BLKÖ:Tappeiner, Andreas

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Tarczy, Ludwig
Band: 43 (1881), ab Seite: 66. (Quelle)
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Tappeiner, Andreas (Bürgermeister der Stadt Marburg, geb. ebenda 30. Nov. 1810, gest. ebenda 29. Februar 1868). Sein Vater Johann, aus Goldrain in Tirol gebürtig, war im Jahre 1801 nach Marburg gekommen und hatte daselbst eine Brauerei in Betrieb gesetzt. Andreas, welcher die Kreishauptschule seines Geburtsortes, dann das Gymnasium in St. Paul und in seiner Vaterstadt besuchte, entschied sich nach Beendigung der 6. Gymnasialclasse aus freier Wahl für die Lebkuchnerei, die er auch bei Meister Kohlmann [68] in Windischfeistritz erlernte. Nach dreijähriger Lehrzeit ging er nach Wien, als aber der Vater die Einhebung der Verzehrungssteuer gepachtet hatte, kehrte er, um demselben bei diesem Geschäfte behilflich zu sein, im Jahre 1831 nach Marburg zurück. Nachdem er in Geschäftsangelegenheiten Oesterreich nach verschiedenen Richtungen durchreist, übernahm er eine von dem Vater ihm käuflich erworbene Brauerei in Marburg, noch im nämlichen Jahre sich vermälend. 1841 gab Andreas, der mittlerweile seinen Vater durch den Tod verloren hatte, sein Geschäft auf und kaufte die Max Andre’sche Glasfabrik in St. Lorenzen nächst Marburg, wohin er denn auch übersiedelte. Da er diese Fabrik durch tüchtige Leitung bald in Schwung brachte, gewann er das Vertrauen seiner Gemeindegenossen, die ihn am 21. August 1850 zu ihrem Vorstande wählten. In verdienstlichster Weise verwaltete er sein Amt bis zum 17. Februar 1853. Er verstand es, die Last der Gemeindeerfordernisse, zu deren Bedeckung bei seinem Dienstantritte noch 40 Percent der directen Steuern hinzugeschlagen werden mußten, innerhalb seiner vierjährigen Verwaltung bis auf 15 Percente herabzumindern. Dabei wurden noch alte Forderungen beglichen, das durch den Umbau des Rathhauses stark in Anspruch genommene Gemeindevermögen mustergiltig arrangirt und überdies die arg verwahrloste Gemeindestraße völlig hergestellt, wozu er freilich auch aus Eigenem namhafte Geldopfer beigesteuert hatte. Auch war von ihm das Project zur Errichtung eines Armenhauses in St. Lorenzen ausgegangen. Im Jahre 1853 verkaufte er seine Glasfabrik in St. Lorenzen und übersiedelte zum Bedauern der von ihm ebenso uneigennützig als trefflich geleiteten Gemeinde nach seiner Vaterstadt Marburg. Bei der Neugestaltung der staatsrechtlichen Verhältnisse Oesterreichs, in Folge deren die Gemeinden jene Männer, denen sie die Leitung ihrer Angelegenheiten anvertrauen sollten, frei wählen durften, wurde Tappeiner von seiner Vaterstadt, in welcher er sich bald als der Mann des allgemeinen Vertrauens bewährte, am 26. Jänner 1861 in den steiermärkischen Landtag gewählt, und seine Berufung zum Landtagsabgeordneten am 28. Jänner 1867 wiederholt. Am 10. März 1861 erhoben ihn die Bürger Marburgs durch freie Wahl zu ihrem Bürgermeister, und so auch wieder am 3. August 1864 und bei Einführung des eigenen Gemeindestatutes am 19. Juli 1866. In dieser Stellung leistete er so Verdienstliches, daß seine Wirksamkeit späteren Gemeindevorständen dieser Stadt, ja überhaupt jedem Gemeindevorstande zum Vorbilde dienen kann. Im