BLKÖ:Reden, Friedrich Wilhelm Otto Ludwig Freiherr von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rédey
Band: 25 (1873), ab Seite: 107. (Quelle)
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Reden, Friedrich Wilhelm Otto Ludwig Freiherr von (statistischer Schriftsteller, geb. auf dem Familiengute Wendlinghausen im Fürstenthume Lippe-Detmold 11. Februar 1804, gest. zu Wien 12. December 1857). Die große, aufreibende Thätigkeit, welche Freiherr von Reden in seinen letzten Lebensjahren in Wien entwickelte, wohin er durch annehmbare Versprechungen, welche sich doch nie erfüllt haben, verlockt worden, und seine zahlreichen, in dieser Periode zunächst im österreichischen Interesse unternommenen und ausgeführten Arbeiten, geben ihm das Anrecht auf eine Stelle in diesem Lexikon, dessen Entstehung er selbst mit großer Freude und jenem lebendigen Antheil begrüßte, den er für Alles, was das Hervortreten der geistigen Entwickelung in Oesterreich bezeugte, empfand. Und in der mir stets [108] werth gebliebenen Erinnerung an die freundschaftlichen Beziehungen, welche mich mit ihm seit seiner Niederlassung in Wien bis an seinen plötzlich erfolgten Tod so innig verbanden, lege ich in dieses Werk die etwas vervollständigte biographische Skizze nieder, die ich über ihn schon zur Zeit des im Jahre 1857 in Wien versammelten statistischen Congresses in der „Leipziger Illustrirten Zeitung“ mitgetheilt hatte. Freiherr von Reden stammte von einer altadeligen Familie. Seine Mutter war die einzige Tochter des als Schriftsteller bekannten Freiherrn von Knigge. Zu Göttingen erwarb er die juridische Doctorwürde. 1824 trat er in hannover’sche Staatsdienste, wurde 1827 Stellvertreter des ersten Beamten bei dem hoyaschen Amte Westen, in welcher Stellung er sich bald solches Vertrauen erwarb, daß ihn die hoyaschen Provinzialstände 1832 als ihren Vertreter in die erste Kammer der allgemeinen Ständeversammlung wählten. Nach einer darauf in industrieller Hinsicht unternommenen Reise durch Deutschland, einen Theil Frankreichs und der Schweiz wurde von Reden 1834 Mitstifter und General-Secretär des Gewerbevereins für Hannover, nahm aber 1837, nach Aufhebung des Staatsgrundgesetzes, seine Entlassung aus dem Staatsdienste. In jene Zeit fällt die Verwirklichung seines Planes einer statistischen Sammlung, die einzige, bisher bekannte in Europa und von überraschender Reichhaltigkeit. Nach seinem Austritt aus dem Staatsdienste bewirthschaftete Reden bis zum Tode seiner Eltern (1840) seine väterlichen Güter. 1841 kam er nach Berlin und nahm die angetragene Stelle eines Directors der Berlin-Stettiner Eisenbahn-Gesellschaft an, in welcher er bis 1843 wirkte. Bedeutenden Antheil hatte er im Jahre 1844 an der Leitung der zweiten deutschen Gewerbe-Ausstellung, bei welcher Gelegenheit er auch eine große literarische Thätigkeit entwickelte. Ein von Reden im Mai 1846 erlassener Aufruf zur geistigen Einigung Deutschlands hatte den Verein für deutsche Statistik zur Folge, dessen emsiges Wirken in den 24 Monatsheften der Jahre 1847 und 1848 niedergelegt ist. Im Sommer 1847 besuchte Reden Oesterreich und Ungarn, das Heimatland seiner Gemalin, aber nur auf kurze Zeit. Doch die Erinnerung an seine 15jährige Amtsthätigkeit war daselbst nicht erloschen, denn bei den Wahlen für die verfassunggebende Reichsversammlung erhielt er in mehreren Wahlbezirken die nächsthöchste Stimmenzahl und wurde für den Harzdistrict ernannt. Auch in Berlin war Reden Wahlmann geworden, und ein aus diesem Anlasse (4. Mai 1848) von Alexander von Humboldt an Reden gerichtetes Schreiben (abgedruckt in den biographischen Umrissen der deutschen constituirenden National-Versammlung zu Frankfurt a. M. 1849, S. 234) gibt einen glänzenden Beleg, wie hoch R. in der öffentlichen Meinung stand. In Frankfurt zählte R. zur Partei des Württemberger Hofes, später Westend-Hallclubb; er war dort Mitglied mehrerer Ausschüsse und Berichterstatter des Volkswirthschafts-Ausschusses, in welcher Stellung er mehrere bedeutende Arbeiten lieferte. In die zweite Kammer des hannover’schen Landtags, welcher am 1. Februar 1849 zusammentrat, gewählt, ging er dahin, legte