Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Salvi, Matteo
Band: 28 (1874), ab Seite: 157. (Quelle)
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Salviati, Anton (Mosaikkünstler in Venedig, Zeitgenoß). Die Kunstgeschichte weiß nicht genug des Rühmlichen von der Glaskunst der alten Venetianer zu berichten, welche dieselbe seit dem 11. Jahrhunderte ausübten. Die ersten bestimmten Nachrichten rühren aus dem Jahre 1090 her, von welcher Zeit bis zum Jahre 1291 die Glasfactoreien und Glasöfen in Venedig so zunahmen, daß der große Rath der Republik – ob wegen Feuersgefahr oder aus anderen Ursachen, ist nicht bekannt – dieselben nach der nahegelegenen Insel Murano verlegte. Dabei erhielt die Zunft ihr eigenes, höchst interessantes Statut, welches für jede der vier Classen derselben: 1) die Glasbläser, 2) die Spiegel- und Fensterglasverfertiger, 3) die Perlenmacher und 4) die Arbeiter in Stäben und Emails oder Schmelzgläsern, bindend war und ebenso schwere Strafen über Jeden verhängte, der einen Anderen als einen Eingebornen in seiner Kunst unterrichtete, als auch Privilegien enthielt, welche die Bürger von Murano weit vor allen anderen Bürgern Venedigs auszeichneten. Unter solchen Umständen [158] machte die Glaskunst große Fortschritte und im 16. und 17. Jahrhunderte genoß die Republik davon ein Jahreseinkommen von acht Millionen Ducaten. Mit dem 18. Jahrhunderte begann die Kunst wieder abzunehmen, um mit dem Sturze der Republik gänzlich zu verfallen. In Oesterreich wurden die Fabriken Böhmens, Steiermarks und Kärnthens ermuthigt, während die Statuten und Gesellschaften der Muranesen bei dem herrschenden politischen Mißtrauen mit argwöhnischen Blicken und als gefährlich betrachtet wurden. Demzufolge verließen dann die verschiedenen Maestri nach und nach ihre Insel und zogen in fremde Länder, wo sie nun die Geheimnisse ihrer Kunst zu verwerthen suchten. Nur die Perlenfabrication behauptete ihren alten Ruhm, und den Venetianer Glasperlen kam nichts gleich. Da begannen im Jahre 1836 Lorenzo Radi und Francesco Torcellan – beide Muranesen – ihre Versuche, die verloren gegangenen Geheimnisse der altberühmten Venetianer Glaskunst wieder zu finden und erhielten im Jahre 1840 für ihre Gold- und Silberemails von der Venetianer Akademie die goldene Medaille. Vergleiche die Biographie von Lorenz Radi im Bande XXIV, S. 196, dieses Lexikons. Nun aber wären Radi’s und Torcellan’s Bestrebungen ohne weiteren Erfolg geblieben, wenn nicht Dr. Salviati, ein unternehmender und kunstliebender Rechtsgelehrter, des Gegenstandes sich mit aller Energie angenommen hätte. Mit seinem Freunde, dem Abbate Zanetti, arbeitete S. daran, diese alten Werkstätten der Kunst von Neuem in’s Leben zu rufen. In der That eröffnete Salviati eine Mosaikschule, wählte die besten Künstler aus der venetianischen Akademie, berief einen der vorzüglichsten Musivarbeiter aus Rom und gründete eine Bildungsclasse für Arbeitsleute. Die Art und Weise des dabei beobachteten Vorganges, so interessant er sein mag, fällt außerhalb des Rahmens dieses Werkes. Der Schwerpunct der Leistungen in der durch Dr. Salviati in’s Leben gerufenen Mosaikschule besteht aber darin, daß, während bisher die Musivarbeit nur an Ort und Stelle ausgeführt werden konnte, jetzt die einzelnen Stücke, die sogenannten Tesserae, in jedem dazu eingerichteten Atelier