BLKÖ:Tuzer, Anton (Dismas)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 48 (1883), ab Seite: 167. (Quelle)
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Tuzer, Anton, später mit dem Klosternamen Dismas (Franciscanermönch und Schulmann, geb. in Unterinn, einem Pfarrdorfe auf dem Rittnerberge bei Bozen, am 28. October 1779, gest. zu Kaltern am 29. September 1856). Der Sohn eines Bauern, der längere Zeit aus Gefälligkeit die Stelle eines Lehrers zu Signat versah, zeigte er Lust zum Studium und wurde von seinem Firmpathen Ant. Lang, dem Beneficiat zu Unterinn, für das Gymnasium vorbereitet. Im September 1790 trat er in das Gymnasium zu Bozen ein. Da er sich durch großen Fleiß auszeichnete, bekam er Knaben zum Unterrichte, und einer derselben war der nachmals so berühmte P. Joachim Haspinger [Bd. VIII, S. 34 u. f.]. 16 Jahre alt, begann er das Studium der Philosophie, da er jedoch eine Hauslehrerstelle in der Stadt Bozen erhielt, so lag er demselben privatim ob. Aber die kriegerischen Wirren des Jahres 1795 vertrieben die Familie, in deren Haus er eingetreten war, nach Untervintl, und er folgte ihr dahin und blieb dort, bis die Flüchtigen nach Bozen zurückkehrten. Im Herbst 1796 begab er sich zur öffentlichen Fortsetzung seiner philosophischen Studien nach Innsbruck. Auch dieses Jahr war ein sehr bewegtes, und die Tiroler Studenten zogen gleichfalls ins Feld, aber Tuzer selbst war zu schwächlich, um mitkämpfen zu können. Im Sommer 1797 beschloß er die philosophischen Studien und nachdem er reiflich überlegt, Andere um Rath befragt hatte und endlich mit sich selbst einig geworden war, trat er am 5. März 1798 zu Innsbruck in den Franciscanerorden, seinen bisherigen Taufnamen Anton nunmehr mit dem Klosternamen Dismas vertauschend. Noch vor Vollendung des Probejahres wurde er für ein Lehramt in Hall bestimmt. Erst neunzehn Jahre alt und kaum von schwerer Krankheit genesen, begab er sich im Herbst 1798 dahin, um seinen Posten zu übernehmen, auf welchem er über ein volles halbes Jahrhundert bis 1849 thätig blieb. Indessen setzte er auch seine theologischen Studien fort und erlangte am 14. November 1802 in Brixen die [168] Priesterweihe. Nun versah er nicht nur das Lehramt, sondern fungirte auch als Krankenpater und Conventprediger und leistete daneben durch drei Jahre die monatliche seelsorgerliche Aushilfe in Telfes und die sonn- und festtägliche Frühmesse in Rum. Im Sommer 1806 erhielt er den Auftrag, an das Gymnasium in Bozen zu übersiedeln. Daselbst aber war seines Bleibens nicht lange, denn die bayrische Regierung, in den Besitz des Landes Tirol gelangt, hob mehrere Gymnasien, darunter auch jenes in Bozen, auf. Nun kam Tuzer von seinen Oberen die Weisung zu, sich als Lector der Theologie nach Schwaz zu begeben. Mit dem Vortrage der Kirchengeschichte bei den Ordensklerikern betraut, unternahm er es, die in dem vorgeschriebenen Lehrbuche von Matthias Dannenmayer [Bd. III, S. 160] enthaltenen Entstellungen zu berichtigen, die citirten Stellen in den Quellen selbst einzusehen und mit Benützung der bewährtesten Auctoren aus alter und neuer Zeit Ergänzungen zu verfassen. So entstand ein ziemlich ansehnliches Compendium der Kirchengeschichte in lateinischer Sprache, das auf mehrfaches Verlangen hätte gedruckt werden sollen. Während aber dasselbe einer prüfenden Durchsicht unterzogen wurde, brach 1809 die Erhebung in Tirol aus und die Veröffentlichung des Werkes unterblieb. Als der berühmte Schwazer Franciscaner P. Herculan Oberrauch [Bd. XX, S. 462] am 