aber später sein Mandat nieder und kehrte nach Frankfurt zurück, wo er mehrere Jahre verblieb, sich mit statistischen Arbeiten, mit der Ordnung und Vermehrung seiner kostbaren statistischen Sammlungen beschäftigte, [109] 1854 nach Wien übersiedelte, wo er bis zu seinem Tode lebte und als officieller Vertreter am dritten internationalen Congresse zu Wien theilnahm. Als Schriftsteller, namentlich im Gebiete der Statistik und Finanzwissenschaft, aber auch in anderen staatswissenschaftlichen Fächern, entwickelte Reden eine große Thätigkeit. Nahezu ein halbes Hundert Schriften, darunter viele wichtige und umfangreiche, hat er herausgegeben, welche sich sämmtlich durch Genauigkeit und Neuheit der Daten auszeichnen, wozu ihm seine Sammlung das trefflichste und zuverlässigste Material bot. Seine wichtigsten Werke sind: „Allgemeine vergleichende Handels- und Gewerbe-Geographie und Statistik“ (Berlin 1844), französisch und holländisch; – „Bericht über die deutsche Gewerbe-Ausstellung in Wien, 1845“ (ebd. 1846), auch französisch; – „Vergleichende Cultur-Statistik der Grossstaaten Europa’s“ (ebd. 1847–1848); – „Allgemeine vergleichende Finanzstatistik“, 2 Bde. in 4 Abtheilungen (Darmstadt 1851 bis 1856); – „Die Staaten im Stromgebiete des La Plata“ (ebd. 1852); – „Frankreichs Staatshaushalt und Wehrkraft unter den vier letzten Regierungsformen“ (ebd. 1853); – „Gewerbs- und Verkehrs-Statistik des Königsstaates Preussen“, 3 Bde. (ebd. 1853); – „Boden und Bodenbenützung im Kaiserstaate Oesterreich“ (Wien 1857) und seine neueste Schrift: „Die jetzige Aufgabe der Statistik in Beziehung zur Staatsverwaltung“, 2. Aufl. (Wien 1857), in welcher sich ein vollständiges Verzeichniß der wissenschaftlichen Arbeiten Reden’s – welche er selbst bescheiden „Versuche“ nannte – befindet. Baron R. zählt auch zu den Stiftern der internationalen statistischen Congresse. Im Leben von feinen, gefälligen Umgangsformen, hatte er nichts von der Trockenheit und Einförmigkeit des Zahlenmenschen an sich, der er seiner wissenschaftlichen Beschäftigung nach war. Er besaß umfassende Kenntnisse in den verschiedenen Wissenszweigen, selbst Poesie war ihm nicht fremd, wie es mehrere in seiner früheren Zeit veröffentlichte Arbeiten bezeugen, zum Beispiele die deutsche Bearbeitung einer englischen geschichtlichen Sage, betitelt: „Die Abtei St. Vincent“, 2 Theile (Göttingen 1825), und ein Band „Novellen“ (Zerbst 1829). Bevor er dem eigentlichen statistischen Gebiete, auf welchem er später so Ausgezeichnetes leistete, sich zuwendete, beschäftigte[WS 1] er sich mit kleineren geschichtlichen Arbeiten und mit der Behandlung praktischer Tagesfragen, deren manche er der Erste angeregt haben mag, so z. B. schrieb er ein Leben Wiarda’s, Geschichtschreibers der Ostfriesen; – ein System der Registratureinrichtungen; – über den Plan einer Industrieschule; – über Weser- und Aller-Schifffahrt; – Ueber Armenhäuser und Beschäftigung der Armen; – über Entlassung der Staatsdiener u. dgl. m. Seine statistische Beschreibung des Königreichs Hannover, welche 1839 in zwei Bänden erschien, sowie seine Gewerbs- und Verkehrsstatistik des Königsstaates Preußen sind die ersten Versuche einer in alle Einzelnheiten des Erwerbslebens eingehenden Darstellung eines größeren Staates, wozu das Material im Wesentlichen entweder von ihm selbst an Ort und Stelle erhoben oder doch aus unmittelbaren Quellen geschöpft wurde. Seine Culturstatistik Rußlands besaß dadurch, daß sie nicht Parteischrift, besonderen Werth; seine allgemeine vergleichende Handels- und Gewerbestatistik und Gewerbs-Geographie ist der erste Versuch auf diesem schwierigen Gebiete, in welchem überdieß bei der Industrie-Statistik zuerst auch [110] Ertrags- und Werthberechnungen in ein System der Combination gebracht sind. Seine statistischen Arbeiten, wenn auch eben als solche veraltet, werden als geschichtliche Grundlage, da sie mit großer Gewissenhaftigkeit und nach amtlichen Quellen gearbeitet sind, immer ihren Werth behalten. Als statistischer Sammler war er eine Specialität, und das auf ihn angewendete Witzwort, daß er statistische Notizen wie ein Hamster aufspeicherte, war im Grunde