gearbeitet wurden; Salviati lehrte die Leute die Cartons umkehren und die Tesserae mit der Oberfläche abwärts einsetzen, indem ein grobes Papier, auf welchem sich eine rohe, mit Paste bedeckte Skizze des Cartons befindet, dazu dient, dieselbe zusammenzuhalten. Wenn der Gegenstand vollendet ist, wird er sorgfältig eingepackt und an seine Bestimmung gesendet, wo ein geschickter Künstler ihn mit einem besonderen Cement an die Wand oder Kuppel befestigt, und dieser Cement soll, wie Salviati behauptet, ganz derselbe sein, dessen die Alten sich bedienten. Auf diese Weise sind in Salviati’s Musiv-Atelier im Laufe eines Jahres (1869) 6400 Geviertfuß Mosaik verfertigt worden. Davon kostet ein Geviertfuß der feinsten Sorte 125 Frcs., der gröbsten 40 Frcs. Bei diesem glücklichen Fortgange fehlte es nicht an Mitteln, um das Gedeihen der Anstalt zu fördern. Es fand sich eine englische Gesellschaft, welche größere Summen vorstreckte, und so setzte Salviati seine Arbeiten, zugleich aber immer neue und darunter höchst interessante Versuche, fort. Später richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Wiederbelebung der Glasbläserei, deren Geheimnisse auch verloren gegangen waren. In DoImenico Bussolin’s kleiner Flugschrift: [159] „Les célèbres Verrieres de Venise et de Murano“ finden sich die interessantesten Aufschlüsse darüber. Auch nach dieser Richtung hatte Dr. Salviati namhafte Erfolge aufzuweisen. Freilich sind mitunter die Kosten wegen der Schwierigkeit des Gelingens bei besonders schönen Stücken ungeheuer groß und auch sonst sehr bedeutend, da die Löhne der einzelnen Arbeiter für die Woche zwischen 2 bis 4 Pfund Sterling schwanken und die Arbeit der ungeheuren Hitze wegen, welche der Einzelne dabei auszuhalten hat, so lebensgefährlich, daß die Wenigsten das Alter von 40 Jahren erreichen. Salviati’s im Jahre 1861 in Venedig errichtete Emailmosaik-Anstalt erlangte alsbald einen Ruf und eine Wirksamkeit weit über die Grenzen Europa’s. Die ersten Mosaiken, welche Dr. S. herstellte, waren die Schilderungen aus der Offenbarung in S. Marco zu Venedig, wobei er die alten Mosaiken in der Mannigfaltigkeit der Abstufungen des farbigen Schmelzes und des Goldemails noch übertraf. Alsdann decorirte er die Säle im Palaste des Vicekönigs von Egypten; lieferte für die Wolseycapelle in Windsor mehrere reiche Mosaikbilder nach Cartons von Clayton und Bell, andere für die Kuppel der Paulskirche nach Cartons von Stevens, wieder andere für das Kensington-Museum, für den Saal des Parlaments und für nicht weniger denn 50 englische Kirchen. Auf dem Festlande hat er für das Innere des Aachener Doms und für Wien gearbeitet. Im Jahre 1868 wurde ihm die Herstellung sämmtlicher Mosaiken von San Marco in Venedig übertragen. Das in London erscheinende Cornhill-Magazin enthält im Jahrgange 1869 eine sehr eingehende Darstellung der Anstalt des Dr. Salviati mit besonderem Hinblicke auf die Geschichte des venetianischen Glases und der Email-Mosaik.

Gazzetta uffiziale di Venezia 1863, No. 117, im Feuilleton: „Lo stabilimento patrio di mosaici, tarsie di smalti, e calcedonie del Dre Antonio Salviati di Venezia“, di Alberto Errera. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1865, Nr. 338 u. 405; 1866, Nr. 746: „Die Restaurations-Arbeiten in Venedig unter österreichischer Herrschaft“. – Wiener Zeitung 1865, Nr. 192.