BLKÖ:Schneider, Franz (Schulmann)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 31 (1876), ab Seite: 17. (Quelle)
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Schneider, Franz (Schulmann, geb. im Dorfe Großramerschlag bei Neuhaus in Böhmen 1. October 1794, gest. zu Prag in der Nacht vom 16./17. März 1858). Sein Vater, ein armer Schneider, konnte ihm bei seinen beschränkten Mitteln keine weitere Bildung geben lassen, als die, welche die Schule seines Geburtsortes bot, legte aber durch eigene gerade und gesunde Handlungsweise und durch die kurzen, aber eindringlichen Erziehungsmaßregeln den Grund zu jenem Zuge im Charakter seines Sohnes, der ihn nachher so sehr kennzeichnete. So verlangte er, um nur Eines zu nennen, unbedingten Gehorsam ohne jede Einrede von seinem Sohne, und da derselbe der älteste von seinen Geschwistern war, wurde er, da der Vater mit Nahrungssorgen sehr zu kämpfen hatte, mit der Aufsicht der jüngeren Geschwister beauftragt und für ihre Vergehen verantwortlich gemacht. Sechs Jahre besuchte der Knabe die Schule seines Geburtsortes (1800 bis 1806), dann wurde er angewiesen, selbst sein Brot zu verdienen und trat daher zu einem Bauer als Kuhhirt in Dienste. Gerade diese Zeit war in das Gedächtniß Schneider’s sein ganzes Leben hindurch so tief eingegraben, daß er im Kreise trauter Freunde öfter und lieber von seiner Verwendung als Kuhhirt, als von seinen späteren Studienjahren sprach, und es scheint, daß gerade um jene Zeit, in der Einsamkeit des Feldes und der Wiese, inmitten der einfachen Natur, die Idee in ihm erwachte und klar wurde, mehr und Größeres leisten zu können. Zwei Jahre [18] nachher (1808) trat er in die dritte Classe der Hauptschule zu Neuhaus und zu Allerheiligen desselben Jahres in das fünfclassige Gymnasium derselben Stadt ein und beendete dasselbe im Jahre 1813 mit ausgezeichnetem Erfolge. In höchst anziehender, dabei ebenso belehrender Weise hat Schneider seine Lebensschicksale in der Zeit seiner Studien in einer Reihe von Aufsätzen geschildert, welche anonym im „Oesterreichischen Schulboten“ 1856, Nr. 2–9, und 1857, Nr. 15, 16, 20–25, unter der Ueberschrift: „Wie der arme Dorfknabe studirt“, erschienen sind und so allgemeines Interesse erregten, daß ein Theil derselben im Pariser „Bulletin de l’instrucion primaire“ in französischer Uebersetzung veröffentlicht wurde. Sie geben zugleich den Schlüssel, um in den Charakter des Verblichenen einzugehen. Mehrere Züge aus diesem seinem Gymnasialleben sind ganz originell, müssen jedoch einer ausführlicheren Biographie vorbehalten bleiben. Er studirte, wie viele arme Studenten: hatte in verschiedenen Bürgerhäusern den Mittagtisch und bei einem Beamten[WS 1] das Abendbrot, unterrichtete Kinder gegen ein höchst mittelmäßiges Honorar und machte dabei selbst gute Fortschritte. Im Jahre 1813 ging er im Herbste, versehen mit einem vorzüglichen Zeugnisse und mit sehr geringer Barschaft, nach Prag, um an der Universität die drei Jahrgänge Philosophie zu studiren. Dazu hatte er einen Empfehlungsbrief. Es kostete Mühe genug, eine, selbst den allerbescheidensten Ansprüchen entsprechende Unterkunft zu finden, ja, er war nahe daran, gleich anfangs zu seinen Eltern zurückzukehren, um das Handwerk seines Vaters zu betreiben. Endlich bekam er zwei sogenannte Lectionen, deren jede ihm für eine Stunde täglichen Unterrichts monatlich zwei Gulden eintrug. Unter Mühsalen und