Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Ujejski, Calixt
Band: 48 (1883), ab Seite: 269. (Quelle)
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Ujejski, Cornel (polnischer Poet, (geb. zu Boremniany im Czortkower Kreise Galiziens 4. Juni 1823). Ueber seinen Lebenslauf sind die Nachrichten sehr lückenhaft. Die Angabe, welche sich irgendwo findet, daß er anfangs der militärischen Laufbahn sich gewidmet habe, mag wohl auf einer Verwechslung mit einem Namensvetter beruhen, mit dem er nicht nur den Familien-, sondern auch den Taufnamen gemein hatte, denn in der That besuchte ein Cornel Ujejski (geb. zu Siedliszka in Galizien am 6. Juli 1809, also um volle 14 Jahre früher als unser Dichter) von 1820 bis 1828 die Wiener-Neustädter Militärakademie. Cornel trat, sechzehn Jahre alt, zuerst mit seinen lyrischen Dichtungen öffentlich auf. Im Jahre 1847 befand er sich in Paris, wo er Adam Mickiewicz kennen lernte und mit Julian Slowacki sich befreundete, der auf Cornels poetische Entwickelung nicht geringen Einfluß übte. Nun kehrte dieser nach Galizien zurück, widmete sich der Landwirthschaft und hielt sich bis zu seiner Verheiratung immer in der Umgegend von Lemberg auf. Seit dem Jahre 1858 lebte er auf dem Dorfe Zubrza, welches er von Seite des Lemberger Magistrates in Pacht hatte. Die Muße seiner landwirthschaftlichen Beschäftigung weihte er der Poesie. Diese brachte ihn auch einmal auf die Anklagebank. Es geschah dies wegen eines im Jahre 1862 gedruckten Gedichtes. In der schwungvollen, mit der ihm eigenen Begeisterung und Phantasie verfaßten Dichtung erzählt der Poet von einer Polin, um deren Hand sich ein russischer Oberst vergebens bewirbt. Nun fügt es sich, daß derselbe im Hause der Polin einen seiner Untergebenen, der einen politischen, daselbst verborgenen Flüchtling aufgreift, mit eigener Hand niederschlägt und hiedurch den Letzteren rettet. Diese That bestimmt die Polin, dem zuvor verschmähten Obersten die Hand zu reichen. Das Gedicht nun widmete Ujeski zwei russischen Officieren: dem Gardeofficier Patapow und dem Capitain Alexandrow. Ersterer ist derselbe Gardeofficier, welcher in Warschau bei einem Straßentumulte vor der Front seinen Degen zerbrach und dem General vor die Füße warf, wofür er kriegsrechtlich zum Tode verurtheilt und auch wirklich erschossen wurde. Alexandrow aber ist jener russische Capitain, welchem in Warschau die Leitung des Telegraphenamtes anvertraut war. Als in dieser Stadt 1862 große Menschenmassen sich zusammenrotteten, telegraphirte der Statthalter nach Petersburg, ob er streng einschreiten solle, die telegraphische Antwort lautete „mit aller Strenge“. Alexandrow, welcher die Depesche empfing, änderte dieselbe in der Ausfertigung an den Statthalter in die Worte um: „mit aller Milde“. Als dies entdeckt wurde, stellte man Alexandrow vor ein Kriegsgericht, welches ihn wegen „Verrathes im Dienste“ zu zwanzigjähriger Festungsstrafe verurtheilte. Diese beiden Officiere feierte nun Ujejski in seinem Widmungsgedichte als „große Männer und Helden“. Und dieserhalb erschien er in Lemberg vor dem Gerichtshofe. Er selbst vertheidigte sich energisch, und auch sein Vertheidiger Dr. Rodakowski [270] ließ es in seinem Plaidoyer an Versuchen, den Dichter als schuldlos hinzustellen, nicht fehlen. Aber dessenungeachtet wurde Ujejski des Vergehens der Anpreisung verbotener Handlungen nach §. 