die Rangstufen zum Feldzeugmeister zurücklegte und die höchsten Auszeichnungen des Staates, – freilich jede für ruhmvolle Thaten im Felde – erkämpft hatte, blieb er, was er von allem Anbeginn gewesen, der Freund und schlichte Waffengenosse seiner Officiere, der Vater seines Regimentes, das zu ihm wie zu einem Heros, der er auch war, aufsah. Wie er in den Regimentern, in denen er diente, durch seine mit Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit gepaarte Genialität der Liebling der Officiere war, so eroberte ihm auch sein ganzes Auftreten in der Gesellschaft alle Herzen. Das kameradschaftlich freundschaftliche Verhältniß, welches zwischen ihm und dem ihm unterstehenden Officierscorps herrschte, diente den anderen Officierscorps geradezu zum Muster. Der Herzog gehörte keinem Casino, keinem adeligen Club, keiner Clique an, er lebte nur seinen Officieren und seinem Regimente, war aber auch in adeligen und bürgerlichen Salons eine gern gesehene Erscheinung, ein Freund der schönen Künste und ein ebenso geistvoller als angenehmer Gesellschafter. Das scharf geschnittene Profil, das kühne Auge, das männlich freie und als er schon Stabsofficier war, jugendliche, seltsamer Weise von grauen Haaren eingerahmte Gesicht – die Folge einer am Kopf erhaltenen Wunde und der ausgestandenen Strapazen – machten einen Eindruck, der Allen, die ihn empfingen, im Gedächtnisse blieb. Er war ein Liebling der Wiener und wurde später, als er in Schleswig mit gleichem Heldenmuth kämpfte, wie vordem in Italien, überall, wohin er kam, ein Liebling der Bevölkerung. Als er dann zu Triest befehligte, bezwang er auch die dortige dem Soldaten gegenüber sich kühl verhaltende, überhaupt abgeschlossene Gesellschaft und gewann auch dort bald die Bewunderung der kaufmännischen und finanziellen Kreise. Der Held hat an allen Feldzügen, welche die österreichische Armee innerhalb vier Jahrzehnte durchzufechten hatte, in ruhmvoller Weise theilgenommen. Mit den Tugenden des wahrhaft hochherzigen Menschen verbindet er die schätzenswerthesten militärischen Eigenschaften. Es heißt von ihm, daß er keinen unversehrten Knochen am Leibe habe, und dies ist beinahe buchstäblich wahr: denn außer seinen in Gefechten und Schlachten empfangenen Wunden und anderen schweren Verletzungen trug er in Italien durch das Ueberschlagen einer Sediola – des bekannten italienischen zweiräderigen Fuhrwerkes – so schwere Beinbrüche und Beschädigungen davon, daß man lange Zeit für sein Leben besorgt war. Aber in diesem sozusagen gebrochenen Körper schlägt ein ungebrochenes Heldenherz, strebt eine energische Seele, die allen Gefahren und Mühseligkeiten trotzt. Dabei ist diese Seele von der edelsten Begeisterung für den militärischen Beruf, dem der Herzog mit ganzer Hingabe sich widmet, erfüllt. Um die Schlachtfelder des nordamericanischen Secessionskrieges an Ort und Stelle zu besichtigen und dabei die Strategie der amerikanischen Feldherren zu studiren, unternahm der Herzog eigens eine Reise nach Nordamerika. Im bosnischen Feldzuge, in welchem er sich neue Lorbern pflückte, erwarb er sich wieder, wie noch immer, die Bewunderung und [257] Hingebung der ihm unterstehenden Truppen in seltenem Grade. Auch die Bevölkerung gewann zu ihm Zutrauen, und die Berichte, die zu jener Zeit ein paar Parteiblätter brachten, standen mit den bestehenden Verhältnissen geradezu im Widerspruche. Der Krieg – vielleicht ein Weltkrieg – steht in Sicht, und Aller Blicke sind dabei auf den Helden von Custozza und auf den Herzog Wilhelm gerichtet, unter deren Befehlen unsere erprobte Armee wohl den Friedensstörer, der auf unberechtigten Länderzuwachs lauert, in seine Schranken zurückweisen wird.

