BLKÖ:Schmalfuß, Anton

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
<<<Vorheriger
Schmal, Karl
Band: 30 (1875), ab Seite: 153. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
in der Wikipedia
Anton Schmalfuß in Wikidata
GND-Eintrag: [1], SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Schmalfuß, Anton|30|153|}}

Schmalfuß, Anton (Schriftsteller, geb. zu Medruschitz, einem Dörfchen in der Nähe von Saatz, 2. Jänner 1821, gest. zu Prag 1. Juli 1865). Der älteste Sohn wohlhabender Landleute, die jedoch, von einem starken Kindersegen belastet – 5 Söhne, 4 Töchter – ihm, den sie die Laufbahn der Studien, für welche er besondere Lust in früher Jugend gezeigt, betreten ließen, nur eine kärgliche Unterstützung angedeihen lassen konnten, und es ihm so zuletzt ganz überlassen mußten, sich fortzubringen. Nachdem er in Saatz das Gymnasium beendet, ging er nach Prag, wo er die philosophischen Studien zurücklegte. Als Privatlehrer, nicht selten bitteren Mangel leidend, erwarb er sich seinen Lebensunterhalt. Nachdem er noch den zweijährigen Curs des Schullehrer-Seminars, wie alle früheren Studien mit Auszeichnung beendet, bewarb er sich um ein Lehramt an einem Gymnasium oder an einer Hauptschule. Da es aber unter den zahllosen Bewerbern an Schützlingen nicht fehlte, die sich fördernder Protection erfreuten, und er bei der Geradheit seines Wesens jedes Bücken und Buhlen um Gunst verschmähte, so kam er zu nichts und begann auf den Rath einiger Freunde, da er sich dadurch eine raschere, wenn auch nur sehr bescheidene Existenz schaffen konnte, die Studien am Prager Polytechnicum. Nachdem er dieselben in vier Jahren beendet, erhielt er im Februar 1848 bei der Katastralvermessung in Wien eine provisorische Anstellung für Krakau. Da unterbrachen die Märzereignisse genannten Jahres seine Thätigkeit, die Arbeiten hörten mit einem Male auf, S. war ohne Stelle und genöthigt, sich nach einer anderen Beschäftigung umzusehen. Er ging zunächst nach Wien. Mit Löhner [Bd. XV, S. 390] befreundet, widmete er der von diesem herausgegebenen Zeitung seine literarische Thätigkeit und betheiligte sich mit großem Eifer an der Bildung des Vereins der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien, dessen Organisirung damals zur Aufrechthaltung der von mehreren Seiten bedrohten Nationalität mit Nachdruck betrieben wurde, und woran außer Löhner noch Auspitz, Bayer, Kuh, Schmalfuß, Strache, [154] Suttner und Adam Wolff lebhaft sich betheiligten. Daß man diese Partei damals in Wien als den „deutschen Michel“ verspottete, focht Männer von der Denkungsart S.’s am wenigsten an. Ihres Zweckes und Zieles sich bewußt, verfolgten sie dieselben mit energischer Ausdauer, welche freilich den Stürmen der nächsten Monate nicht gewachsen war, so daß sie erst nach Jahren wieder sich sammeln und das fallen gelassene Programm von Neuem aufnehmen konnten. Vom Spätherbste dieses denkwürdigen Jahres an gab sich S. einem ununterbrochenen, an Vereinsamung grenzenden literarischen Stillleben mit entschieden schriftstellerischer Thätigkeit nach zwei verschiedenen, von ihm aber mit gleicher Liebe umfaßten Richtungen hin, zu denen er durch sein Vorleben auch den Beruf hatte, nämlich nach der historischen und nach der landwirthschaftlichen Richtung. Mit jener beginnend, arbeitete er sein schon seit früheren Jahren planmäßig gesammeltes Materiale zu dem einzigen selbstständigen Buche, das er herausgegeben hatte, aus: „Die Deutschen in Böhmen. Geschildert in geogr.-statistischer, staatswirthschaftlicher, volksthümlicher und geschichtlicher Beziehung. Mit einer ethnogr. (gest.) Karte von Böhmen“ (Prag 1850, gr. 12°.). Seine übrige Wirksamkeit erschöpfte sich in umfassenden Redactionsgeschäften, denn er war durch viele Jahre Mitredacteur an den beiden, von der k. k. patriotisch-ökonomischen Gesellschaft in deutscher Sprache herausgegebenen landwirtschaftlichen Zeitschriften, ferner Redacteur des von Komers herausgegebenen „Landwirthschaftlichen Jahrbuches“, einer der tüchtigsten periodischen Publicationen Oesterreichs in diesem Fache, das mit jedem Jahre an Inhalt und Gehalt zunimmt, und zuletzt auch Redacteur der „Mittheilungen des Vereins für die Geschichte der Deutschen in Böhmen“, welche gleichfalls aus fast unscheinbaren Anfängen zu ernsterer geschichtlicher Bedeutung gelangt sind und durch die Mannigfaltigkeit ihrer theils streng wissenschaftlichen, theils anregenden Aufsätze ihre Wirksamkeit im hohen Grade behaupten. Was seine Wirksamkeit in letzterer Richtung betrifft, so verstand er es, eben den genannten „Mittheilungen“ allgemeineren Werth beizulegen, und gewiß ließ sich für dieselben ein „gelehrterer“ Redacteur finden, aber kaum einer, der die Verhältnisse in Böhmen genauer kannte wie er, und niemals einer, der so ganz ohne Selbstsucht, fern von aller Cotterie und persönlicher Eitelkeit, nur der Sache, nur dem Wissen, Können und Wollen seiner Landsleute unverfälscht zu dienen bereit war. Seit zwei Decennien verband ihn innige Freundschaft mit dem charakterfesten, als Abgeordneten Böhmens im 1848ger Reichstage unvergeßlichen Alois Borrosch [Bd. XXIII, S. 362] mit dem ihn gleiches politisches Streben und gleiche praktische Arbeit einigte. Borrosch war es auch, der die Nachricht von dem Ableben seines in der Vollkraft seiner Jahre verblichenen Freundes dem Publicum im Partezettel kundgab. Als ein Charakterzug des Mannes kann auch die Thatsache gelten, daß er als ältester Sohn eines wohlhabenden Wirthschaftsbesitzers berechtigt, das Erbe nach dem Tode seines Vaters anzutreten, darauf zu Gunsten seiner Geschwister verzichtete und es vorzog, im Joche der Selbsterhaltung, das ihm manche bittere Stunde auferlegte, weiter zu ziehen. Der Leichenzug, der dem Verblichenen das Ehrengeleite zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Wolschaner Friedhofe gab, und an dem sich die ersten wissenschaftlichen und [155] politischen Notabilitäten Prags, die Mitglieder des Landesausschusses, die Landtags-Abgeordneten, die Vertreter aller Facultäten der Hochschule u. s. w. betheiligten, zeigte es, von welcher Bedeutung dieser schlichte Mann gewesen, in welcher Achtung er bei Freund und Feind gestanden.

Prager Tagesbote 1865, Nr. 182. – (Hoffinger, J. Ritter v.) Oesterreichische Ehrenhalle, III. 1865 (Wien 1866, A. Schweiger u. Comp., gr. 8°.) S. 66. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 304 u. 305: „Correspondenz aus Prag ddo. 3. und 4. Juli“. – Komers (A. E.), Jahrbuch der österreichischen Landwirthe für 1867, S. 351. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1865, Nr. 183.