BLKÖ:Strachwitz, Moriz Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stotz, Otto
Band: 39 (1879), ab Seite: 202. (Quelle)
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Strachwitz, Moriz Graf (Dichter, geb. zu Frankenstein in Schlesien, [203] nahe dem väterlichen Gute Petrowitz, am 13. März 1822, gest. zu Wien am 11. December[WS 1] 1847). Ein Sohn des Grafen Hans Strachwitz (geb. 14. April 1792, gest. 18. Februar 1863), Herrn auf Petrowitz, k. k. Kämmerers und Rittmeisters a. D., und Luisens geborenen von Schimonska (gest. 1835). Die erste Erziehung erhielt er im Elternhause. Die treffliche Mutter, welche dieselbe leitete, entriß der Tod dem erst dreizehnjährigen Knaben. Da der Vater, als Gutsbesitzer, Landrath und Landschaftsdirector vielbeschäftig!, nur selten die Zeit erübrigen konnte, sich nach dem lebhaften talentvollen Knaben umzusehen, und überdies im Hause, wie in so vielen hochadeligen Familien, die Maxime herrschte, die Kinder möglichst zeitig an Selbständigkeit zu gewöhnen, was sich früher oder später immer rächt, so blieb auch Moriz nach der Mutter Tode sich meist selbst überlassen. Es fehlte die gehörige Zucht, sowie an sorgfältiger Wahl der Lectüre, welch beides bei einem so lebhaften und feurigen Temperamente wie dem seinigen nur um so nöthiger gewesen wäre. Geschichte bildete seine Hauptlectüre, besonders die der Alten, was aus seinen Liedern ziemlich klar herausklingt. Dagegen war ihm Mathematik über Alles verhaßt. Frühzeitig handhabte er mit musterhafter Sicherheit die metrische Form, denn metrisch tadellos war das selbstverfaßte Gedicht „Arthurs Tafelrunde“, welches der erst neunjährige Knabe bei einem Feste vortrug. Seine Frühreife beweisen unwiderleglich die „Lieder eines Erwachenden“, welche er als Gymnasiast geschrieben und im Alter von zwanzig Jahren (Breslau 1842, Bern, 8°.) veröffentlichte, als er seine Studien in Breslau machte. 1843 begab er sich an die Berliner Hochschule, wo Hegel und Bruno Bauer an der Tagesordnung waren und sich bereits jener kritische, vornehm abfertigende Ton geltend zu machen begann, der später Nord und Süd in zwei sich fast feindlich gegenüberstehende Theile schied und noch heute nicht gewichen ist, denn in Berlin weiß man halt noch immer Alles besser als anderswo in der Welt. In Berlin vollendete der gräfliche Dichter die rechtswissenschaftlichen Studien und betrat alsdann die amtliche Laufbahn als Referendar bei dem Kreisgerichte zu Grottkau. Eine Reise nach Schweden und Norwegen soll er nach Einigen vor Antritt dieses Dienstes, nach Anderen erst später unternommen haben. Doch sei dem, wie ihm wolle; dem noch ganz von den Eindrücken der Nordlandsfahrt erfüllten jungen Grafen behagte die erwähnte Stellung bei dem Kreisgerichte nicht; er gab dieselbe auf und übersiedelte auf sein Gut Schebetau in Mähren, wo er ganz seiner Welt, die er sich in seinen Dichtungen aufgebaut, lebte, bis ihn die Wanderlust wieder ergriff, die ihn, wie vordem nach Norden, jetzt nach Süden trieb. Er kam nach Venedig, wo er sich mit dem Gedanken trug, in dieser „Stadt der Poeten“, wie er sie brieflich nannte, und die zudem eine Adelsstadt war, zu bleiben und zu dichten. Aber da erfaßte ihn Krankheit, und so trachtete er leidend heimwärts, konnte aber nur noch Wien erreichen, wo er von einer älteren Verwandten gepflegt, erst 25 Jahre alt, seine Augen schloß, gerade ein Jahr vor jener mit der Erhebung in den Märztagen von 1848 beginnenden neuen Epoche in der deutschen Geschichte, ja auf dem Continente überhaupt. Bei so kurzer Lebensdauer ist denn auch die dichtende Thätigkeit S.’s eine quantitativ nur geringe. Außer den schon genannten „Liedern eines Erwachenden“, von denen 1850 eine zweite [204] vermehrte und 1854 eine fünfte Auflage erschien, wurden noch veröffentlicht: „Neue Gedichte“ (Breslau 1848; 2. Aufl. 1854), „Gedichte“, Gesammtausgabe (ebd. 1850; 6. Ausgabe 1870, Trewendt). Von seinen ungedruckten Arbeiten sind nur die Fragmente einer Tragödie „Kodrus“ bekannt. Daß in seinem Nachlasse gewiß noch Anderes, und zwar nicht Unbedeutendes vorhanden gewesen, daran ist kaum zu zweifeln, wo es aber während der Sturmbewegung des Jahres 1848 hingekommen, weiß man nicht. Herausgeber dieses Lexikons hat aus dem Munde einer dem Verewigten nahegestandenen Person gehört, daß die letzten Wochen des Sterbenden ungemein schwere, mitunter erschütternde gewesen. Wie sich der Dichter ferner entwickelt hätte, ist kaum zu bestimmen. Aus seinen ersten Gedichten tönt noch ganz der freiheitliche Sänger, der alle Schranken niederreißt, heraus. Die Strophe: „Magst du, Zorn, mich immerhin verderben in dem Leuchten, in dem Lodern, besser in den Flammen sterben, als im faulen Schlamme modern“, charakterisirt seine damaligen Verse. Aber lange hielt diese fortschrittliche Stimmung bei ihm nicht vor, denn als in Preußen die Vorboten der Achtundvierziger-Bewegung gar deutlich ihre Noten sangen, da richtete er die schärfsten Pfeile gegen die neuen Freiheitsbestrebungen – man lese nur sein Gedicht „Der gordische Knoten“ oder sein prächtiges „Der Himmel ist blau, den grünen Pocal mit rinnendem Golde befeuchtet“. Wenn er gar die Ereignisse des Achtundvierziger-Jahres erlebt und die blutigen Verirrungen gesehen hätte, in welche der Kampf um Gewinnung des Geistesfrühlings ausgeartet, dann würde er wohl flammenden Zornes von den Freiheitsmördern sich abgewandt und ein tiefdüsteres Trauerlied auf den blutigrothen Niedergang des märzlichen Freiheitsmorgens gesungen haben. Ist es auch nicht viel, was er geschrieben, und ob dieses Wenige im Farbentone wechselt, das Gedicht „Germania“ sichert doch seinem Namen eine schöne Unsterblichkeit, es ist der Ausdruck der höchsten Begeisterung des Poeten von Gottesgnaden, und in seinen Romanzen und Historien sind Dichtungen enthalten, die ihm eine Stelle an der Seite Uhland’s, des Altmeisters der deutschen Ballade, anweisen. Daß er in seinem Unmuthe sich gegen Heine und dessen Schule gewendet, wird ihm von Allen, so auf denselben schwören, übel genug angerechnet; aber er hatte – und darin war er Vollblut-Aristokrat und mahnt mitunter an den „verabschiedeten Landsknecht“ – den Muth, die Wahrheit zu sagen und was ihm als schlecht, als nichtsnutzig erschien, einfach schlecht und nichtsnutzig zu nennen. Er war, als er starb, noch nicht abgeklärt, es war sein Geist in voller Gährung. Was wäre aus ihm geworden, welche Gaben hätte er uns geboten, wenn er zur Ruhe und Reife gekommen wäre! Nur Einer übertraf ihn unter Jenen, die kurz vor der Märzbewegung ihr Sturmlied sangen: Max Waldau, der um elf Tage jünger war als Strachwitz (dieser 13., Waldau 24. März 1822[WS 2] geboren) und aus dessen „Blättern im Winde“ eine gar herrliche Melodie zu rauschen begann; aber zu früh, freilich einige herrliche Spenden („Cordula“, „Rahab“, „Nach der Natur“) hinterlassend, verstummte auch dieser edle Sänger.

Kurz (Heinrich), Geschichte der neuesten deutschen Literatur von 1830 bis auf die Gegenwart. Mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller [der „Geschichte der deutschen Literatur“ 4. Band] (Leipzig 1872, V. G. Teubner, [205] schm. 4°.) S. 206. – Brümmer (Franz), Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten (Eichstätt und Stuttgart 1877, Krüll’sche Buchhandlung, schm. 4°.) Bd. II, S. 405. – Daheim (illustrirtes Blatt, Leipzig, Velhagen, 4°.), 1866, S. 115: „Aus dem deutschen Dichterwald. I. Lebensbilder zeitgenössischer Poeten. – II. Moritz Graf Strachwitz“. Von Dr. Wilh. Herbst.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: März.
  2. Vergleiche zu diesem Geburtsdatum Hauenschild, Georg von (ADB).