BLKÖ:Schmidt, Wilhelm (Senator)

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 30 (1875), ab Seite: 314. (Quelle)
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98. Schmidt, Wilhelm (Senator der Stadt Kronstadt, Geburtsjahr unbekannt, gest. zu Kronstadt 30. November 1862). In seiner Vaterstadt Kronstadt erhielt S. seine Ausbildung. Er war in seinen jüngeren Jahren viel leidend. Nach beendeten Studien widmete er sich dem öffentlichen. Dienste, wurde Magistrats-Secretär, später Vice-Notär und dann Dominial-Assessor. Außerhalb des Weichbildes seiner Vaterstadt war S. in früheren Jahren wenig gekannt, da ihm sein Gesundheitszustand den Verkehr in geselligen Kreisen wenig oder gar nicht gestattete; um desto mehr richtete sich in derselben das Augenmerk auf ihn; die Schärfe und Klarheit seines Verstandes, der Adel seiner Gesinnung und die Reinheit seiner Vaterlandsliebe veranlaßten die Kronstädter Communität, ihn zu allen von derselben in den Vierziger-Jahren angeregten größeren Reformen, so u. a. zu der in Angriff genommenen Revision und Consolidation der Regulativpuncte beizuziehen. In den für die Siebenbürger bedrängnißreichen Jahren 1848 und 1849 stellte S. seinen Mann. Als in den Märztagen 1849 Kronstadt in die Hände der Insurgenten fiel, verweigerte [315] S., unbekümmert um die ihm drohende Lebensgefahr, der ungarischen Verfassung den Eid der Treue, dem ungarischen Ministerium den Gehorsam und trat, als es der Fürsprache angesehener Freunde und Freundinen gelungen war, ihn zu retten, für die Dauer der Occupation Kronstadts durch die Insurgenten in das Privatleben zurück. Mit der Niederwerfung des Aufstandes und der Wiederherstellung der Ordnung im Lande beginnt S.’s öffentliche Thätigkeit, welcher nur sein Tod ein zu frühes Ende machte. Als in jenen Tagen die Universität – hier ist unter dem Worte Universität nicht ein akademischer Lehrkörper, sondern der specielle siebenbürgische berathende Verwaltungs-Organismus zu verstehen – zusammentrat, nahm S. an den organisatorischen Arbeiten derselben hervorragenden Antheil, verfaßte das Operat über die Eintheilung des Sachsenlandes, wohnte den Berathungen des Ministeriums über die Neugestaltung des siebenbürgischen Verwaltungs-Organismus bei und arbeitete im Ober-Consistorium an den Grundzügen der neuen Kirchenverfassung mit. So war er in allen Richtungen, in denen die Interessen der Nation eine Vertretung forderten, thätig. Wenn die organisatorischen Arbeiten jener Nations-Universität dann, statt in’s Leben zu treten, in den Ministerial-Archiven ihr Grab fanden, so mindert dieß nicht im geringsten Schmidt’s Verdienste um das Gemeinwesen. Als das öffentliche Leben in der Blüthe der Reactionsperiode verstummte, als die sächsische Nation als solche von dem Fürsten Schwarzenberg für todt erklärt ward, als die bisher unabhängigen Magistrate förmlich nur zu Local-Bezirksämtern wurden, welche von anderen Bezirksämtern blos dadurch sich unterschieden, daß, während die Kosten dieser aus der Staatscasse, jene aus Communalmitteln bestritten wurden: da säumte S. nicht, ehe er an seinem Volke zum Verräther werden und diese Eingriffe in die unveräußerlichen Rechte derselben durch sein Mitthun und Verbleiben im Amte billigen wollte, seiner Ueberzeugung zu folgen, derselben seine Stellung zum Opfer zu bringen und sein Amt als Senator niederzulegen. War aber die Nation auch politischerseits todt gemacht, so feierte sie auf religiösem Gebiete dagegen ihre Auferstehung. Die besten Männer des Sachsenvolkes suchten nun auf diesem Gebiete die zerstreuten Nationsgenossen zu sammeln, mit dem Neubau der evangelischen Landeskirche und Schule A. B. auch eine neue Grundlage für das nationale Leben zu schaffen, vom Boden der Kirche aus die Nation zu regeneriren. Unter den opferwilligsten, eifrigsten und unermüdlichsten Förderern dieser Neugestaltung glänzt Schmidt’s Name. Den Geist und Sinn, in dem, er wirkte, bethätigen am besten die Vorstellungen des Burzenländer Bezirks-Curators an das Oberconsistorium wegen Durchführung des dritten Theiles der „Prov. Vorschrift“, das Gutachten des Kronstädter Presbyteriums über die „Prov. Bestimmungen“, dessen intellectueller Urheber er war; beweist sein Auftreten im verstärkten Oberconsistorium in den Landeskirchen-Versammlungen und den Landes-Consistorien. Seine Hauptthätigkeit widmete er von allem Anbeginne der Wirksamkeit der neuen Kirchenverfassung, beinahe ausschließlich der Kirche und Schule. Wohl wirkte er, als im Frühjahre 1861 die Reorganisation auch der sächsischen Verfassung und Verwaltung in’s Leben gerufen wurde, indem er wieder in die Kronstädter Communität eingetreten war, mit der ganzen Macht [316] seines Ansehens und der Kraft seines Geistes für eine Annäherung und Ausgleichung der von Kronstadt vertretenen politischen Richtung mit jener der anderen sächsischen Stühle und Districte, sein Hauptaugenmerk aber galt der Kirche und Schule, deren beider er noch auf seinem Schmerzenslager in seinem letzten Willen gedachte. Sein Nekrologist widmet ihm unter Anderem die inhaltschweren Worte: „Er hatte nicht auf der Tribune im Standesaale geglänzt, ja er war sogar nie Mitglied eines Landtages gewesen, er hatte nie mit der Feder auf seine Volksgenossen einzuwirken versucht, er dürfte kaum je auch nur eine Zeile für den Druck geschrieben haben – aber er gehörte zu jenen edlen Geistern, die in stillem Wirken allezeit und unter allen Verhältnissen im Dienste ihrer Nation stehen, und auch ohne specielles Mandat die Interessen derselben fördern und vertreten – er gehörte zu den Hausgeistern seines Volkes, zu denen es zwar nicht mit staunender Bewunderung emporschaut, deren wohlthätiges Walten aber so zu sagen instinctmäßig herausfühlt“. Wohl Jedem, dem die öffentliche Meinung am Grabe solche Nachrede hält.

Kronstädter Zeitung 1863, Nr. 189, im ersten Artikel: „Am 20. November“.