Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stefani
Band: 37 (1878), ab Seite: 302. (Quelle)
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Stefani, Johann (Tonsetzer, geb. zu Prag im Jahre 1746, gest. nach Sowiński schon im Jahre 1826, nach Melis erst im Jahre 1831; die polnische Encyklopädie gibt jedoch mit Bestimmtheit den 24. Februar 1829, die „Květy“ den 23. Februar d. J. als Todesdatum an). Seine erste Ausbildung erhielt er in der Schule bei den Benedictinern, in welcher er auch die Anfangsgründe in der Musik erlernte. Auf Wunsch seiner Eltern sollte er die priesterliche Laufbahn einschlagen, aber die Reformen, welche im Kirchenwesen unter Kaiser Joseph II. eintraten, veranlaßten S., diese Standeswahl aufzugeben und sich seiner Lieblingsneigung, der Musik, zuzuwenden, für die ihn überdieß ein nicht gewöhnliches Talent befähigte. Um sich nun in seiner Kunst auszubilden, begab sich S. nach Italien, wo eben damals das Musikleben in ungewöhnlicher Entwicklung begriffen war. Nach mehrjährigem Aufenthalte in Italien kehrte: er wieder in seine Heimat zurück. Daselbst lernte Graf Kinsky den talentvollen Musikus kennen und bot ihm eine Stelle in seinem Orchester an. Um diese Zeit aber erhielt er den Antrag, als Violinist in die kaiserliche Hofcapelle einzutreten. Nach den čechischen Quellen hätte nun S. diesen Antrag angenommen und auch häufig an den Hofconcerten des Kaisers Joseph II. mitgewirkt. Das scheint denn doch nicht ganz richtig zu sein. Denn Ludwig von Köchel’s auf Quellenforschung beruhende Schrift „Die kaiserliche Hof- und Musik-Capelle in Wien von 1543–1867“ (Wien 1869, 8°.) gedenkt Stefani’s an keiner Stelle, obwohl sie alle Mitglieder der Hofcapelle mit scrupulöser Genauigkeit aufzählt. Stefani kann also bei der Hofcapelle in Wien mitgewirkt haben, angestelltes Mitglied derselben war er aber sicher nicht. Der damalige König von Polen, Stanislaus [303] August, war ein großer Freund und Förderer der Musik, unterhielt an seinem Hofe selbst eine treffliche Capelle und berief tüchtige Künstler von auswärts, welche sein Orchester verherrlichten. Nicht selten ließen sich auch fremde Künstler an seinem Hofe hören. Auch auf Stefani hatte der König sein Augenmerk gerichtet und ihm die Capellmeisterstelle an seinem königlichen Orchester angeboten. Mit noch anderen Collegen sollte er dahin abgehen. Nun berichten die čechischen Quellen folgenden Dialog zwischen dem Kaiser und Stefani, der bei Kaiser Joseph um seine Entlassung nachsuchte. „Wie, Ihr wollt mich verlassen?“ rief der Kaiser, nachdem ihm Stefani die Bitte vorgebracht, ihn seines Postens an dem Wiener Orchester zu entheben. „Ihr wollt nach Polen? Wißt Ihr auch, was für ein Land es ist? Die Menschen dort leiden Kälte, sind Barbaren, der Adel ist roh, mit nichts zu befriedigen, in Kenntnissen fremd, ebenso in Gewerben und Künsten. Und Ihr wollt dahin? Dazu kann Euch nur ein Feind rathen; ich aber erlaube es nicht.“ Und dann fügte der Kaiser hinzu: „Ich muß Euch sagen, daß wir Krieg haben werden. Dann muß jeder zum Kampfe bereit sein. Ihr seid noch jung, möglich, daß man Eurer bedarf. Es wäre Verrath, wenn Ihr jetzt gehen wolltet.