Des Herzogs Wilhelm letzter Bogenstrich. Eine Episode aus seiner Jugend. Es wurde Musik gemacht, und der Herzog horchte den Tönen einer Violine, die ein junger Genieofficier mit großer Fertigkeit spielte. Als das Tonstück zu Ende war, begann der Herzog im Kreise der Waffenkameraden, die den Salon ausfüllten: „Das Violinspiel hatte für mich von jeher eine besondere Anziehungskraft, denn wissen Sie – und hiebei spielte ein eigenthümlich schalkhaftes Lächeln über seine feinen Züge – ich war auch einmal ein eifriger Violinspieler, ja gewiß! Und wenn auch diese Zeit schon sehr ferne liegt, so erinnere ich mich noch mit großem Vergnügen an diese sonnigen Tage meiner Jugend. Doch will ich Ihnen auch verrathen, wie meine Künstlerlaufbahn einen ganz unerwartet raschen, ja beinahe tragischen Abschluß nahm. An Ausdauer und an redlichem Willen fehlte es mir bei meinen musicalischen Studien nicht; leider aber war mir das Wichtigste dazu versagt. Mein Ohr besaß nicht die nothwendige Feinfühligkeit. Sie können sich daher die Verzweiflung eines kunstbegeisterten Meisters ausmalen, welcher hier einem unüberwindlichen Hindernisse gegenüberstand. Mein Wunsch, bei der Semester-Schlußproduction der Anstalt, deren Zögling ich war, mitzuwirken, stieß daher auf bedeutenden Widerstand; aber mein unermüdlicher Eifer und meine kindliche Ueberredungskunst siegten endlich, und ich wurde – Orchestermitglied. Der Tag der Aufführung kam heran. Das einstudirte Instrumentalwerk sollte den Schluß des Concertes bilden. Schon hatte sich die Bühne mit den Kunstjüngern gefüllt, die Instrumente waren gestimmt, der Dirigent stand bereits vor seinem Pulte, als man mir im letzten Augenblick meine ungeduldig erwartete Geige in die Hand drückte. Ich hatte eben noch so viel Zeit, um an meinen Platz zu gelangen, als das Zeichen zum Anfang gegeben wurde. Alle Bogen setzen sich in Bewegung! Auch ich hole aus – ich spiele – ich spiele? – aber ich höre nichts! Ich versuche wieder, aber kein Ton ist dem verwünschten Instrumente abzuringen. Da gewahre ich mit Entsetzen das Geschehene! Denken Sie sich – man hatte mir den Bogen mit Seife eingeschmiert! Ich war wüthend. Zorn und Scham kämpften in mir; doch die Klugheit gebot, den Grund meiner Aufregung zu verbergen. So strich ich denn hin und her und her und hin – wie es der Rhythmus des Stückes erforderte, aber wie zuvor vergeblich, der schlummernde Ton war nicht wieder zu erwecken. Die musicalische Cur, welche man mir auferlegt hatte, war eben so teuflisch als sicher! Ein fester Entschluß reifte in mir: Nie mehr sollte meine Hand eine Violine berühren! Bei dem letzten aufjauchzenden Accorde des Tonwerkes that auch ich noch einen gewaltigen Zug – wie leises Wimmern schien es aus der Geige zu klingen – es war ein wehmüthiger Abschiedsgruß, mein letzter Bogenstrich.“
Quellen. Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1864, Nr. 44: „Ueber den Sieg bei Oeversee“. – (Waldheim’s) Illustrirte Blätter (Wien, gr. 4°) 1864, S. 77: „Der Tag von Oeversee“. – Troppauer Zeitung, 1864, Nr. 35 im Feuilleton: „Details vom Kriegsschauplatze“. – Ueber Land und Meer (Stuttgart, Hallberger, Fol.) Bd. XI (1864), Nr. 23, S. 355: „Herzog Wilhelm von Württemberg“. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 5. März 1864, Nr. 1079: „Herzog Wilhelm von Württemberg“. – Allgemeine Zeitung (Augsburg, Cotta, gr. 4°.) 22. Jänner 1882, Nr. 22: „Der Aufstand in der Hercegovina“. Von H. R. – Thürheim (Andreas Graf). Gedenkblätter aus der Kriegsgeschichte der k. k. österreichisch-ungarischen Armee (Wien und Teschen 1880, Prochaska, gr. 8°.) Bd. I, S. 4, Jahr 1848; S. 175, Jahr 1859; S. 177, Jahr 1859; S. 178, Jahr 1860. – Die Heimat (Wiener illustr. Blatt, 4°.) 1880, S. 160: [258] „Der letzte Bogenstrich“. Von I. St. – Streffleur. Oesterreichische militär. Zeitschrift (Wien, Lex. 8°.) VI. Jahrg. (1865), S. 366: „Herzog Wilhelm von Württemberg in der Schlacht bei Magenta 1859“.
Porträts. 1) Trefflicher Holzschnitt in der Leipziger „Illustr. Zeitung“ 1864, Nr. 1079, Seite 152. Nach einer Photographie. – 2) Holzschnitt aus E. H. (allberger’s) xyl. Anst. Nach einer Photographie gezeichnet. Von E. Hartmann in „Ueber Land und Meer“ Bd. XI, 1864, Nr. 23. – 3) Holzschnitt nach einer Zeichnung von F. W.(eiß) in der „Neuen illustrirten Zeitung“ (Wien, Zamarski) 18. August 1878, Nr. 47. – 4) Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners in „Ueber Land und Meer“ 1877/78, Nr. 51. – 5) Holzschnitt, nach einer Photographie und Zeichnung von C. Kolb in „Buch für Alle“ 1879, Nr. 8. – 6) Kriehuber (lithogr.) 1853. Gedruckt bei Rauh in Wien (Fol.).