BLKÖ:Sichermann, Emanuel
Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich | |||
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Band: 34 (1877), ab Seite: 210. (Quelle) | |||
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[211] Debatte; wißbegierige Landwirthe und bedeutende Vertreter dieses Zweiges menschlicher Thätigkeit aus dem Adels- und bürgerlichen Kreise nahmen Sichermann’s Musterwirthschaft in Augenschein und gestanden ihr einstimmig diesen Namen zu. Dabei ermüdete S. nicht, seine Verbesserungen immer weiter auszudehnen. Die Baumpflanzungen lieferten – den bedeutenden Obstertrag abgerechnet – bereits hinlängliches Materiale für die nothwendigen Oekonomie-Baulichkeiten, was bei der holzarmen Gegend von unberechenbarem Nutzen war und ist; durch eine landwirtschaftliche Bibliothek, welche S. gründete, wurde die entsprechende Fortbildung des Betriebspersonales eingeleitet und vermittelt; Hoffmann’s Futterbausystem in Anwendung gebracht; das starke Betriebspersonale – außer den Taglöhnern über 100 Diener – bei der wechselnden, durch die Umstände der Jahreszeit gebotenen Beschäftigung immer in Thätigkeit erhalten und so durch das Ineinandergreifen eines vielhundertarmigen Schaffens eine Musterhaftigkeit des Betriebes durchgeführt, die Jedem, der in die Nähe der Sichermann’schen Wirthschaft gerieth, alsbald auffiel, und den Namen des Gebieters als eines Musterwirthes weit über die Grenzen seines Vaterlands bekannt machte, denn im Jahre 1857 schickte die New-Yorker Staats-Agricultur- Gesellschaft an Emanuel Sichermann das Diplom eines correspondirenden Mitgliedes dieser Gesellschaft. Einerseits durch die Zeitverhältnisse, andererseits durch das Mißlingen einiger zu kühn angelegten Speculationen gerieth[WS 1] auch S.’s Betrieb in’s Schwanken, woraus ihn aber die Hilfe der Wiener Creditanstalt alsbald befreite, so daß diese Musterwirthschaft fortblüht und neue Industrien – so Anlagen großer Tabak-Plantagen nach holländischem Plane – aufzuweisen hat. Noch ist aber eines bemerkenswerthen Umstandes zu gedenken: während das Maschinenwesen mit und ohne Dampfkraft auf S.’s Besitzungen in großartigem Maßstabe durchgeführt ist, die Säemaschine ist streng ausgeschlossen und das Samenkorn muß nach alter Judensitte mit der Hand breitwürfig angebaut werden. Auch an humanistischen Momenten fehlte es in Kótaj nicht. Der Sterbetag des Großvaters, des eigentlichen Begründers des landwirthschaftlichen Betriebes, wird durch Almosenspenden festlich begangen; auch werden die Zinsen eines von demselben gegründeten auf dessen Gütern primo loco intabulirten Ausstattungsfondes für arme weibliche Judenwaisen bei dieser Gelegenheit festlich verabfolgt.
Sichermann, Emanuel (Landwirth, geb. zu Ó-Fejerto im Szalbolsker Comitate Ungarns 25. März 1811). Sein Vater Michael war der einzige Israelit, welcher in der damaligen Zeit – zu Anbeginn des laufenden Jahrhunderts – adelige Gründe im Besitz hatte, denn er war bereits damals Gutsbesitzer in Kótaj. Emanuel erhielt eine einfache aber gute Erziehung, wurde aber vornehmlich für die Landwirthschaft ausgebildet. Als er kaum 20 Jahre alt, starb der Vater, und Emanuel erhielt aus dem ansehnlichen, unter acht Kindern vertheilten Erbe das Gut Kálló Semjeny. Begütert durch weit sich erstreckende Ackerlande, stellte er es sich zur Lebensaufgabe, nach Kräften praktisch zu beweisen, daß es nicht, wie sein Biograph in einem Witz- und Wortspiele schreibt, des Juden Schuld sei, wenn mancher den Trug dem Pflug, die Schnittwaaren dem Schnitterwagen vorzieht. Sichermann wollte seinen jüdischen und christlichen Brüdern durch sein eigenes Beispiel darthun, daß es blos des aufrichtigen Wollens auf der einen, und der hilfreichen Hand auf der anderen Seite bedarf, um den Juden, seiner alten ursprünglichen Beschäftigung – dem Ackerbau – mit Erfolg zuzuführen. Sichermann’s Ideal war, um mit seinem Biographen zu reden, mit einem Worte: eine jüdische Musterwirthschaft zu schaffen. Bei den damals in Ungarn bezüglich adeliger Güter bestandenen und heute noch bestehenden avitischen Verhältnissen fand es S. für gut, seine ererbten Besitzungen gegen das mehr Sicherheit bietende, größere und vorzüglichere Kótaj umzutauschen und daselbst nun die beabsichtigte Muster-Oekonomie einzuführen. Im Jahre 1847 wurden die Arbeiten in Kótaj begonnen: Wohnungen aufgeführt, Stallungen für Zug- und Nutzvieh gebaut, Scheunen, Schuppen, Brantweinbrennereien in entsprechender, mitunter neuer Weise eingerichtet; mehrere hunderttausend Bäume – worunter viele vom Auslande geholte Obstbäume edelster Gattung – welche elf Jahre später (1859) bereits auf mehr als 83.000 fl. ö. W. geschätzt wurden – nach einem wohl ausgedachten Plane gepflanzt, Sümpfe durch offene, wie auch unterirdische Canäle (Drainirungen) ausgetrocknet und das alles in zweckmäßigster Weise, so daß alle Arbeiten ineinandergriffen, ausgeführt. Das bis dahin unbeachtet gebliebene, ja fast unbekannte Kótaj wurde bald der Gegenstand der- Reich (Ignaz), Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth 1865, Budinsky 4°.) Heft 5, S. 61.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: gerieht.