“ Für die historische Wahrheit dieses Dialoges mögen die čechischen Quellen, aus denen wir schöpfen, einstehen. So schien denn für Stefani und seine Collegen die Hoffnung, bei der Warschauer Hofcapelle einzutreten, in unbestimmte Ferne gerückt zu sein. Stefani wendete sich nun an seinen Gönner, den Grafen Kinsky, und bat um dessen Fürwort beim Kaiser. Kinsky sagte zu und schon nach wenigen Tagen erhielt Stefani mit noch acht anderen Kameraden die Erlaubniß, abzureisen. So erzählen polnische Quellen Stefani’s Abgang nach Polen. Im Jänner 1771, wie die „Květy“ berichten, kam er mit seinen Gefährten nach Krakau. Daselbst besuchte er in der Stadt die Schenken und kleinen Wirthshäuser, wo sich das Volk bei Musik und Tanz unterhielt, und lernte daselbst die Originalweisen in ihrer unverfälschten Eigenthümlichkeit kennen, sammelte auch die schönsten derselben, um sie später in seinen eigenen Arbeiten zu verwenden. Von Krakau begab er sich nach Warschau, wo er, wie der Rieger-Malý’sche „Slovník naučný“ berichtet, am 2. Februar 1779 eintraf und seine Stelle als Director des königlichen Orchesters antrat. Hier scheint nun der „Slovník“ in der Jahreszahl einen großen Irrthum zu begehen. Denn nach den „Květy“ wäre S. im Jänner 1771 in Krakau gewesen und dann, nach dem „Slovník“, im Februar 1779 in Warschau eingetroffen. Es handelt sich dabei um nichts Geringeres, als einen Zeitraum von vollen acht Jahren, den wir nicht anders überbrücken können, als wenn wir die Ankunft Stefani’s in Warschau auf den 2. Februar 1771 berichtigen. In Warschau kam nun S. alsbald in volle Thätigkeit; er dirigirte die Musik in der königlichen Kammer, arrangirte Concerte, leitete die Orchesterproben, studirte Haydn’sche Messen und Cantaten ein u. dgl. m. Er selbst componirte die damals so beliebten Polonaisen, welche alsbald in den polnischen Gesellschaftskreisen die beste Aufnahme fanden, so daß S. eine Suite der anderen folgen ließ und wohl deren an hundert geschrieben hatte, ganz in nationalem Style und mit vortrefflicher Instrumentirung. Bald verbreiteten die in so kurzer Zeit beliebt [304] gewordenen Tänze sich im ganzen Lande; aber auch in den Nachbarlanden wurden sie begehrt und Magnaten, welche ihr eigenes Orchester hatten, verlangten sie für dasselbe. Unter solchen Umständen fühlte sich S. in Warschau immer behaglicher, und je mehr er sich in die Sitten des Volkes, unter welchem er weilte, einlebte, um so mehr gefiel es ihm in dem Lande seiner eigenen Wahl. Noch innigere Bande fesselten ihn an dasselbe, als er im Jahre 1792 eine Polin heirathete. Im folgenden Jahre sollte S. einen ungeahnten Triumph feiern und Veranlassung dazu gab ihm Adalbert Boguslawski. Dieser war die Zierde der damaligen Warschauer Bühne. Seit dem Jahre 1778, in welchem Kamieński’s [Bd. X, S. 415] Gesangsspiel „Nędza uszczesliwiona“, d. i. Das beglückte Unglück, zur Aufführung gekommen war, war kein Singspiel mehr gegeben worden, dessen Musik nationalen Geist geathmet hätte. Da schrieb Boguslawski ein Libretto, worin er das Leben der Krakauer und der benachbarten Bergbewohner, der Goralen, sich zum Vorwurf genommen, und die Musik zu diesem Stücke, das den einfachen Titel „Krakowiaki i Gorali“, d. i. Krakauer und Goralen, führte, sollte Stefani schreiben. S. unterzog sich dieser Arbeit, componirte in Folge seiner über die polnischen Nationallieder gemachten eingehenden Studien eine echt volksthümliche Musik und am 1. März 