Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 24 (1872), ab Seite: 346. (Quelle)
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Ranolder, Johann (Bischof von Veszprim, geb. zu Fünfkirchen 16. Mai 1806). Bürgerssohn, beendete das Gymnasium in seiner Vaterstadt und ging dann nach Pesth, wo er die philosophischen Studien machte und, dem geistlichen Stande sich widmend, im Pesther Seminar jene der Theologie beendete. Im Jahre 1829 erhielt er die h. Weihen und verrichtete bei dem Fünfkirchner Bischofe Ignaz Freiherrn von Szepessy [347] einige Zeit die Dienste eines Secretärs und Archivars, wurde aber dann von ihm zur weiteren Ausbildung in den theologischen Wissenschaften in die höhere Bildungsanstalt zu St. Augustin nach Wien geschickt, wo er sich insbesondere dem Bibelstudium mit großem Eifer zuwendete. Nach zwei Jahren erlangte er daselbst die theologische Doctorwürde und kehrte 1831 nun in seine Heimat zurück, wo ihn sein Gönner Bischof Szepessy sofort zum Professor der orientalischen Sprachen und des Bibelstudiums am bischöflichen Seminar zu Fünfkirchen ernannte. Auf diesem Posten erwarb sich R. bald ebenso als Lehrer wie als Fachschriftsteller [seine Werke folgen auf S. 348] einen ausgezeichneten Ruf. Im Jahre 1840 kam er als Religionslehrer, Prediger und supplirender Professor der griechischen Sprache an die Pesther kön. Universität. Seine lateinischen akademischen Kanzelvorträge fanden solchen Beifall, daß im Jahre 1842 eine Ausgabe derselben veranstaltet werden mußte. Indessen betrieb R. seine Studien auf das Eifrigste fort, insbesondere verlegte er sich auf die modernen Sprachen, ohne jedoch die orientalischen und classischen zu vernachlässigen, so daß er bald einen Sprachschatz besaß, der eine gründliche Kenntniß der hebräischen, arabischen, der beiden classischen, dann der spanischen, italienischen, französischen und englischen umfaßte; die deutsche und ungarische sprach er von Kindheit an. Während seines Lehramtes in Pesth unternahm er in den Ferienmonaten größere Reisen nach den verschiedenen Ländern Europa’s und besuchte für längere Zeit Rom, Palermo, Marseille, London, Paris, Brüssel, die größeren Städte Deutschlands, überall Verbindungen mit ausgezeichneten Gelehrten namentlich jener Fächer anknüpfend, die er selbst mit besonderer Vorliebe pflegte. Im Jahre 1845 wurde er zum Domherrn von Fünfkirchen ernannt und versah in letzterer Eigenschaft vom Jahre 1846 an die Stelle des Directors des bischöflichen Seminars und des Synodal-Examinators. Im Jahre 1849 erfolgte unter gleichzeitiger Ernennung zum Abbas Beatae Mariae Virginis de Sacra Dextera Sancti Stephani Regis Hungariae, seine Berufung in das k. k. Ministerium nach Wien zur Verwendung in der Section der kirchlichen Angelegenheiten; er wurde aber noch im nämlichen Jahre, am 27. October, zum Bischof von Veszprim erhoben und in seiner Würde am 7. Jänner 1850 bestätigt. Im Jahre 1854 erhielt er die Würde eines wirklichen geheimen Rathes. R. ist ein ausgezeichneter Kirchenredner in lateinischer, deutscher und ungarischer Sprache; als Fachschriftsteller auf archäologischem Gebiete eine Autorität; als Humanist kann er aber vielen seiner Collegen als Vorbild gelten. In seiner Vaterstadt führte er die barmherzigen Schwestern ein, welche im Jahre 1854 im dortigen Hospital die Krankenpflege übernahmen; überdieß widmete er dieser Anstalt den Betrag von 12.000 Gulden. Im Jahre 1857 verzichtete R. im eigenen und im Namen seiner Nachfolger im Bisthum auf das dem Veszprimer Bisthum zuerkannte Urbarial-Entschädigungscapital zu Gunsten verschiedener Stiftungen. Dieses Capital, im Betrage von 739.793 fl. C. M., gewährt einen jährlichen Zinsenertrag von 36.989 fl. C. M., welcher in folgender Weise verwendet werden soll: 1. Zur Unterstützung von minder dotirten 120 Pfarrern der Diöcese in Beträgen zu 120, 100 und 80 fl. C. M., jährlich 12.000 fl. Zur Unterstützung von 72 Cooperatoren und Präbendären [348] in Beträgen von 40 