Kümmernissen aller Art studirte er den ersten Jahrgang der Philosophie, wurde aber darin durch den Typhus unterbrochen, an dem er erkrankte und der ihn in’s Spital der barmherzigen Brüder brachte. Wiewohl der Arzt ihn für verloren gab, genas er dennoch, hatte aber in seinen Studien so viel versäumt, daß er den ersten Jahrgang wiederholen mußte. Nach beendeten philosophischen Studien trat Schneider im Jahre 1817 in das Priester-Seminar zu Leitmeritz, alsdann begann er die theologischen Studien, nach deren Beendigung er am 24. August 1821 ordinirt und von dem damaligen Leitmeritzer Bischofe Joseph Franz Hurdalek als Ceremoniär und Secretär aufgenommen wurde. Als derselbe seinen Bischofsitz verließ und im Jahre 1823 den 6. Juli nach Prag übersiedelte, blieb der junge Priester bei ihm bis zu dessen im Jahre 1834 erfolgten Tode. Seine spätere Stellung und die Gelegenheiten zu einer erwünschten Thätigkeit verdankte Schneider, wie er selbst in der Widmungsschrift zu seinem im Jahre 1844 erschienenen Lehr- und Betbuche: „Die heilige Messe im Allgemeinen und für Verstorbene“, sich ausspricht, der Gräfin Therese von Thun-Hohenstein, gebornen Gräfin Brühl, welche ihm zu einer Zeit, da derselbe in der Hauptstadt noch gänzlich unbekannt war, ihr Vertrauen schenkte. Schneider trat zuerst in’s öffentliche Lehramt ein, da er mit Decret vom 13. März 1827 die durch die Ernennung des P. Vincenz Prasky zum Verweser und Präses im erzbischöflichen Seminar erledigte Stelle eines geistlichen Exhortators und Religionslehrers am kön. ständischen polytechnischen Institute erhielt. Als im October 1833 die mit diesem [19] Institute in Verbindung stehende Realschule in’s Leben trat, wurde Schneider zum Vicedirector und Religionslehrer an derselben ernannt und übernahm damit zugleich die Obliegenheit, an Sonn- und Feiertagen für die Schüler der Anstalt den Gottesdienst zu halten, welcher Obliegenheit er bis Ende November 1857 nachkam. Als im Schuljahre 1851/52 die bis dahin mit dem polytechnischen Institute verbundene und unter einer Direction stehende Realschule von diesem getrennt wurde und als k. k. deutsche Oberrealschule selbstständig auftrat, erhielt P. Franz Schneider provisorisch die Leitung der Realschule und wurde mittelst ah. Entschließung vom 12. Februar 1856 zum wirklichen Director derselben ernannt. Doch beschränkten sich seine Leistungen im Gebiete der Jugend- und Menschenbildung nicht blos auf diese seine Stellung im öffentlichen Lehramte, auch die humanistischen Vereine, deren Mitglied er war, geben Zeugniß von seiner Wirksamkeit. Lange Zeit war er Mitvorsteher der Privat-Waisenhauses zum h. Johann dem Täufer in Prag, bis zu seinem Tode war er Directionsmitglied des Vereins zum Wohle entlassener Züchtlinge und als solcher mit der Aufsicht über den Unterricht an der Unterrichts- und Erziehanstalt dieses Vereins betraut. Auch zählte ihn der Verein der Kunstfreunde zur Beförderung der Kirchenmusik in Böhmen zu seinen Mitgliedern. Schneider war auch als Schriftsteller thätig und außer dem bereits genannten Andachtsbuche sind von ihm erschienen: „Geschichte unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi“, 2 Bände (Prag 1835; 2. Aufl. 1848), welche er als Grundlage bei seinem Religionsunterrichte in der Oberrealschule benützte; – und „Lies und Denke. Gedrängte zeitgemässe Darstellungen der wichtigsten katholischen Glaubenslehren“, 6 Hefte (Wien 