1794 kam das Singspiel auf dem Warschauer Theater zur ersten Aufführung. Dieser Tag bildet eine Epoche in der Geschichte der nationalen Musik. Der Beifall, mit welchem das Werk von allen Seiten aufgenommen wurde, ist nicht zu beschreiben. Die Fachkritik erklärte: „wenn Stefani nur dieses eine Werk geschrieben hätte, so würde sein Name in unauslöschlichem Andenken bei den Polen bleiben“. Bis zum Jahre 1859 wurde das Singspiel blos in Warschau mehrere hundertmale gegeben. Dann kam es in St. Petersburg zur Aufführung, wohin es Kaziński mit seiner Gesellschaft im Jahre 1806 gebracht hatte, später in Moskau und dann in Wien, wo es sich längere Zeit auf dem Repertoire erhielt. In der Musik zu den Krakowiaken und Goralen scheint S. sein ganzes musikalisches Können concentrirt zu haben. Bis zum Jahre 1818 blieb nun S. bei der polnischen Bühne, für welche er noch mehrere Operetten und Singspiele componirte, welche sich längere Zeit auf dem Repertoire erhielten. Es seien davon genannt: „Wdzięczni poddani“, d. i. Die dankbaren Unterthanen (1796), – „Drzewo zaczarowane“, d. i. Der bezauberte Baum (1797); – „Frozyna“ (1806), nach einem französischen Libretto; – „Rotmistrz Górecki“, d. i. Wachtmeister Górecki (1807); – „Polka“, d. i. Die Polin, nach dem Libretto von Wybicki(1807); – „Stary misliwý“, d. i. Der alte Jäger (1808): – „Papirius“ (1808), welche nicht ohne Vorzüge, doch mit seinem ersten Werke in keiner Weise einen Vergleich aushalten. Außerdem componirte S. noch einige Messen. S. erreichte das hohe Alter von achtzig Jahren. Von seinen vielen Kindern starben mehrere in der Jugend; zwei Töchter, Carolina und Eleonora, bildeten sich zu Sängerinnen aus und starben inmitten ihrer Triumphe in jungen Jahren, Caroline im Jahre 1803, Eleonora im Jahre 1831. Von den Söhnen hatten alle das Musiktalent des Vaters geerbt; Kasimir und Johann, als Violin-Solisten im Orchester des Warschauer Theaters angestellt, starben, [305] ersterer im Jahre 1811, erst 20 Jahre alt, letzterer 1826 im Aller von 18 Jahren. Ein dritter, Joseph[WS 1] (geb. 1802), hat sich als fleißiger Componist bekannt gemacht. S. liegt mit seinen Kindern auf dem Poworski’schen Friedhofe in Warschau begraben.

Květy, d. i. Blüthen (Prager illustrirtes Blatt) 1870, Nr. 35 und 36: „Jan Stefani“. – Slovník naučný. Redaktoři Dr. Frant. Lad. Rieger a J. Malý, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger und J. Malý (Prag 1859, I. L. Kober, Lex.-8°.) Bd. VIII, S. 1002, Nr. 3. – Dalibor. Hudební týdenník, d. i. Dalibor. Musikalisches Wochenblatt. Redigirt von Emanuel Melis (Prag, 4°.) VI. Jahrg. (1863), Nr. 33 und 34: „Jan Stefani. Uryvky ze života českeho hudebnika od W. Karasowskeho, d. i. Johann Stefani. Fragmente aus dem Leben eines čechischen Musikanten“. Von W. Karasowski. – Národ, d. i. Das Volk (Prager polit. Blatt) 1864, Nr. 232, im Feuilleton: „Das böhmische Theater und die čechische Oper“. – Sowiński (Albert), Les musiciens polonais et slaves anciens et modernes. Dictionnaire biographique des compositeurs, chanteurs etc. etc. (Paris 1855, Adrien Le Clere & Co., gr. 8°.) p. 519.
Porträt. Unterschrift: „Jan Stefani“. Zeichnung von K. Maixner [in den „Květy“ 1870, Nr. 55, S. 273, Holzschnitt].

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Józef Stefani (Wikipedia).