fl. C. M., 2880 fl. 3. Zur Unterstützung von 10 Deficienten-Priestern mit je 100 fl., 1000 fl. 4. Für das Diöcesan-Seminar 7066 fl. 5. Zur Dotirung der neu errichteten Curatie zu Görgetek 400 fl. 6. Zur Unterstützung von 140 Schullehrern mit je 25 fl., 3500 fl. 7. Zur Unterstützung der zu Pápa, Keszthely, Kaposvár, Kanizsa und Veszprim zu errichtenden Nonnenklöster, worin Kinder-Bewahranstalten, Mädchen- und Sonntagsschulen für weibliche Dienstboten unterhalten werden sollen, mit je 1000 fl., 5000 fl. 8. Die sonach noch erübrigenden 5143 fl. werden nach freier Bestimmung des jeweiligen Diöcesanbischofs verwendet werden: zur Errichtung eines Knabenseminars; zu Kirchenbauten, wo keine Kirchenpatrone vorhanden sind; zur Unterstützung von ärmeren Kirchengemeinden bei den ihnen bei Kirchenbauten obliegenden Leistungen; zur Unterstützung des Curatclerus bei Beschädigung durch Elementarereignisse und zur Errichtung einer Schullehrer-Präparandie. Diese Stiftung, welche den Namen des Kaisers: „Franz Josephs-Stiftung“ von R. erhielt, wurde mit Allerh. Entschließung vom 23. September 1857 und mit den päpstlichen Breven vom 9. Februar 1857 und 9. Mai 1859 die Genehmigung ertheilt. Am 16. September 1860 hat R. eine von ihm erbaute gothische Kirche und ein geräumiges Gebäude für ein höheres Mädchen-Erziehungsinstitut feierlich eingeweiht und die zu diesem Zwecke von St. Pölten, Pesth und Balassa Gyarmath berufenen Fräulein in ihr Amt eingeführt. In seiner Residenz Veszprim errichtete er aus eigenen Mitteln zwei Mädchen-Lehranstalten und mit seinem Capitel gemeinschaftlich stiftete er im Jahre 1860 ein Pensions-Institut für Landschullehrer. Im Jahre 1863 widmete er den von ihm vor zehn Jahren zur Krankenpflege berufenen barmherzigen Schwestern eine neue Spende von 20.000 fl. Was dieses hochsinnigen Kirchenfürsten schriftstellerische Thätigkeit betrifft, so veröffentlichte er in den Jahren 1843 und 1844 in der kirchlichen Zeitschrift „Religio és Néveles“ seine auf den Reisen gemachten Beobachtungen und Erfahrungen unter dem Titel: „Utazási vázlatok“, d. i. Reiseskizzen. Anläßlich der Vermälungsfeier veröffentlichte er im Jahre 1854 in prachtvoller Ausstattung das Werk „Elisabeth (Gisela), erste Königin von Ungarn“ (Wien, 4°.); für die Schulen der Veszprimer Diöcese schrieb er ein Werk: über die feierlichen Gebräuche der h. Kirche in ungarischer Sprache unter dem Titel: „Á kath. anyaszentegyház szertatásai“ (Pesth, 8. Aufl. 1864 [erste 1851], 8°.); schließlich besorgte er die ungarische Uebersetzung des von Augustin Gruber verfaßten praktischen Handbuches der Religionslehre unter dem Titel: „A’ hitoktatás gyakorlati kézikönyve“ (Pesth 1854). Noch zur Zeit, als er sein Lehramt am Fünfkirchner Seminar bekleidete, nahm er hervorragenden Antheil an der von dem Bischof Szepesy veranstalteten ungarischen Uebersetzung der heiligen Schrift und gab damals, 1838, sein eigentliches Hauptwerk: „Hermeneuticae biblicae generalis principia rationalia christiana et catholica“ (Quinque Ecclesiis 1834, 8°. maj.) heraus, dessen sich der berühmte Perrone und seine Nachfolger in Rom als Leitfaden zu ihren Vorlesungen bedienten und welches in England, Irland, Belgien, in der Schweiz, an mehreren Anstalten in Deutschland, ja sogar in Amerika als Vorlesebuch benützt wird. Im Jahre 1865 erst veranstaltete der Buchhändler Spithöver [349] in Rom mit des Autors Gestattung eine dritte Ausgabe. R. ist als Bischof von Veszprim Mitglied des Oberhauses im ungarischen Reichstage und der Verfassung gemäß Kanzler der Königin. Im ungarischen Reichstage des Jahres 1861 sprach er in der 5. Sitzung des Oberhauses (am 17. Juni) für die Adresse. [Vergleiche zum Verständniß der politischen Situation die biographische Skizze Jámbor im X. Bde., S. 60 dieses Lexikons.] Für seine wissenschaftlichen Verdienste erhielt R. von Sr. Majestät dem Kaiser die goldene Medaille „litteris et artibus“, und im Jahre 1864 den Orden der eisernen Krone I. Classe.