22. October 1808 starb, schrieb Tuzer dessen Nekrolog, den er an Feilmoser, Professor der Theologie in Innsbruck, schickte. Ein zweiter größerer Nekrolog, den er auf Verlangen des Appellationsrathes A. Di Pauli verfaßte, kam als Manuscript in verschiedene Hände und erschien jedesmal umgearbeitet in Waitzenegger’s „Gelehrten-Lexikon“, im „Nationalkalender“ für 1824 von Stapf und endlich als selbstständige Arbeit in zwei Auflagen von Theophilus Nelk (P. Adalbert Woibl). Das Jahr 1809 war für Tuzer und dessen Klosterbrüder eine Zeit schwerer Prüfungen, über welche sein Biograph P. Orgler ausführlich berichtet. Als dann nach der glorreichen Befreiung des Landes 1809 das in Bozen früher bestandene Gymnasium wieder hergerichtet wurde, erhielt er die Weisung, sich dahin zu begeben, um die Lehrstelle für Poesie zu übernehmen. Aber nun kamen wieder schwere Tage, als im Mai 1810 die Grenzbestimmung und Besitzergreifung Südtirols durch das Königreich Italien und gleich darauf die Aufhebung der Capuciner- und Franciscanerklöster erfolgte. Aber auch die nächsten Jahre waren für seinen Orden wie für ihn selbst eine Zeit vieler Drangsale, obgleich die Bewohner Bozens ihm und seinen Mitbrüdern schöne Beweise von Theilnahme und Mildthätigkeit gaben. Endlich, als am 10. October 1813 die ersten österreichischen Truppen in die Stadt eingerückt waren und die Schlacht bei Leipzig die letzten Besorgnisse verscheucht hatte, kamen bessere Tage. Am 18. Februar 1814 bezogen die Franciscaner wieder ihr Kloster in Bozen, aber Tuzer’s Gesundheit war in Folge der ausgestandenen Mühseligkeiten und Entbehrungen in den letzten Jahren so geschwächt, daß er endlich in eine schwere Krankheit verfiel, von welcher er erst nach mehrmonatlichem Siechthum wieder langsam genas. Als dann 1815 die neue österreichische Schulordnung – theils Fach-, theils Classenlehrersystem – ins Leben trat, übernahm er zu Bozen in den zwei Humanitätsclassen Rhetorik und Poesie, den Unterricht[169] in der Geschichte und Geographie und für das Gymnasium das Amt des Katecheten. Auch wurde er auf dem in dem letztgenannten Jahre abgehaltenen Provinzialcapitel als Guardian für das Kloster in Bozen bestimmt; und als im Frühjahr 1816 der Gymnasialpräfect erkrankte, übernahm er noch die Präfectur. Nachdem er dieselbe ein Jahr provisorisch versehen hatte, erfolgte im Mai 1817 seine definitive Ernennung zum Präfecten. Auf dem Ordenscapitel 1824 zum Provinzial gewählt, trat er nun ein Amt an, welches rücksichtlich der durch die stürmische Vergangenheit und durch die politischen Umwälzungen zerrütteten Verhältnisse des Ordens seine ganze Thätigkeit und Umsicht in Anspruch nahm. Aber er löste seine Aufgabe mit bestem Erfolge, und als die Regierung gegen das philosophische Hausstudium der Regularen Bedenken trug, war es die von ihm verfaßte Schutzschrift, welche dasselbe für den Orden rettete; jedoch mußten die jeweiligen Lectoren sich an der Universität mit Erfolg der Prüfung unterzogen haben. Diese Einrichtung bestand bis zum Jahre 1849. Während seines Provinzialates erhielt Tuzer auch von der Regierung den Auftrag, das Gymnasium Hall ganz mit Franciscanern zu besetzen und zugleich provisorisch die Präfectenstelle zu übernehmen. So verließ er nach 16jährigem Aufenthalte in Bozen diese Stadt, um nach Hall zu übersiedeln. 