BLKÖ:Saar, Ferdinand von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 28 (1874), ab Seite: 4. (Quelle)
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Saar, Ferdinand von (österreichischer Poet, geb. zu Wien 30. September 1833). Ueber die Lebensverhältnisse dieses vielversprechenden Poeten Oesterreichs der Gegenwart ist nur wenig zu sagen. Sein Vater Ludwig, Sohn des k. k. Oberpostamts-Controlors Adam von Saar, starb, nachdem Ferdinand erst fünf Monate alt war, in noch jungen Jahren und nach anderthalbjähriger Ehe mit Karoline von Nespern, einer Tochter des Hofrathes und Vorstandes der Erbsteuer-Hofcommission Ferdinand Edlen von Nespern. Die verwitwete Mutter zog nun mit ihrem Sohne in das Haus des Großvaters, wo noch eine zweite gleichfalls verwitwete Tochter mit ihren Kindern, Nina Pettenkofer, Mutter des berühmten Malers August Pettenkofer (irrig oft Pettenkofen genannt) [Bd. XXII, S. 133], ihre Witwenschaft verlebte. Maler Pettenkofer ist somit ein leiblicher Vetter des Dichters Ferdinand von Saar. Doch die Altersverschiedenheit zwischen beiden Vettern – Pettenkofer (geb. 1821) war um 12 Jahre älter als Saar – war zu groß, um zwischen zwei in verschiedenen Richtungen so eminenten Talenten ein engeres Verhältniß zu ermöglichen. Die unteren Schulen und das Gymnasium besuchte S. in Wien, letzteres bei den Schotten, wo er u. A. den jetzigen Abt und niederösterreichischen Landesmarschall Othmar Helferstorffer zu seinem Lehrer hatte. Im Jahre 1849, also bereits im Alter von 16 Jahren, trat S. auf Wunsch seines Vormundes in die kaiserliche Armee, in welcher er im Jahre 1854 Lieutenant wurde. Nach beendetem Feldzuge im Jahre 1859 trat er wieder aus derselben, um ganz seinen dichterischen Bestrebungen und seiner durch den Militärdienst unterbrochenen geistigen Ausbildung leben zu können. Die ersten Anfänge seiner poetischen Bestrebungen reichen wohl in sein 17. oder 18. Lebensjahr zurück, welche durch kleine, im Knabenalter extemporirte Theaterstücke und eine nicht zu stillende Leselust vorbereitet wurden. Den eigentlichen Anstoß aber gaben die Gedichte Lenau’s [Bd. XX, S. 324], deren berückender Zauber auch ihn erfüllte. Dazu gesellte sich noch vornehmlich A. Grün. Ein in jener Zeit entstandenes fragmentarisches Gedicht: „Faust“ hat S. während seiner Soldatendienstzeit verloren. Die Bekanntschaft mit Stephan von Millenkovics, [5] in Dichterkreisen unter dem Pseudonym Steph. Milow [Bd. XVIII, S. 320] bekannt, der gleichfalls Officier war und mit Saar im Jahre 1854 auch in Wien in Garnison lag, trug wesentlich dazu bei, den jungen Poeten in seinen Bestrebungen zu fördern, der in jener Zeit durch das Studium der deutschen Literaturgeschichte von Julian Schmidt eine wenngleich einseitige, aber immerhin genauere Kenntniß dieses inhaltreichen und steter Forschung würdigen literarischen Gebietes erhielt. An die literaturgeschichtliche Kenntniß schloß sich nun jene der Dichterheroen Deutschlands und des Auslandes, vornehmlich Shakespeare’s, Goethe’s, Heinrich’s von Kleist, Hebbel’s, Otto Ludwig’s an, welcher sich, nach des Dichters eigenem Bekenntniß, ziemlich spät auch jene Schiller’s und Grillparzer’s anreihte, welche Beiden ihm aber dann auch unversiegbare Quellen hehren geistigen Genusses wurden. Auch war er fleißig bemüht, die Lücken auf wissenschaftlichem Gebiete durch das Studium und die Lectüre der bedeutendsten Werke der Wissenschaft in verschiedenen Disciplinen auszufüllen. Die tiefste und nachhaltigste geistige Förderung erhielt S., nach eigenem, dem Herausgeber dieses Lexikons gemachten Geständnisse durch die Werke Arthur Schopenhauer’s, die merkwürdiger Weise, während sie auf ältere Leser oft eben keinen wohlthuenden Einfluß üben, auf jüngere Gemüther meist mächtig und gewöhnlich sehr fördernd einwirken. Die Zahl der von dem Dichter bisher durch den Druck veröffentlichten Arbeiten ist, einige kleinere, in Zeitschriften und Jahrbüchern