Sonntags-Zeitung (Pesth, gr. 4°.) 1857, Nr. 44, S. 348 [mit Bildniß im Holzschnitt]. – Salzburger Kirchen-Zeitung (4°.) 1865, Nr. 25, in der Anmerkung. – Presse (Wiener polit. Blatt) 1860, Nr. 161, im Abendblatt. – Kleines biographisches Lexikon, enthaltend Lebensskizzen hervorragender, um die Kirche verdienter Männer (Znaim 1862, M. F. Lenck, 8°.) S. 98, 194 u. 243. – Zeitgenossen. Almanach für das Jahr 1863 (Gratz, S. Settele, 8°.) S. 238. – Der ungarische Reichstag 1861 (Pesth 1861, Osterlamm, 8°.) Bd. II, S. 459. – Magyar irók. Életrajz-gyüjtemény. Gyüjték Ferenczy Jakab és Danielik József, d. i. Ungarische Schriftsteller. Sammlung von Lebensbeschreibungen. Von Jacob Ferenczy und Joseph Danielik (Pesth 1856, Gustav Emich, 8°.) I. Theil, S. 380. – Vasárnapi ujság, d. i. Sonntags-Zeitung (Pesth, 4°.) 1857, Nr. 41: „Ranolder N. János“ [mit Bildniß im Holzschnitt]. – Kákay (Aranyos), Licht- und Schattenbilder zur Charakteristik des ungarischen Landtags (aus dem Ungarischen) (Pesth 1867, Wilh. Lauffer, gr. 8°.) S. 115. [Daselbst heißt es über Ranolder: „Ein Kirchenfürst, der für öffentliche Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke große Opfer gebracht, mehr vielleicht als seinen Nachfolgern lieb. Ein feines Gesicht mit unstäten Augen, die einen eigenthümlichen, beinahe überirdischen Glanz haben. Eine nervöse geistige Constitution, jedoch mit den höflichsten Manieren. Dieser, mit Eigenschaften, welche in der großen Welt Glück machen müssen, ausgestattete Bischof lebt den größeren Theil des Jahres hindurch wie ein Eremit, fast ohne eine Seele um sich zu haben – besonders in seinem Weingarten, wo er der Wissenschaft und der Natur lebt – allerdings dem Erhabensten, das es gibt – und wo er einen Schomlauer Wein erzeugt, der nirgends seines Gleichen hat. Außerdem ist er sehr unternehmend, Erbauer einer Dampfmühle, die ihm jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so viel Nutzen bringen wird als Andern. Uebrigens hat Se. Excellenz ein besonders feines Wahrnehmungsvermögen dafür: ob eine Regierung sich halten werde oder ob ein Minister lebensfähig. Ich wünschte mir ihn als Uhr in meinem Zimmer, um stets darüber orientirt zu sein – wie viel es für einen Minister geschlagen.“] – Porträte. Dieselben befinden sich als Illustrationen bei den in den Quellen angegebenen Lebensskizzen.