BLKÖ:Stadion-Warthausen, Friedrich Lothar Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Stadion, Wilhelm
Band: 37 (1878), ab Seite: 35. (Quelle)
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Stadion-Warthausen, Friedrich Lothar Graf (Domherr, geb. 6. April 1761, gest. zu Chodenschloß 9. December 1811, nach Hormayr 9. December 1810, nach Anderen 7. December 1811). Von der friedericanischen Linie. Ein Sohn des Grafen Franz Conrad, aus dessen Ehe mit Luise Johanna Freiin Zobel von Giebelstadt. Mit seinem Bruder Johann Philipp Karl, mit dem ihn zeitlebens die innigste brüderliche Liebe verband, erhielt er eine gemeinsame Erziehung und Ausbildung. Schon Friedrich Lothars Verzichtung auf die Erstgeburt zu Gunsten seines zwei Jahre jüngeren Bruders Johann Philipp ist ein Beweis, wie wenig Selbstsucht und Eigennutz im Herzen dieses Edelmannes von Gottes Gnaden Platz hatten. Nicht allein Erziehung und Ausbildung hatten die Brüder gemeinsam, auch Erheiterung, Reisen, was sie unternahmen, unternahmen sie mit einander. Der berühmte Primas Dalberg nahm sorgsam Theil an ihrer ersten Erziehung, und gab ihnen zum Hofmeister den nachmaligen Aschaffenburger Weihbischof Kolborn. Friedrich Lothar, 15jährig, und sein Bruder, 17jährig, hatten beide die berühmte, alle Wehen der Reformation verkündende Synodalrede des Bischofs Christoph, und sein „Commercium epistolicum“ übersetzt, und diese Schrift ihrer geliebten Mutter gewidmet. Friedrich Lothar betrieb mit besonderem Eifer die alten Sprachen und das Studium des hellenischen und römischen Alterthums; später verlegte er sich ausschließlich auf das Studium der deutschen Vorzeit, Verfassung und Sitte und zugleich der schönen Wissenschaften. Ein Historiker charakterisirte diese gemeinschaftliche Thätigkeit beider Brüder mit den Worten: „Friedrich brachte in des Bruders Studien das Schöne und den Aufschwung. Philipp dagegen die Ordnung und das sondernde Urtheil; in ihm war der Verstand vorherrschend, in Friedrich das Gemüth.“ Friedrich, eine schwärmerisch angelegte Natur, wendete bald den Blick nach den ersten deutschen Hochstiftern, weil er dadurch ganz unabhängig volle Muße hatte, sich zu unterrichten, und dadurch auch seinem Bruder in Momenten, wo diesen Hindernisse und Gefahren als Ehrenpuncte in Schranken hielten, wirksam zur Seite stehen konnte. Die von dem Geschichtschreiber Johannes von Müller [Bd. XIX, S. 360, Nr. 32] herausgegebenen Briefe zweier Domherren geben ein treues Bild der Ideen, welche Friedrich von Stadion darüber hatte. Zunächst am 25. Mai 1791 wurde Friedrich Domcapitular von Mainz, dann von Würzburg, dann Capitular des Ritterstiftes Bleydenstadt. Aber nicht zufrieden mit dem vorherrschend beschaulichen Leben des Domherrn, trachtete er, um sich in der praktischen Geschäftswelt umzusehen, und für ernste kräftige Theilnahme an einstigen wichtigeren Geschäften entsprechend vorzubereiten, in die wirkliche Verwaltung zu kommen, und den Dienst in derselben, so zu sagen, von unten auf kennen zu lernen. So wurde er denn zunächst mainzischer und würzburgische [36] Regierungsrath, Vice-Präsident und Präsident der Erfurter Statthalterei, dann fürstlich würzburgischer Geheimrath, und Curator des Receptorates und der Würzburger Hochschule; 1798 aber würzburgischer Gesandter auf dem Rastädter Congresse, diesem von einem Historiker trefflich bezeichneten Vorabende des Umsturzes alles dessen, was dem Grafen lieb und theuer war. Nun kamen die beiden Stadion nach Wien, wo sie bei dem damals schon alternden Kaunitz gute Aufnahme fanden, und sich derselbe für die jungen geistvollen Männer bald ernstlich interessirte. Während sein Bruder in eine Stellung trat, welche den Uebergang zu wichtigeren und entscheidenden Posten bildete, hielt sich Friedrich mehr abseits, übernahm aber doch im Jahre 