BLKÖ:Scanagatta, Franziska

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 29 (1875), ab Seite: 7. (Quelle)
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Scanagatta, Franziska (k. k. Lieutenant, geb. zu Mailand 1. August 1776, gest. ebenda im Jänner 1865). Die Tochter wohlhabender und angesehener Eltern, erhielt sie eine sorgfältige Erziehung und wurde, um ihren schwächlichen Körper zu kräftigen, frühzeitig an Leibesübungen gewöhnt. So entwickelte sich in ihr, im Gegensatze zu ihrem Bruder Giacomo, der einen ganz weibischen Charakter besaß, ein entschiedener männlicher Sinn, der noch durch Lecture genährt wurde. Ihre Ausbildung erhielt Franziska im Sophienkloster bei den sogenannten Dame della visitazione, einem Convente, der sich sogar der Beachtung des Kaisers Joseph II. erfreute, als er ihn aus der Liste der aufzuhebenden Klöster strich. Indessen sollte Bruder Giacomo in der Wiener-Neustädter Akademie für den Soldatenstand ausgebildet werden. Kurz zuvor erkrankte der Bruder und vertraute seiner Schwester seine unüberwindliche Abneigung gegen den Soldatenstand. Zu jener Zeit dauerte eine Reise von Mailand nach Wien mehrere Wochen, und zugleich mit Giacomo, den der Vater in die Militär-Akademie nach Wiener-Neustadt geleiten wollte, sollte Franziska mitreisen, um in Wien bei den Salesianerinen zu ihrer weiteren Ausbildung untergebracht zu werden. Der größeren Sicherheit wegen wurde in der damaligen, bereits ziemlich bewegten Zeit beschlossen, daß Franziska in männlicher Verkleidung mitgehen sollte. Da Bruder Giacomo nicht als unmittelbarer Zögling, sondern als sogenannter Externist die Akademie in Wiener-Neustadt besuchen sollte, hatte Franziska’s Vater bei einem ihm von früher her befreundeten Oberarzte in Wiener-Neustadt, Dr. Haller, angefragt, ob sein Sohn Giacomo während seines Besuches der Akademie bei ihm Kost und Wohnung finden würde. Alle diese Umstände zusammengenommen, kamen dem Vorhaben Franziska’s, für ihren Bruder Giacomo in die Akademie zu treten, zu Hilfe. Als nun gar der Vater durch Geschäfte gehindert ward, seine [8] Kinder selbst an ihren Bestimmungsort zu geleiten und dieselben einem bekannten Ehepaare, Namens Giuliani, übergab, das eben im Begriffe stand, nach Wien zu reisen, stellten sich dem Vorhaben Franziskas nur mehr so geringe Hindernisse zur Ausführung ihres Vorhabens entgegen, daß sie dieselben mit List und Muth glücklich überwand, und in ihrer Verkleidung als Signor Francesco und Externist der Wiener-Neustädter Militär-Akademie, ohne irgend wie Verdacht zu erregen, bei Haller Aufnahme fand. Als sie ihren Schritt dem Vater entdeckte, war dieser in allem Anbeginne wohl außer sich und wollte sofort nach Wiener-Neustadt reisen und der Maskerade ein Ende machen, aber inständiges Flehen Franziska’s mit ihrer entschiedenen Absicht, in der selbsterwählten Bahn zu verbleiben, bewogen den Vater, sich einstweilen in die Verhältnisse zu fügen und seine Tochter gewähren zu lassen. Das Alles, was im Vorstehenden nur oberflächlich angedeutet ist und in seinen Verwickelungen und Lösungen einen köstlichen Lustspielstoff böte, erzählt nach Franziska Scanagatta’s eigenen Aufzeichnungen oder Mittheilungen Lombroso in seinen „Vite de' primarj generali ed ufficiali italiani“. Seit 1. Juli 1794 besuchte Franziska als Externist, ohne daß Jemand und selbst Haller und seine Familie es ahnten, daß unter dem Soldatengewande ein Weib verborgen sei, die Neustädter Militär-Akademie und verlegte sich mit Fleiß und sichtlichem Erfolge auf das Studium der französischen und englischen Sprache und der mathematischen Wissenszweige, welche einen Hauptgegenstand der militärischen Ausbildung ausmachen. Sie bedurfte aller Vorsicht und Schlauheit, um ihr Geschlecht nicht zu verrathen, was ihr auch vollkommen gelang. Nach dritthalbjährigem Besuche der Akademie wurde Franziska, nachdem sie eine ausgezeichnete Prüfung, gemacht, am 16. Jänner 1797 zum Fähnrich im Warasdiner-St. Georger Grenz-Regimente ernannt, welches damals am Rhein stand. Sofort erhielt S. Befehl, einen Transport Recruten des Regiments aus Ungarn nach Mainz zu führen, wo das betreffende Bataillon, bei dem S. eingetheilt war, damals eben sich befand. Mit seinem Bataillon wechselte nun Fähnrich Scanagatta innerhalb Jahresfrist oftmal den Standort, Franziska kam zuerst nach Böhmen, dann nach Schlesien, wo sie zuerst in Troppau, dann in Jägerndorf in Station war, Mitte März 1798 nach Steiermark und nach einigem Aufenthalte daselbst nach Klagenfurt. Alle Märsche, Strapazen, Entbehrungen ertrug Franziska mit männlichem Gleichmuthe, strenge das Geheimniß ihres Geschlechtes behütend. Sobald sie eine Besorgniß