BLKÖ:Seelieb, Karl Emil

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Seehofer, Therese
Band: 33 (1877), ab Seite: 308. (Quelle)
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Seelieb, Karl Emil (Corrector der kais. Hof- und Staatsdruckerei in Wien, Linguist, geb. in der preußischen Oberlausitz 1829, gest. zu Wien 19. Mai 1856). Sohn mittelloser Eltern, der, nachdem er ein paar Gymnasialclassen besucht, genöthigt war, die Buchdruckerkunst als Erwerbszweig zu wählen. Dabei aber seinem mächtigen Drange nach Fortbildung folgend, verlegte er sich auf das Studium der Sprachen, worin ihm namentlich Bopp’s[WS 1] Grammatik der Sanskritsprache zur Anleitung diente. So hatte er sich allmälig in die Kenntniß der romanischen neuen Idiome und der indogermanischen Sprachen angeeignet, als er sich auch schon den semitisch-orientalischen Sprachen zuwendete. Alle diese Studien machte er, den Tag über bei dem Setzkasten in Verwendung, in der übrig bleibenden Zeit als Autodidakt mit einer an Bewunderung grenzenden Ausdauer und, um sich die kostspieligen Werke anzuschaffen, mit einer Selbstverleugnung ohne Gleichen. So hatte er sich allmälig folgende Sprachen zu eigen gemacht: Lateinisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Holländisch, Dänisch, Schwedisch, Griechisch, Hebräisch, Persisch, Arabisch, Sanskrit; auch hatte er bereits slavische Idiome, so das Polnische und Russische, ferner Ungarisch, Türkisch und Chinesisch angefangen. Indessen war er in seinem eigenen Berufe so tüchtig, daß ihm sein damaliger Principal die Führung einer Commandite seines Hauptgeschäftes ohne weitere Instruction, alles Nähere seinem Gutachten überlassend, übertrug. Um jedoch seinem Drange nach sprachwissenschaftlicher Ausbildung genügen zu können, bot er i. J. 1851 seine Dienste dem damaligen Director der Wiener Staatsdruckerei, Hofrath von Auer, an, weil, wie er schrieb, in der Staatsdruckerei „umfassende Drucksachen in orientalischen Sprachen, sowie unzählige Drucke aller Art in allen Sprachen Europa’s geliefert werden“. Hofrath Auer nahm das Anerbieten an und war nicht wenig erstaunt, daß er in Seelieb, der in der Eigenschaft eines Schriftsetzers in der Staatsdruckerei untergebracht war, einen jener naiven Gelehrten für seine Anstalt gewonnen hatte, die gar nicht wissen, wie viel sie wissen. Am 10. Februar 1851 war S. in die Staatsdruckerei eingetreten. Dort arbeitete er zuerst an den Probecolumnen für die Londoner Ausstellung, dann an verschiedenen orientalischen Werken und später in chinesischem Satze mit beweglichen Typen. Bald übertrug ihm der Director Auer die Stelle eines Correctors für fremde, namentlich orientalische Sprachen, worin ihm Fachmänner, wie Hammer-Purgstall, das ehrendste Zeugniß ausstellten. Später ertheilte er auch an der von Hofrath Auer in der Staatsdruckerei für junge Typographen errichteten Sprachschule Unterricht in der persischen und arabischen Sprache, und bearbeitete für den in der Anstalt herausgegebenen grammatischen Atlas die spanische, portugiesische und Bughis-Sprache; begann auch die Bearbeitung der griechischen, dänischen und persischen Sprache, worin ihn jedoch der Tod unterbrach. Im Juli 1855 reiste er in seine Heimat, um sich mit seiner Braut, einer Verwandten, mit der er im großelterlichen Hause erzogen worden war und an welche ihn seit den Kindertagen innige Bande der Zuneigung knüpften, ehelich zu verbinden. Am 27. Juli fand die Hochzeit Statt, dann reiste S. nach Wien zurück, aber allein, [309] um dort alles für den Hausstand seiner Frau in entsprechender Weise vorzubereiten. Unter dieser Beschäftigung verging der Winter 1855/56; am 25. April 1856 wollte er in die Heimat reisen, um seine Frau nach Wien zu holen, aber ein wenige Tage vorher ausgebrochenes Leiden hinderte ihn, die Reise anzutreten. Das Uebel nahm einen tödtlichen Charakter an, denn schon in wenigen Wochen war S. demselben erlegen. Uebergroße geistige Anstrengung bei einem unregelmäßigen Leben, da sich S. bei seinem nicht zu stillenden wissenschaftlichen Drange keine Erholung, keinen Genuß gönnte. Essen, Trinken, Schlafen nur als nothwendige Uebel ansah, nur von Obst und Milch lebte, hatten seinen frühen Tod herbeigeführt. Hätte nicht der Tod seinem Leben ein allzufrühes Ende gesteckt, die Wissenschaft hätte an S. im Gebiete der vergleichenden Sprachforschung einen Namen ersten Ranges gewonnen. Was mit seinem handschriftlichen Nachlasse, dessen Sichtung nach seinem Tode vorgenommen wurde geschehen, ist nicht bekannt.

Gutenberg (eine Typographen-Zeitschrift, Wien, gr. 4°.) II. Bd. (1856), Nr. 7, S 36: „Nekrolog“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Popp’s.