18 Jahre blieb er in letzterem Orte, wo er, wie anfänglich festgestellt, nur zwei Jahre bleiben sollte. In diese Zeit fällt auch die Herstellung eines Hospizes für die Franciscaner in Innsbruck, deren dortiges Kloster im Jahre 1783 aufgehoben worden war. Allmälig aber stellte sich das Bedürfniß eines eigenen Hauses für die Ordensmitglieder immer dringender heraus. Daß ein solches endlich genehmigt und bis zum September 1842 auch hergestellt ward, ist ausschließlich das Verdienst der rastlosen Bemühungen Tuzer’s nach dieser Richtung. Im Jahre 1833 wurde er von der Last des Provinzialates befreit, aber bei seiner Kenntniß der Ordensverhältnisse in allen wichtigen Fragen zu Rathe gezogen. 1838 übernahm er mit Beschluß des Ordenscapitels wieder die Präfectur in Bozen; dann zum vierten Male zum Provinzial gewählt, wirkte er in dieser Eigenschaft bis 1842, worauf er sich bis 1848 ausschließlich seinem Gymnasium widmen konnte. Nachdem er am 18. Jänner 1848 das Ordensjubiläum gefeiert hatte, führte er auch in diesem bewegten Jahre die Präfectur des Gymnasiums mit solcher Umsicht, daß das Schuljahr ohne Störung am gewöhnlichen Termin, Ende Juni, geschlossen wurde. Auch führte er das beschwerliche Amt noch bis Anfang Juni 1849 fort, aber die Durchführung der neuen Gymnasialreform war für den nunmehr 70jährigen Greis eine zu schwere Aufgabe. Ein Leiden, welches sich schon seit längerer Zeit fühlbar gemacht hatte, trat stärker auf und zwang ihn zur Niederlegung des Präfectenamtes, und er zog sich zur Herstellung seiner Gesundheit in das stille Kloster zu Kaltern zurück. Für seine vieljährige Thätigkeit im Schul- und Klosterwesen erhielt er von Seiner Majestät am 4. Jänner 1850 die große goldene Civil-Ehrenmedaille pro piis meritis, welche ihm auch in Anwesenheit Seiner kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs Rainer und der Söhne desselben zu Bozen in feierlichster Weise von dem k. k. Bezirkshauptmann an die Brust geheftet wurde. Am 10. August 1852 feierte Tuzer in Bozen seine Secundiz. [170] Als Schulmann hat er wenig seines Gleichen, und in einer Geschichte des Schulwesens in Tirol nimmt er eine ehrenvolle Stelle ein. Von seinen Schriften ist wenig im Druck erschienen, doch in seinem Nachlasse befanden sich: eine Geschichte des Gymnasiums in Hall, im Auftrage des Guberniums verfaßt; – dann eine „Historia provinciae tyrolensis ord. Franciscanorum per omnes 12 annos, quibus Dismas Tuzer fuit Provincialis“; – „Historicae et topographicae notitiae de conventibus et hospitiis Franciscanorum tyrolensium“; – „Necrologium provinciae, in quo vita virorum majoris celebritatis narratur“; – „Chronicon Provinciae tyrolensis ord. Franciscanorum ab anno 1765 usque ad 1836 inclusive“, im Auftrage des Ordensgenerals niedergeschrieben; – „Collectanea pro continuatione praedicti Chronici ab anno 1837 usque ad 1854“. In diesen Aufzeichnungen sind mit besonderer Sorgfalt alle Elementarereignisse und abnormen Witterungsverhältnisse notirt. Tuzer starb im Alter von 77 Jahren, von denen er 59 im Orden verlebte, in welchem er 3 Jahre Guardian, 6 Definitor, mehrere Jahre Custos, 12 Provinzial und 51 Jahre als Lector, Professor, Katechet und Präfect im Lehramte wirkte; als Schulmann im hohen Grade verdienstvoll, als Mensch verehrungswürdig, war er als Priester und Mönch eine Zierde seines Standes.

Orgler (Flavian P.). P. Dismas Tuzer Ord. S. Francisci, emeritirter, mit der großen; goldenen Civil-Verdienst-Medaille decorirter Gymnasialpräfect und Erprovinzial der nordtirolischen Ordensprovinz [Separatabdruck aus dem Gymnasial-Programm von Hall im Jahre 1881] (Innsbruck 1881, Wagner’sche Druckerei, gr. 8°.). – Bozener Zeitung, 4. October; 1856, Nr. 79: „Kaltern, 1. October“.