hatte, entdeckt zu werden, oder daß Verdacht aufstieg, wußte sie es immer dahin zu bringen, daß sie mit irgend einem Auftrage entfernt oder transferirt wurde. So geschah es, daß sie Mitte August 1798 nach Brünn in Mähren ging, um von dort zum 4. Bataillon des Infanterie-Regiments Wenzel Colloredo, welches zu Lublin in Polen stand und wohin sie eingetheilt worden, sich zu begeben. Daselbst machte sie die aufreibenden Märsche nach verschiedenen Stationen den ganzen Winter hindurch bis in den Frühling 1799 mit, in welcher Zeit sie krank wurde und nicht geringe Mühe hatte, sich während der ärztlichen Behandlung vor Entdeckung zu bewahren. Im Frühlinge 1799 bekam sie, kaum genesen, ihre Bestimmung zum Deutsch-Banater Regimente und gelangte [9] im April g. J. nach Pancsowa, wo sie mehrere Monate verweilte. Aber die Unthätigkeit daselbst sagte ihr wenig zu und sie bat selbst, zur Armee, welche im Felde stand, übersetzt zu werden; so geschah es, daß sie zum Bataillon, welches zur Blockade Genua’s commandirt war, eingetheilt wurde. Franziska kam in den ersten Tagen des December 1799 nach Borzonasco. Als Klenau wegen Mangel an Munition die Belagerung Genua’s aufgeben mußte und sich langsam nach der Lombardie zurückzog, bestimmte er bei seiner Ankunft in Palazzuolo, daß eine Abtheilung des Deutsch-Banater Bataillons unter Befehl des Lieutenants Pavik und Fähnrichs Scanagatta den Punct Barba gelata so lange zu halten habe, bis die Arrièregarde des Belagerungscorps Palazzuolo passirt haben würde. Der Auftrag war ein um so ehrenvollerer, als der Feind die sich zurückziehende Armee energisch verfolgte und wo sich ihm Gelegenheit darbot, angriff. Hier nun war es, wo Fähnrich Scanagatta, der übrigens seinen Muth öfter schon erprobt hatte, denselben in glänzendster Weise wieder bethätigte; aber hier war es auch, wo durch eine schwere Verwundung die Maske nicht länger zu halten war. Franziska, die lange jeden nur denkbaren Widerstand entgegengestellt, sah sich, als ihr Leben gefährdet war, gezwungen, dem Feldpater, den sie zu sich hatte entbieten lassen, das Geheimniß ihres Geschlechtes zu entdecken. Der Vater, von der Verwundung seiner Tochter in Kenntniß gesetzt, scheint nun ohne ihr Vorwissen bereits Schritte bei der Militärbehörde gethan zu haben, denn, nachdem die Wunde so weit geheilt war, daß sie reisen konnte, erhielt Franziska, welche am 1. März 1800 zum Lieutenant befördert worden, ohne ihr eigenes Zuthun unbestimmten Urlaub mit der Weisung, in den Schooß ihrer Familie zurückzukehren. Nun hatte auch ihre militärische Laufbahn ein Ende, sie kam um ihre Entlassung ein und erhielt sie von Kaiser Franz I. unter dem 10. December 1801 mit der standesmäßigen Pension und der Begünstigung, dieselbe auch im Auslande verzehren zu können. Franziska lebte nun in Mailand, wo sie nach einiger Zeit der Lieutenant Spini kennen lernte und um ihre Hand warb, welche sie ihm auch am 16. Jänner 1804 reichte. Mit ihrem Gatten, dem sie in einer 28jährigen Ehe vier Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter, gebar, lebte sie in Mailand, und als Spini im Jahre 1832 als Major starb, erhielt Franziska nebst ihrer Lieutenants-Pension auch noch die Majors-Pension ihres Gatten, den sie um 33 Jahre überlebte. Franziska starb im hohen Alter von 90 Jahren. Das Vorstehende ist nach authentischen Mittheilungen und nach ihren eigenen Aufzeichnungen zusammengestellt. Eine Dame, welche die Heldenfrau persönlich kannte, schilderte sie als häßlich und klein, mit einem durch vieles Rasiren entwickelten ziemlichen Schnurbart. Als sie noch Officier war, bestand sie mit einem Kameraden, der sie ihrer Kleinheit wegen verspottet hatte, ein Duell, in welchem sie ihren Gegner verwundet hatte. Sie wäre, heißt es irgendwo, mit zwei Orden decorirt worden und hätte die Orden nicht tragen dürfen, jedoch wäre es ihrem Sohne gestattet worden, die der Mutter verliehenen Orden zu tragen!!!

Militär-Zeitung. Herausg. von Hirtenfeld (Wien, 4°.) 1863, S. 499. – Oesterreichische militärische Zeitschrift. Herausg. von Streffleur (Wien, gr. 8°.) I. Jahrg. (1860), Bd. III, S. 351: „Lieutenant Franziska Scanagatta“. – Hirtenfeld [10] (J.). Oesterreichischer Soldatenfreund (Wien, 4°.) 1851, S. 415; 1853, S. 501. – Didaskalia (Frankfurter Unterhaltungsblatt, 4°.) 1865, Nr. 23 u. 24. – Deutsche allgemeine Zeitung 1665, Nr. 17. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 1865, Nr. 19 u. 23. – Frankfurter Konversationsblatt (4°.) 1853, Nr. 87 u. 88: „Fähnrich Scanagatta“. – Porträte. 1) Im Kupferstich im oberwähnten Werke Lombroso’s; – 2) im Holzschnitt von W. B. in Streffleur’s „Oesterr. militär. Zeitschrift“ 1860, Bd. III, S. 351. –