305 des österreichischen Strafgesetzes schuldig erkannt und gegen ihn die Strafe einwöchentlichen Arrestes, eventuell Geldstrafe von 40 fl. ausgesprochen. Je älter er wurde, um so mehr nahm seine Dichtung einen religiös-mystischen Charakter an, und diese Färbung haftet ihm auch an, wenn er sich irgendwo öffentlich zeigt, wobei sich bald die Gelegenheit zu reden, die er nie versäumt, darbietet. Als im Sommer die Lemberger Lehrerschaft das hundertjährige Geburtsjubiläum eines Unterrichtsrathes, der unter König Stanislaus Poniatowski gewirkt hatte, feierte, da sprach auch Ujejski seinen Trinkspruch, welcher folgendermaßen lautete: „Ich glaube an Polen, denn ich glaube an Gott; ich glaube an Gott, denn ich glaube an Polen. Gott und Polen sind nicht zwei verschiedene Glaubenslehren, sondern Eine Glaubenslehre. Ein Atheist, welcher gegen sein Vaterland Liebe zeigt, ist entweder ein seichter Mensch, ein unklarer Kopf, oder er heuchelt Patriotismus. Ein schlechter Pole kann auch kein aufrichtiger Verehrer Gottes sein und ist gewiß ein schlechter Mensch. Ich glaube an Polen, obwohl das heutige Geschlecht dessen nicht würdig, ich glaube daran, weil ich an die Verdienste unserer Ahnen, an die Tugend, Stärke und den Sieg unserer Nachkommen glaube“. Diese beiden Episoden kennzeichnen ebenso den Poeten wie den Menschen Ujejski, und ein weiteres bezeichnendes Merkmal ist noch seine Feindseligkeit gegen den Dichter Vincenz Pol [Bd. XXIII, S. 49][WS 1], welchem er trotz seiner nicht geringen Bedeutung als polnischer Poet doch lange nicht gleichkommt. Ursache und Ursprung dieser Gehässigkeit sind nicht bekannt; anfänglich waren beide Poeten mit einander befreundet, da griff mit einem Male Ujejski den Dichter des „Mohort“ in dem zu Lemberg erscheinenden „Dziennik literacki“, d. i. Literarisches Tageblatt, an und später in seinen zu Leipzig erschienenen „Briefen aus Lembergs Umgebung“. In diesem Buche bildet die größere Partie der Artikel: „O Januszu i o panu Wincentym Polu, d. i. Von Janusz und dem Herrn Vincenz Pol, worin er mit aller nur denkbaren Bitterkeit und Gehässigkeit gegen Pol völlig ungerechtfertigte Vorwürfe erhebt. Während des 1863er Aufstandes gehörte Ujejski zu den eifrigsten Förderern der Bewegung und entzog sich der Verantwortung und Verhaftung nur durch die Flucht nach der Schweiz und nach Frankreich. Seither Festredner und Festdichter bei allen nationalen Feierlichkeiten, mehrmals in den galizischen Landtag, 1876 auch in den Wiener Reichstag gewählt, schloß er sich daselbst nach der bekannten Rede Hausner’s gegen den Berliner Vertrag (November 1878) den sogenannten Secessionisten des polnischen Clubs an, veröffentlichte eine schwungvolle Erklärung zu Gunsten Hausner’s und legte bald danach sein Mandat nieder. Diese Episode scheint ihn aber wieder zu dichterischem Schaffen angespornt zu haben. Denn nach längerem Schweigen veröffentlichte er 1880 „Dramatische Bilder“, in denen er als treuer Anhänger jener poetisch-radicalen Richtung, welche den Aufstand von 1863 hervorrief, mit jugendlicher Frische gegen die realistische oder, wie er meint, materialistische Reaction protestirt, welche seit dem Scheitern des Aufstandes im polnischen [271] Volksleben eingetreten ist. Noch sei bemerkt, daß der Dichter bereits mehrere Male Italien besucht hat. Die Titel der von ihm bisher herausgegebenen Werke sind: „Pieśni Salomona, piesń z pieśni“, d. i. Die Lieder Salomons. Lied der Lieder (Posen 1846); – „Skargi Jeremiego“, d. i. Die Klagen des Jeremias (London 1847; Paris 1848; Leipzig 1862); – „Kwiaty bez woni“, d. i. Blumen ohne Duft (Lemberg 1848); – „Zwiędłe liście“, d. i. Welke Blätter (ebd. 1849); – „Maraton“, erschien in den Jahren 1847 und 1848 in den Heften der Ossoliński’schen Zeitschrift: „Biblioteka Ossolińska; – „Melodyje biblijne“, d. i. Biblische