Jahre 1862 begann er die Canalisirung und Neupflasterung der Stadt, und gelangten diese Arbeiten bis 1867 in den frequentesten Theilen derselben zur Ausführung; die Eröffnung des Sophienplatzes folgte; neue Straßen wurden angelegt, alte regulirt und der Ankauf von Grundstücken führte zu nicht geringer Erweiterung der Stadt; die Beleuchtung durch Petroleumlampen ward eingeführt; in der Magdalenen-Vorstadt ein Gemeindebrunnen erschlossen; zur Herstellung eines die beiden Ufer der Drau von der Kärnthnervorstadt aus verbindenden Kettensteges mit Erfolg die nöthigen Verhandlungen eingeleitet. Unterricht und Erziehung erfreuten sich seiner besonderen Fürsorge. Für Schulerfordernisse, Lehrergehalte und Remunerationen verdienstlicher Leistungen der [69] Lehrer verwendete er beträchtliche Summen; auf der in Marburg bestehenden Handelsschule wurde ein Freiplatz gestiftet, der Turnunterricht durch eine dem Turnverein gewährte Unterstützung gefördert; an den Vorstadtschulen aus Gemeindemitteln die Zahl der Unterrichtsclassen vermehrt; für die Heranbildung der weiblichen Jugend eine fünfclassige Communal-Mädchenschule errichtet und zum Bau eines selbständigen Schulhauses ein Baugrund angekauft. Dabei wendete er der von dem Marburger Frauenverein ins Leben gerufenen Schule für verwaiste und arme Mädchen seine volle Theilnahme zu, unterstützte die Schüler des Marburger Staatsgymnasiums und plante die Gründung einer Oberreal- und Bürgerschule, für welche der Baugrund bereits käuflich erworben war. Zur Hebung der Geselligkeit führte er binnen Jahresfrist den Bau des Casinos durch, ohne das Gemeindevermögen auch nur um einen Kreuzer zu belasten. Im Vertrauen auf ihn acceptirten Marburgs Bewohner Antheilscheine im Betrage von 59.000 fl., welche im Wege der Amortisation allmälig eingelöst werden. Als er die Bürgermeisterwürde antrat, betrug das Capital des städtischen Armeninstitutes kaum 15.000 fl., unter seiner Verwaltung wuchs dasselbe so an, daß ein für die Zwecke der Stiftung disponibler Jahresbetrag von 3650 fl. erzielt wurde; dabei flossen jährlich nahezu 4000 fl. aus der Gemeindecasse zur Linderung des Nothstandes verarmter Bewohner Marburgs; auch mehrte sich trotz ungünstiger Zeitverhältnisse und drückender Steuerlast das Stiftungsvermögen des Bürgerspitals um fast 4000 fl. Das städtische Armenhaus lag, als er sein Amt antrat, im Argen: die Stadtgemeinde hatte auf geleistete Vorschüsse über 10.000 fl. zu fordern, es fehlte an Wäsche, Bettzeug, Mobilien, die Lieferanten der Victualien, Arzneien u. d. m. wiesen unbezahlte Forderungen vor. Er aber half allen Uebelständen ab. Durch strenge Gebarung und treffliche Oekonomie erstarkte der Krankenhausfond derart, daß der größte Theil der Forderung der Commune an dieselbe zurückgezahlt, die Mängel der Einrichtung behoben, die Rechnungen der Lieferanten beglichen und die currenten Jahresauslagen, obgleich sie der wachsenden Einwohnerzahl entsprechend von 13.000 auf 20.000 fl. gestiegen waren, vollkommen gedeckt wurden. Auch erstanden Zubauten zu den Wirthschaftsgebäuden. Der Friedhof der Magdalenen-Vorstadt wurde vergrößert; am 2. Jänner 1862 fand die Eröffnung der Sparcassa statt, die ausschließlich sein Werk war, und deren Vorstand er bis an sein