zutreffend. Aber aus den reichen Quellen seiner mit großen Opfern angelegten Sammlung ließ er mit nicht genug anzuerkennender Liberalität auch bereitwillig Andere schöpfen und war in Beischaffung des Materials für statistische Arbeiten Anderer von einem liebenswürdigen Eifer ohne Gleichen. An seine Uebersiedelung nach Oesterreich, die erst nach den verlockendsten Versprechungen von solcher Seite, der man die Verwirklichung dieser Versprechungen zutrauen durfte, erfolgte, hatte er große Hoffnungen geknüpft. Als sich diese in Folge von Intriguen und wie es bei solchen Anlässen leider immer der Fall ist, persönlichen Umtrieben nicht verwirklichten, endlich seine Lage sich immer hoffnungsloser gestalteten, verbarg er wohl den Schmerz über diese Enttäuschung, der indessen im Geheimen nur um so mehr an ihm nagte. Gegen Schreiber dieser Zeilen sprach er es zu wiederholten Malen aus, daß er in seinen gerechten Erwartungen auf das Bitterste getäuscht worden. Als er der Eröffnung einer Eisenbahn in kalten Wintertagen beiwohnte, kehrte er von dem Ausflug mit einer anfänglich unbedenklichen Erkältung zurück, und plötzlich wurden seine Freunde durch die Nachricht seines Todes erschreckt, der ihn im Alter von 53 Jahren dahingerafft. Aus der Ehe mit seiner Gemalin Helene von Loziczky, einer gebornen Ungarin, hinterließ er eine Tochter Helene, die sich als Sängerin der Bühne gewidmet, und zwei Söhne, Friedrich und Alexander, von denen der letztere zur Zeit in Wien im Ackerbauministerium bedienstet ist. Ueber das Schicksal seiner reichen, von Reden selbst auf 50.000 fl. geschätzten Sammlung vergleiche die „Constitutionelle österreichische Zeitung“ 1862, Nr. 210. Was aber in diesem Berichte nicht steht, kann und wird Herausgeber dieses Lexikons bei Gelegenheit ergänzen. Habent sua fata libelli.

Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1858, Nr. 760, in der biographischen Skizze der vorzüglichsten, in Wien versammelten Statistiker. Von dem Herausgeber dieses Lexikons. – Extrait do l’annuaire historique et biographique. Souverains et personages distingués de diverses nations (Paris, 95 rue Richelieu, 4°.): „Le Baron de Reden“. – Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt (Wien, 4°.) Jahrg. VIII, S. 811; Jahrg. IX, Verhandlungen S. 136. – Biographische Umrisse der Mitglieder der deutschen constituirenden National-Versammlung zu Frankfurt a. M. Nach authentischen Quellen (Frankfurt a. M. 1849, S. Schmerber, 8°.) S. 232 u. f. – Neue Münchener Zeitung 1857, Abendbl. der Nummer vom 23. December, S. 1230. – Didaskalia. Blätter für Geist u. s. w. (Frankfurt a. M.) 1857, Nr. 304. – Frankfurter Konversationsblatt (4°.) 1857, Nr. 306, S. 1223: „Dr. Freih. Friedr. Wilhelm v. Reden“. – Austria. Oesterr. Universal-Kalender (Wien, bei Klang, gr. 8°.) Jahrg. 1859, S. 92. – Europa. Von Gust. Kühne (Leipzig, schm. 4°.) 1858, Nr. 2, Sp. 63. – Wigand’s Conversations-Lexikon (Leipzig, O. Wigand, gr. 8°.) Bd. XI, S. 434. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Zweite Abtheilg. Bd. V, S. 639. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) V. Jahrg. (1846), S. 280: „In Berlin“. – Laube (Heinrich), Das erste deutsche Parlament (Leipzig 1849, Weidmann, 8°.) Bd. III, S. 7. – Parlaments-Album. [111] Autographirte Denkblätter der Mitglieder des ersten deutschen Reichstages (Frankfurt a. M. 1849, S. Schmerber, kl. Fol.) Blatt 114. – Constitutionelle österreichische Zeitung 1862, Nr. 210; „Die Reden’schen Sammlungen“ [wäre eine erbauliche Geschichte, wenn diese Sammlungen sprechen und ihre Geschicke nach ihres fleißigen, umsichtigen und unermüdlichen Gründers Tode der Wahrheit gemäß erzählen könnten]. – Porträte. 1) Von Winterwerb lith. (kl. Fol., Frankfurt, C. Jügel’s Verlag); – 2) ohne Angabe des Zeichners lith. (gr. 4°., Frankfurt a. M., H. Keller); – 3) Stahlstich ohne Ang. des Zeichners und Stechers. Unterschrift: F. v. Reden (der Statistiker), Abgeordneter zur I. deutschen National-Versammlung (8°. und 4°.); – 4) Holzschnitt auf der Gruppe der Statistiker in der Leipziger Illustrirten Zeitung 1858, Nr. 760.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: beschäfschäftigte.