1803 die Stelle eines kurböhmischen Comitial-Gesandten in Regensburg, und wirkte 1807–1809 als kaiserlicher außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister am königlichen Hofe in München, wo es seine Aufgabe war, die in großer Erbitterung zerrissenen diplomatischen Beziehungen zwischen Oesterreich und Bayern wieder herzustellen. Zu dieser Aufgabe war Graf Friedrich wie geschaffen. sein schwärmerisches, schroffe Gegensätze in seinem poetischen Anschauen leicht vermittelndes Wesen, hatte in diesem schwierigen Geschäfte das unmöglich Scheinende geleistet, und ihn dabei sein liebenswürdiger, zuverlässiger Charakter wesentlich gefördert. Dort auch im Verkehr mit dem Kronprinzen Ludwig, mit Männern, wie: Hompesch, Jacobi, Pappenheim, Savigny und Schelling, fand er Balsam für sein blutendes Herz, wenn er die zerrissenen Zustände seines deutschen Vaterlandes gewahrte. Im denkwürdigen Kriegsjahre 1809 befand sich Graf Friedrich als General-Commissär bei der Armee des Erzherzogs Karl, und blieb in den damaligen mehr als schwierigen, ja nahezu unhaltbaren Verhältnissen seines gleich ihm unvergeßlichen Bruders zuverlässige und höchst werthvolle Stütze. In der Folge zog sich Graf Friedrich auf Chodenschloß in volle Einsamkeit zurück, und starb dort bald darauf erst 50 Jahre alt. Friedrich S. war wie sein Bruder zeitlebens ein edler Vorkämpfer wider die Revolution, und wie überhaupt alle Stadion ein Fürsprecher und Förderer freiwilliger, allmäliger, gemäßigter Reform. Während er im deutschen Reich das zwischen Frankreich, Oesterreich und Preußen hin- und herschwankende Zünglein der Wage des Gleichgewichts sah, hielt er – selbst ein Priester, aber durchaus kein Ultramontaner, die deutsche Hierarchie nicht für ein Werkzeug der Knechtschaft und Verdummung, sondern für eine, nach Umständen – wie wir es jetzt wieder gewahren – heilsame Opposition gegen alle überspannten weltlichen Herrschaftsgelüste. Freilich fand er damals mit seinen reformatorischen Ideen in Wien, wo noch die Traditionen der Stabilität mit den zähesten Wurzeln den Staat zusammenhielten, kein Gehör, sondern erregte vielmehr, wo er sich vernehmen ließ, einen gelinden Schrecken. Zur Charakteristik seines politischen Standpunctes möchten wohl zunächst seine eigenen Worte am besten passen: „Die deutsche Verfassung“, schrieb Graf Friedrich, sei vortrefflich in ihren Grundsätzen, da sie die Mächtigen zwinge, schwache Mitstände zu ehren, da sie dem Fürsten Gewalt genug lasse, alles Gute zu thun, und den Unterthan mit mehr [37] als einem Mittel wider den Despotismus bewaffne, eine Verfassung, die das Glück einer Nation machen würde, wenn man sie nur fühlte, wenn nur diejenigen, die ihr Alles zu danken haben, es besser unterstützten, dieses Denkmal des Verstandes der alten Germanen, durch lange Vernachlässigung halb in Schutt begraben, durch Moos und Staub halb unlesbar. Der Umsturz dieser Verfassung könnte zuletzt andere noch verderblichere Uebel erzeugen. Wider die Freistaaten des alten Griechenland sei gar viel einzuwenden, doch möge man fragen, ob Griechenland unter den Kaisern und Königen glücklicher geworden sei?“ Zum Schlusse sei noch des Briefes gedacht, den Friedrich Stadion an Kaiser Joseph II., vor dessen Reise nach Cherson über die Behandlung der Reichsgeschäfte geschrieben. Er bediente sich dazu des Pseudonyms Peter Orey.

Familienbuch des österreichischen Lloyd (Triest, 4°.), VIII. Bd. (1858) S. 310. – Müller (Johannes von), „Briefe zweier Domherren. Im April und Mai 1787“ (Frankfurt und Leipzig 1787, Weidmann, 8°.). – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für das gebildete Publicum u. s. w. (Hildburghausen, Bibliographisches Institut, gr. 8°.). Zweite Abtheilung, Bd. IX, S. 1308, Nr. 4.
Porträt. F. Hof del., C. Guerin sc. (Folio), seltenes Blatt.