Lebensende blieb. Der Gesammtbetrag seiner Gebarung belief sich bis ein Jahr vor seinem Tode auf mehr als eine Million Gulden, so daß bereits ein Reservefond von 42.000 fl. erzielt war. Gleich nach nach seinem Amtsantritte schritt er an die Neugestaltung des Verwaltungsorganismus der Commune und dann erwirkte er für Marburg dessen eigenes Gemeindestatut vom 13. März 1866, durch welches das Gemeindeamt die Autorität einer selbständigen politischen Behörde erhielt. Wir übergehen die stetige, wohl durch eminente Förderung des Gemeindewesens veranlaßte Zunahme der Bevölkerung, die während seiner Amtsführung stattfand, ferner das stets wachsende Einkommen der Stadt, das 1861 28.000 fl. betrug und 1868 auf 48.600 fl. sich belief, sowie viele andere zweckmäßige Einrichtungen, und gedenken [70] nur noch seines Wirkens in dem bedrängnißvollen Jahre 1866, in welchem die Heereszüge die auf dem Wege nach dem südlichen Kriegsschauplatze liegende Stadt berührten. Dieselbe hatte für Unterbringung von 190.680 Mann und 21.134 Pferde zu sorgen. Wie trefflich löste Tappeiner die in so unerwartetem Maße an ihn gestellte Anforderung; wie wurde für die zahlreichen Verwundeten – mehr als 2000 – welche man durch Marburg transportirte, trefflich gesorgt! Dies ist nur in flüchtigen Umrissen das Bild seiner segensvollen Thätigkeit. So war er denn nach oben und unten der Mann des vollen Vertrauens und der allgemeinen Achtung, und seine seltenen Verdienste wurden auch von Seite Seiner Majestät am 2. Jänner 1867 durch Verleihung des Franz Joseph-Ordens ehrenvollst gewürdigt. Ein Leiden, das ihn seit längerer Zeit quälte, suchte er durch den Gebrauch der Karlsbader Quellen im Frühling 1867 zu lindern. Es schien auch, als ob seine Gesundheit gefestet sei, aber bald stellte das Leiden sich noch stärker ein, so daß er am 24. December 1867 sein Bürgermeisteramt niederzulegen sich bemüssigt sah. Dazu gesellten sich noch erschütternde Ereignisse in seiner Familie, und so brach endlich der um das Wohl seiner Vaterstadt so hoch verdiente Mann zusammen. Er starb im Alter von erst 58 Jahren. Das feierliche Leichenbegängniß unter so großer in Marburg bis dahin noch nicht erlebter Betheiligung aller Schichten der Bevölkerung, sämmtlicher Vereine, der Beamten, der Geistlichkeit, des Militärs – selbst aus der Ferne waren Abgeordnete gekommen – gab Zeugniß von dem hohen Grade der Beliebtheit und Achtung, deren der Verblichene sich allseits erfreute. Da kam denn einmal – leider bei traurigem Anlasse – die Macht der „öffentlichen Meinung“ zur ungetrübten Geltung. Nach dem Ableben des Verblichenen beschloß der Gemeindeausschuß die Biographie desselben herauszugeben. Sie hat dieser Skizze als Grundlage gedient.

Andreas Tappeiner in seinem Leben und Wirken (Marburg 1868, Ed. Janschitz, gr. 8°., 20 S.). [Um den Verstorbenen zu ehren, veranstaltete die Gemeindevertretung die Herausgabe dieser Biographie.] – Telegraph (Gratzer Localblatt) 1868, Nr. 55, im Feuilleton: „Andreas Tappeiner“.
Porträt. Unterschrift: „Andreas Tappeiner, | Bürgermeister der Stadt Marburg und Landtags-Abgeordneter, | Ritter des Franz Joseph-Ordens (Lith. Anst. von Th. Schneider’s Witwe in Gratz, Lith. von Aug. Presuhn, Verlag von Friedr. Leyrer, 8°., auch 4°.).