BLKÖ:Spitzer, Benjamin Salomon

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Spitzer, Daniel
Band: 36 (1878), ab Seite: 180. (Quelle)
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Spitzer, Benjamin Salomon (nordamerikanischer Schiffscapitän, geb. zu Alt-Ofen in Ungarn im Jahre 1774, gest. in Wien im Jahre 1820). Ein durch seine Lebensschicksale bemerkenswerther Israelit. Sohn wohlhabender Eltern. Sein Vater Goetzel, aus Prag gebürtig, war nach Ungarn gekommen, hatte sich dort in Alt-Ofen niedergelassen, war aber, nachdem das Josephinische Toleranz-Edict am 29. October 1780 erschienen, aus der Nachbargemeinde Alt-Ofen nach Pesth übersiedelt, und von der damals 120 jüdische Familien zählenden Gemeinde daselbst zum Vorsteher gewählt worden. Durch die Zeitverhältnisse hatte Goetzel sein ganzes Vermögen eingebüßt, und Sohn Benjamin, der in des Vaters besseren Tagen am Lernen keine Freude hatte, mußte mit einem Male Kleinwaaren-Hausirer werden. Aber für dieses Geschäft besaß Benjamin nicht das geringste Talent. Mit dem dürftigen Kram, mit dem er des Morgens aus dem Elternhause gegangen, kam er Abends wieder heim. Er verstand es eben nicht, seine Waare anzubieten. Im Jahre 1789 verließ der damals 15jährige Benjamin, der zum Hausiren nicht brauchbar war. seine Heimat, und wanderte, arm und hilflos, nach Prag, von dort nach Dresden, Leipzig. So durchzog er Deutschland nach allen Richtungen, bis er Hamburg erreichte, wo er, von der größten Noth getrieben, als gemeiner Matrose in die Dienste eines Kauffahrteischiffes trat, dessen Capitän den wohlgestalteten und intelligenten Jungen wohlwollend aufnahm. In dieser neuen Thätigkeit entwickelte S. allen Fleiß und Eifer, stieg von Stufe zu Stufe und konnte endlich selbst die Leitung eines Schiffes übernehmen. Jahrelang hatte er zur See zugebracht und zweimal schon hatte er die Erde umsegelt; nun ließ er sich in der Heimat seines einstigen Capitäns, in New-Orleans, seßhaft nieder. Dort erlangte er über Verwendung desselben auch die Capitänscharge, leitete selbständig einen nicht unbedeutenden Handel ein, den er nach und nach mit immer steigendem Erfolge bis an die Nordküste von Afrika, später bis in das Innere der Barbaresken-Staaten: Algier, Fez und Marokko ausdehnte. Im Jahre 1808, innerhalb zehn Jahren, war der als Betteljunge ausgewanderte Benjamin zur Ueberraschung der Seinigen als Millionär in seiner Heimat wieder eingetroffen. In Pesth erregte sein Erscheinen Staunen, Theilnahme und der Millionär war für Viele eine zu gute Prise, und als Capitän mit den Listen der Landratten zu wenig vertraut, und weil er selbst ehrlich war, Alles für ehrlich haltend, ging er auf die verschiedensten Vorschläge und Anträge, Handelspläne und Güterpachtungen bereitwillig ein, und in kurzer Zeit war die Million in Projecten, die nichts eingebracht, verduftet. Verbittert über die falschen Freunde, und schlecht auf alle Landbewohner zu sprechen, kehrte der Capitän zur See zurück. Er machte nun wieder mehrere Seereisen: nach Alexandrien, dann zurück nach Malta, darauf mit einem Schiff von 10 Kanonen nach Marokko. Auf der Fahrt wurde sein Schiff unweit Mogador von einer Tripolitaner Kriegsbrigg angegriffen, und [181] hatte S. mit ihr ein anderthalbstündiges Gefecht zu bestehen, in welchem er 18 Matrosen und durch eine Kartätschenkugel seinen linken Fuß verlor. Der Seedienst mußte nun aufgegeben werden. Indessen knüpfte er wieder commerzielle und industrielle Verbindungen an, welche nicht ohne Erfolg gewesen sein mochten, worüber jedoch die uns zu Gebote stehenden Quellen keinen Aufschluß geben. Nach zehnjähriger Abwesenheit, 1820, kehrte er zum zweiten Male nach Oesterreich zurück, ging aber dieses Mal nach Wien, wohin er einen kleinen Familienrath berufen hatte. Seine Absicht, den Seinigen gegenüber, sprach er nun dahin aus: er wolle noch eine Reise nach Amerika behufs Veräußerung seiner daselbst befindlichen, liegenden und beweglichen Güter unternehmen, um dann in seiner Heimat zu bleibendem Aufenthalt sich niederzulassen. Er war in Wien eingetroffen, aber in der Nacht vor dem abzuhaltenden Familienrathe vom Schlage getroffen worden, der seinen Tod zur Folge hatte. Da er ohne Testament verschieden, so konnte, wie sein Biograph berichtet, von all seinem in Amerika vorhandenen Vermögen nichts an seine Familie kommen. S. wurde auf dem israelitischen Friedhofe in Wien bestattet. Seine Ruhestelle bezeichnet ein Grabstein, auf dessen Spitze sich ein Segelschiff erhebt. Die Inschrift des Grabsteines lautet: Hier ruhet die Asche des edlen Mannes | Benjamin Salomon Spitzer, Bürger zu New-Orleans | Als nordamerikanischer Schiffscapitän umsegelte er zweimal unsere Erde | In Mitte seiner rühmlichen Laufbahn ereilte ihn der Tod.

Reich (Ignaz), Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth 1860, Alois Bucsánszky, 4°.) Heft 3, Seite 54. – Frankl (Ludwig August), Sonntagsblätter (Wien 8°.) I. Jahrg. (1842), S. 717: „Ein Preßburger, Bürger von New-Orleans“.