zerstreuten aufgenommen, im Hinblick darauf, daß S. bereits über 40 Jahre alt ist, eben nicht groß. Die Titel derselben sind in chronologischer Folge: „Hildebrand. Trauerspiel in fünf Acten“ (Heidelberg 1863, Weiß, 8°.); – „Innocens. Ein Lebensbild“ (ebd. 1866, 12°.); – „Heinrich’s Tod. Trauerspiel in fünf Acten“ (ebd. 1867, 8°.), „Hildebrand“ und „Heinrich’s Tod“ bilden zusammen Ein Werk mit dem Titel: „Kaiser Heinrich der Vierte. Ein deutsches Trauerspiel. Erste und zweite Abtheilung“, wovon eine verbesserte Auflage in Einem Bande (ebd. 1872, 8°.) erschienen ist; – „Marianne. Eine Novelle“ (ebd. 1873,12°.). Die genannten Dichtungen fanden in der Lesewelt eine ungemein günstige Aufnahme und selbst der alte Grillparzer interessirte sich für den jungen Poeten, der ihm durch Frau Auguste von Littrow vorgestellt wurde, wie dieß diese Dame in ihrer Schrift: „Aus dem persönlichen Verkehre mit Franz Grillparzer“ (Wien 1873, Rosner, 8°.) S. 123 u. f., berichtet. Von anderen Arbeiten, welche der Dichter bereits druckfertig liegen oder doch unter der Feder haben soll, erwähnten die Blätter von einem dramatischen Werke, betitelt: Tassilo; von anderer Seite erfährt der Herausgeber dieses Lexikons, daß eine Novelle aus dem Arbeiterstande: „Die Steinklopfer“, zur Ostermesse 1874 erscheinen soll[1] und der Dichter gegenwärtig an einem größeren politischen Trauerspiel: „Die Brüder de Witt“, und an einer Novelle: „Die Geigerin“, arbeite. Angesichts der gegenwärtigen Production auf dem Felde der Poesie, die völlig entartet in das Gebiet der Urning-Literatur einschlägt und deren Chorführer Ritter von Sacher-Masoch [s. d. S. 22] ist, ist es förmlich wohlthuend, solchen Arbeiten zu begegnen, wie sie uns Saar’s keusche Muse darbringt. Bezeichnend sind die Worte, welche der philosophische Schriftsteller und Aesthetiker [6] Dr. Rudolph Zimmermann über Saar schreibt: „Ein Dichter, welcher mit Erstlingswerken, wie „Innocens“ und „Kaiser Heinrich der Vierte“, so verschieden der Gattung nach und doch jedes gehalten und vollendet seiner Art, beginnt, weckt mit Recht große Erwartungen. Conception und Ausführung stehen ihm gleichmäßig zu Gebote; an national-deutschem Sinn thut er es den besten der Mitlebenden gleich, an sittlicher Reinheit vielen derselben zuvor. Was aber die vielleicht an seinen Dramen zu vermissende „Bühnengerechtigkeit“ betrifft, wäre es, sollten wir meinen, Sache der deutschen Bühnenvorstände, den Dichter in den Stand zu setzen, hierüber Erfahrungen zu machen.“ Der Dichter lebt gewöhnlich in Wien und in den letzteren Jahren in Döbling bei Wien. Im Herbste 1873 unternahm er in Gesellschaft mit seinem Freunde Stephan Milow eine Reise nach Rom und verlebte nach seiner Rückkehr den Winter 1873/74 bei demselben zu Ehrenhausen in Steiermark. Saar ist mit der vorerwähnten Künstlerfamilie gleichen Namens verwandt.

Wiener Rothbuch. Kalender für das Schaltjahr 1872. Herausg. von Karl Linder und F. Groß (Wien 1872, C. Fromme, 8°.) S. 59 [mit des Dichters wenig ähnlichem Bildniß im Holzschnitt]. – Oesterreichische Gartenlaube (Gratz, 4°.) III. Jahrg, Nr. 19, S. 75. – Presse (Wiener polit. Journal, kl. Fol.) 1872, Nr. 237, im Local-Anzeiger. – Linzer Zeitung 1868, Nr. 165: „Zwei österreichische Dichter der Neuzeit“ [der eine ist Ferd. v. Saar, der andere Stephan v. Milow]. – Wiener Zeitung (gr. 4°.) 1867, Nr. 68: über Innocens und Kaiser Heinrich IV-, von R(obert) Z(immermann). – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) Jahrg. 1865, S. 598, und 1867, S. 273, über Heinrich IV., beide Abtheilungen; 1867, S. 413, über Innocens. – Debatte (Wiener polit. Blatt) 1868, Nr. 135. – Kurz (Heinrich), Geschichte der deutschen Literatur mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller (Leipzig 1872, B. G. Teubner, schm. 4°.) Bd. IV, S. 37 b, 55 a, 507 a, 648 a, 701 b.

  1. So eben auch im nämlichen Verlage, wie S.’s schon erwähnte Werke, erschienen.