1850–1852, Braumüller, gr. 8°.); – „Orakel der prophetischen Muse“ (185.), ein Versespiel für Junge und Erwachsene, dessen wichtigsten Bestandtheil eine Reihe von Gedankverse bildet, die als eine Fundgrube von Lebensweisheit angesehen werden können. Der Ertrag dieser Schrift ist der Erziehanstalt des Vereins zum Wohle entlassener Züchtlinge gewidmet; – „Wahrheit in Bildern. Aesopische und parabolische Dichtungen“ (Prag 1848; 2. Aufl. Wien 1857, gr. 16°.), von einem Beurtheiler derselben den ähnlichen Dichtungen Lessing’s gleichgestellt; – „Offener Brief an Herrn Dr. Augustin Smetana“ (Prag 1850, Heß); – nicht geringen Antheil hatte er an der nicht unerheblichen Schrift: „Versammlung von Geistlichen, gehalten zu Prag am 18. und 22. Mai 1848“. Schließlich soll aus seiner Feder die in čechischer Uebersetzung unter dem Titel: „Nová rada čili návrhy jak by se mohlo pomoci nouzi, která se nyní u nemalé částky Pražského lidu zmáhá“, d. i. Neuer Rath oder Vorschläge, wie man der Noth, welche jetzt bei einem nicht geringen Theile der Prager Bevölkerung so stark zunimmt, abhelfen konnte (Prag 1847), erschienene Schrift geflossen sein. Von seinen ungedruckten, im Nachlasse vorgefundenen Arbeiten sind anzuführen: ein ausführlicher katholischer Katechismus für die reifere Jugend; – die christliche Pflichtenlehre; – Uebersetzung der Perikopen auf die Sonn- und Feiertage für das ganze Jahr; – sorgfältig ausgearbeitete Exhortationen und Vorträge für die Schüler der Prager Technik; – Glossen zu Lessing’s „Nathan der Weise“ – und eine Uebersetzung des Gedichtes: „Die Jungfrau am See“, von Walter Scott. Vieles schrieb er [20] auch in čechischer Sprache, mehrere kurze Andachtstücke, unter anderen eine „Litanei in allgemeinen Anliegenheiten“ und dann mehrere Gebete und fromme Betrachtungen in dem Werke: „Andachten für die heiligen Tage und Zeiten“ (Prag 1855), welches Franz Joseph Rezac [Bd. XXV, S. 405][WS 2] herausgegeben hat. Schneider war ein Schulmann, wie in seiner Art selten Einer anzutreffen ist. Als Priester aufgeklärt, als Pädagog energisch, als Mensch ein Charakter. Mochte er für den ersten Moment als Sonderling erscheinen, wenigstens drang sich nach nur flüchtiger Begegnung dieser Gedanke Einem auf, bei genauerer Kenntniß seines Wesens fand man erst den goldenen Kern in der fast rauhen Schale, und je mehr man ihn kennen lernte, desto mehr durchdrang uns Achtung für den eigenthümlichen seltenen Mann, der eben so anspruchslos als verdienstlich wirkte. Gaudek im „Oesterreichischen Schulboten“ entwirft eine treue und fesselnde Charakteristik dieses Mannes, der als Mensch, Priester und Pädagog bleibender Erinnerung werth ist. Bolzano [Bd. II, S. 35], zuerst sein Lehrer, wurde später und blieb sein Freund.

Prager Zeitung 1858, Nr. 66: Nekrolog. – Bohemia (Prager polit. u. Unterhaltungsblatt, 4°.) 1858, Nr. 77, S. 570: Nekrolog. – Prager Morgenpost (Localblatt) 1858, Nr. 77. – Oesterreichischer Schulbote. Herausg. von A. Krombholz und M. A. Becker (Wien, 4°.) Jahrg. 1858, Nr. 13: „Franz Schneider“, u. Nr. 43 [ersteres ein kurzer Nekrolog, letzteres eine kurze Charakteristik S.’s, beide von Fesl]; – derselbe 1858, S. 350, 357, 365, 373: „Zur Charakteristik Schneider’s“, von Anton Gaudek. – Jelinek (Carl). Das ständisch-polytechnische Institut zu Prag (Prag 1856, 8°.) S. 219.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Be-Amten
  2. Vorlage: [Bd. XXV, S. 404]