Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Sellner, Franz
Band: 34 (1877), ab Seite: 68. (Quelle)
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Sellner, Joseph (Oboe-Virtuos, geb. zu Landau im Elsaß am 13., n. A. am 15. Mai 1787, gest. zu Wien 17. Mai 1843). Sein Vater, der ursprünglich in französischen Kriegsdiensten stand, trat 1792 mit dem Condé’schen Corps zu den Oesterreichern über. Der damals sechsjährige Knabe zeigte Talent für Musik und vornehmlich für die Flöte, auf welcher er, obgleich von einem mittelmäßigen Lehrer unterrichtet, solche Fortschritte machte, daß er, erst acht Jahre alt, bereits öffentlich in einem Concerte sich hören lassen durfte. So bildete S. sich praktisch weiter, begann, bei seiner sich steigernden Vorliebe für die Tonkunst, sich im Violinspiele zu üben, versuchte sich auch auf anderen Instrumenten und trat, 15 Jahre alt, als unobligater Trompeter bei einem österreichischen Cavallerie-Regimente ein, mit welchem er den Feldzug 1809 und die Katastrophe von Ulm mitmachte. Während seiner Dienstzeit erlernte er noch, auch ohne Meister, nebst der Trompete das Horn und die Clarinette und ließ auf letzterem Instrumente, das er meisterlich behandelte, sich öfter öffentlich hören. Im Jahre 1808 erbat und erhielt er seine Entlassung, begab sich dann zur [69] weiteren Ausbildung auf kurze Zeit nach Prag, dieser in Musiksachen immer tonangebenden Stadt, und folgte dann dem Rufe eines ungarischen Edelmannes als Director der Capelle, welche dieser auf einem seiner Schlösser unterhielt und eine ebenso trefflich geschulte Harmoniemusik als ein tüchtiges Streichquartett bildete. Als Capellmeister die Orchesterstücke mit der Violine dirigirend, in der Harmoniemusik selbst die Oboe meisterhaft spielend, blieb er in seiner Anstellung bis zum Jahre 1813; in der Zwischenzeit hatte er sich 1811 im Theater zu Pest als Oboe-Virtuos öffentlich hören lassen. Im Jahre 1813 berief ihn Karl Maria von Weber als ersten Oboisten in das Orchester des Prager Theaters; nebenbei trat er wiederholt öffentlich in Concerten auf und verlegte sich auf das Spiel der Guitarre, worin er es bald auch zu solcher Meisterschaft brachte, daß er sich sogar mit dem berühmten Guitarrespieler Mauro Giuliani öffentlich hören lassen durfte. Seine theoretischen Kenntnisse vervollkommnete er aber unter der Leitung des berühmten Tonsetzers J. W. Tomaschek. Als er im Jahre 1817 eine Reise nach Italien unternehmen wollte, gab er in Wien wiederholt Oboe-Concerte und mit so glänzendem Erfolge, daß er sofort als erster Oboist im Orchester des k. k. Hofoperntheaters angestellt wurde und nunmehr seinen bleibenden Aufenthalt in Wien nahm. Im Jahre 1822 wurde S. Mitglied der k. k. Hof-Capelle, später Professor der Oboe an dem in Wien neu errichteten Conservatorium der Musik und im Jahre 1823 erhielt er nebenbei die Oberleitung der Uebungen und Concerte der Zöglinge. Nach J. Ernst Krähmer’s [Bd. XIII, S. 97] im Jahre 1837 erfolgten Tode wurde S., auch noch erster Oboist des k. k. Burgtheater-Orchesters. Im October 1838 erhielt er die Directorsstelle im Conservatorium, welche er aber noch im November desselben Jahres niederlegte, worauf er die Uebungen und Concerte der Zöglinge des Conservatoriums aufgab. Seine letzten Lebensjahre wurden von schweren körperlichen Leiden und einer stetig zunehmenden Augenschwäche getrübt. Er starb, erst 56 Jahre alt, als ausübender Musiker, Componist und musikalischer Pädagog, ein geachtetes Andenken hinterlassend. Als Virtuose auf der Oboe hat er sich um die Vervollkommnung seines Instrumentes verdient gemacht. Durch Verbesserung in Stellung der Klappen erzielte er nicht nur eine harmonische Gleichheit des Tones, sondern ermöglichte auch die Ueberwindung von Schwierigkeiten, denen das sonst wenig dankbare Instrument in seiner früheren Form nicht gewachsen war. Als Orchesterdirector im Conservatorium und als Oboelehrer anerkennt Hanslik in seiner „Geschichte des Concertwesens in Wien“ (S. 163, 249), daß er sich große Verdienste erworben und daß eben seine angestrengte pädagogische Thätigkeit die Ursache sein mochte, wenn er bereits seit den Zwanziger-Jahren nicht mehr unter den Concertgebern erscheint. Hingegen sprechen die tüchtigen von ihm gebildeten Schüler, aus deren Zahl Baumberg, Fahrig, Peck, Petschacher [Bd. XXII, S. 133], Steinhauer, Uhlmann genannt seien, für die schönen Erfolge seines gründlichen Unterrichtes. Auch als Componist thätig, hat er Concerte, Rondo’s, Polonaisen, Variationen u. d. m. für die Oboe mit Orchesterbegleitung, mehrere Stücke für Harmoniemusik, für die Guitarre und andere Instrumente geschrieben. Von den Guitarrecompositionen sollen ein paar im [70] Stiche erschienen sein; bekannt aber und in Musikkreisen sehr geschätzt ist seine „Theoretisch-praktische Oboe-Schule“, 3 Theile (Wien, bei Leidesdorf), welche in der „Cäcilia“ [Bd. IV, S. 215–225] von Ignaz von Seyfried, und in der „Leipziger musikalischen Zeitung“ [Bd. XXVII, S. 786] von Wilhelm Braun in ausführlicher und sehr anerkennender Weise gewürdigt wurde. Das Werk erschien auch unter dem Titel: „Methode court et facile pour le Haut-bois“ bei Richault in Paris in französischer Uebersetzung. Unter seinen nachgelassenen Compositionen fanden sich u. A. vor: ein Concert in Es-dur für die Oboe; der erste Satz eines Concertes in D-moll; eine Introduction und Polonaise in F-dur; Variationen in D-moll; drei Concertino’s in D-moll, F-dur und G-moll, die vorgenannten sämmtlich für die Oboe mit Orchesterbegleitung; dann der erste Satz eines Doppelconcertes für Oboe und Clarinette; ein vollständiges Concert für zwei Oboen; ein Quartett für Oboe mit Violine, Viola und Violoncell, und ein Terzett für drei Flöten. In allen diesen Arbeiten bekundet sich der tüchtige Schüler Tomaschek’s, sie sind ebenso gründlich als melodiös, ebenso streng an die Gesetze des Contrapunctes sich haltend, als vom Zauber echter Musik durchweht.

Wiener Zeitung 1843, Nr. 171. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar, Voigt, 8°.) XXI. Jahrg. (1843), 1. Theil, S. 461, Nr. 140 [nach diesem geb. 15. Mai 1787]. – Schilling, Das musikalische Europa, S. 312 [nach diesem geb. am 13. Mai 1787]. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Ed. Bernsdorff (Dresden, Rob. Schäfer, gr. 8°.) Bd. III, 2. 554 [auch nach diesem geb. 13. Mai 1787]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.), Zweite Abtheilung, Bd. VIII, S. 932. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, Lex.-8°.) Sp. 773. – Pohl (C. F.), Die Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaates und ihr Conservatorium (Wien 1871, Braumüller, 8°.). S. 50 und 51. –