Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Ruzicka, Wenzel
Band: 27 (1874), ab Seite: 317. (Quelle)
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Ruzička, Joseph (evangelischer Theolog, geb. zu Polensk im ehemaligen Časlauer Kreise Böhmens am 15. März 1808, gest. zu Prag anfangs August 1872). Der jüngste Sohn armer Eltern, besuchte zuerst die Stadtschule zu Kruzburk und kam über Verwendung des dortigen Superintendenten Jacob Beneš im Jahre 1821 an das evangelische Gymnasium zu Modern in Ungarn, wo er das Gymnasium beendete, worauf er nach Preßburg ging und dort die philosophischen und theologischen Studien hörte. Als Candidat der Theologie kehrte er 1831 in seine Heimat zurück. Als österreichischer Unterthan konnte er nicht [318] eine deutsche Universität beziehen, wie ungarische protestantische Studiosen sich dieses Vorrechtes erfreuen, und die Armuth seiner Eltern hinderte ihn, seine theologischen Studien an der protestantischen Facultät in Wien zu beenden. So bildete sich denn R. im Predigtamte aus und folgte im Jahre 1834 einem Rufe als zweiter Prediger und dann als Lehrer an die deutsche evangelische Kirche in Prag. Daselbst that er sich im Schulamte so hervor, daß er im Jahre 1854 zum Director der dortigen Hauptschule ernannt wurde. Im Jahre 1863 erfolgte seine Ernennung zum zweiten Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde in Prag und zugleich wurde ihm der Religionsunterricht in den Mittelschulen in Prag übertragen. Nach einiger Zeit trat er in Ruhestand. In seiner Wirksamkeit zeigte sich R. als würdiger wahrer Seelenhirt, dem das sittliche Wohl seiner Gemeinde im Sinne einer zeitgemäßen Aufklärung sehr am Herzen lag. Keine Gelegenheit ließ er vorübergehen, um dasselbe mit allen dem Priester zugänglichen Mitteln in Wort und Schrift und durch eigenes Beispiel zu fördern. Vom Jahre 1859 an übernahm er auch die Seelsorge bei der in Prag und in der nächsten Umgebung stationirten evangelischen Militärmannschaft. Besonders ist es die humanistische Richtung, die er nach jeder Seite, vornehmlich auch durch schriftstellerische Thätigkeit förderte, denn seine für das Volk berechneten, dessen Heranbildung zu klaren und humanen Anschauungen der verschiedenen Lebensverhältnisse bezweckenden Andachts-, Unterrichts- und sonstigen Schriften gelten als pädagogische und volksthümliche Musterschriften. Im Jahre 1855 begründete er bei seiner Schule einen Verein gegen die Thierquälerei, dessen Ergebnisse so günstig waren, daß ihm der Wiener und Münchener Verein deßhalb die Ehrenmedaille zuerkannten. Anläßlich der goldenen Hochzeit seiner Eltern im Jahre 1842 stiftete er zum bleibenden Andenken an diese Familienfeier eine Schulbibliothek in Kruzburk und im Jahre 1859 anläßlich seiner 25jährigen Wirksamkeit als evangelischer Priester gründete er einen Pensionsfond für die bei der evangelischen Kirche Bediensteten, ihre Witwen und Waisen, welcher Fond im Jahre 1868 bereits die ansehnliche Summe von 10.000 Gulden erreicht hatte. Als Schriftsteller, vornehmlich in čechischer Sprache, ließ er theils mehrere selbstständige Arbeiten, theils mehrere Uebersetzungen in der Literatur anerkannter Schriften erscheinen. Die Titel der von ihm herausgegebenen selbstständigen Schriften sind: „Diplomatische Geschichte der deutschen evangelischen Gemeinde A. C. in Prag, eine Denkschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Einweihung des Bethauses derselben“ (Prag 1841); – „Řeč při svěcení slavnosti padesátiletého manželství svých vodicův v modlitebnici církve knizburecké“, d. i. Rede, gehalten zur Feier der fünfzigjährigen Ehe seiner Eltern in der evangelischen Kirche zu Kruzburk (Prag 1845, 8°.); – „Slavnost ordinační čili posvěcení na úřad kazatelský pana Eduarda Molnára .... dne 9. března 1853“, d. i. Feier der Ordination oder Einweihung zum Predigeramte des Herrn Ed. Molnar .... am 9. März 1853 (Prag 1854, Spurny, 8°.); im Jahre 1849 begann er in Gemeinschaft mit Pfarrer Kossuth [Bd. XIII, S. 6] die Herausgabe des čechischen Kirchenblattes für evangelische Christen: „Českobratrský hlasatel“, d. i. Der böhmisch-brüderliche Verkündiger, der später unter dem Titel: „Českobratrský [319] Věstník“ fortgesetzt wurde, aber sich nur wenige Jahre, bis 1851, erhielt; ebenso fristete sich der von R. so trefflich redigirte böhmisch-brüderliche Kalender „Českobratrský kalendař“ nur für die Dauer etlicher Jahre, 1850 bis 1853; dem ersten Jahrgangs dieses Kalenders war als Anhang der „Ročník církevní“, d. i. Das Kirchen-Jahrbuch, beigegeben. Von Ruzička’s neuen Ausgaben und Uebersetzungen älterer Werke sind anzuführen jene des alten, noch immer geschätzten Andachtsbuches von J. Vegh: „Horlivé a nábožné modlitby“, das im Jahre 1799 zuerst erschien und seit dieser öfter in verbesserten Auflagen ausgegeben wurde; dann jene des beliebten čechisch-evangelischen Gesangsbuches, welches Stephan Lesky im Jahre 1796 unter dem Titel: „Kniha nová zpěvů křestěanských“ veröffentlichte, das noch in mehreren neuen Auflagen erschien und dessen vierte Ruzička besorgte, ferner jene der Postille von Daniel Sartorius unter dem Titel: „Summovna postilla“ (Prag 1856), jene des evangelischen Katechismus von J. Šulek, den Georg Palkovic unter dem Titel: „Katechismus náboženství křestansko-evangelický“ zuerst in Preßburg im Jahre 1816 herausgab und dessen dritte Ausgabe (1856) R. redigirte; endlich die Festausgabe der čechischen Königsberger Jubelbibel: „Jubilejní Bibli Paně“, welche R. mit einem zu dieser Feier geschriebenen Vorworte einleitete. Noch sei zum Schlusse bemerkt, daß R. für die englische Bibelgesellschaft die Ausgaben mehrerer in Berlin, Wien und Prag gedruckten Bibeln besorgte.

Jungmann (Jos.), Historie literatury české, d. i. Geschichte der böhmischen Literatur (Prag 1849, Řiwnáč, 4°.) Zweite, von W. W. Tomek besorgte Ausgabe, S. 622. – Borbis (Johannes), Die evangelisch-lutherische Kirche Ungarns in ihrer geschichtlichen Entwickelung (Nördlingen 1861, C. H. Beck, 8°.) S. 253.