Melodien (Lemberg 1852); – „Poezye“, d. i. Dichtungen (Petersburg 1857); – „Rozbitki, prolog napisány dla sceny polskiej we Lwowie“, d. i. Trümmer, Prolog, geschrieben für die polnische Bühne in Lemberg (ebd. 1857); – „Artikuły dziennikarskie o scenie polskiéj we Lwowie“, d. i. Tages-(Zeitungs)-Artikel über das polnische Theater in Lemberg (ebd. 1858); – „Listy z pod Lwowa“, d. i. Briefe aus der Umgebung Lembergs (Leipzig 1861), diese Briefe standen zuerst in der Lemberger Zeitschrift „Dziennik literacki“, der darin enthaltenen unwürdigen Angriffe auf den Dichter Vincenz Pol wurde schon oben gedacht; – „Obrazy dramatyczne“, d. i. Dramatische Bilder (Lemberg 1880). Nach Einigen sollen seine in den gesammelten Dichtungen enthaltenen „Tłomaczenia Szopena“, d. i. Worte zu Liedern Chopin’s, auch im Sonderdrucke erschienen sein. Eine in der Brockhaus’schen „Biblioteka pisarzy polskich“ 1866 in Leipzig in zwei Bänden erschienene Auswahl seiner Gedichte hat der Autor selbst veranstaltet. Ujejski zählt zu den besseren polnischen Poeten der Gegenwart. Seine Muse ist durchwegs revolutionär und radical, wechselt aber nach der politischen Temperatur die Farbe. Anfangs sang er als Freund der ländlichen Bevölkerung, da es ja galt, diese für die Erhebung, die man vorbereitete, zu gewinnen. Und wenngleich selbst von Adel, gab er sich als einen Gegner desselben. Als die Erhebung mißlungen und jede Hoffnung auf eine neue vorderhand verschwunden war, schlug er den religiös-mystischen Ton an, Gott und Polen identificirend, Gott lasse zuletzt einen ehrlichen Polen nicht untergehen. Sein Schönstes bleiben immer die „Klagelieder des Jeremias“. Alles, was er später gedichtet, kommt diesen wirklich herrlichen und patriotischen Gedichten nicht nach. Trefflich sind auch seine „Worte zu Chopin’s Liedern“, und in der Auswahl seiner Gedichte gibt es namentlich unter den biblischen mehrere Meisterstücke, wie: „Samson“, „Hagar in der Wüste“, „Rebeka“, „Moses vor dem Tod“. Von seinen übrigen Gedichten heben wir hervor: „Marathon“, „Auf den Tod des Adam Mickiewicz“, „Fragmente einer unvollendeten Beichte“. Er wäre der einzige Interpret der wunderbaren Zeichnungen Arthur Grottger’s gewesen, und es ist nicht recht zu begreifen, wie seine Muse diesen Stoff sich hat entgehen lassen. Auch seine Gedichte „Po latach osmnastu“, d. i. Nach dem Achtundvierziger-Jahre, enthalten Prachtstücke. Einzelnes aus seinen Dichtungen, wie z. B. „Z dymem pożarów“, ist in den Volksmund übergegangen.

Bornmüller (Fr.). Biographisches Schriftsteller-Lexikon der Gegenwart. Die bekanntesten Zeitgenossen auf dem Gebiete der Nationalliteratur aller Völker mit Angabe ihrer Werke (Leipzig 1882, Verlag des bibliogr. Instituts, 8°.) [aus der Folge der Meyer’schen Fach-Lexika], [272] S. 734. – De Gubernatis (Angelo). Dizionario biografico degli scrittori contemporanei ornato di oltre 300 ritratti (Firenze 1879, Le Monnier, gr. 8°.) p. 1014. – Encyklopedyja powszechna, d. i. Allgemeine polnische Real-Encyklopädie (Warschau 1867, Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XXV, S. 952. – Nehring (Władysław). Kurs Literatury polskiéj, d i. Lehrcurs der polnischen Literatur (Posen 1866, J. C. Żupanski, gr. 8°.) S. 197 u. f. – Rycharski (Łucian Tomasz). Literatura polska w historyczno-krytycznym zarysie, d. i. Die polnische Literatur im historisch-kritischen Abrisse (Krakau 1868, Himmelblau, gr. 8°.) Bd. I, S. 75; Bd. II, S. 116, 126, 175, 205 und 206. – Strzecha, d. i. Die Hütte (Wien, 4°.) 1868, S. 191: „Kornel Ujejski“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XXIII, S. 40].