Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Pray, Georg
Band: 23 (1872), ab Seite: 220. (Quelle)
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Prausek, Vincenz (Schulmann, geb. zu Litten, einem Marktflecken nächst Karlstein in Böhmen, 13. December 1823). Sein Vater war Bräuermeister. Das Untergymnasium besuchte der Sohn zu Pisek, die Humanitätsclassen am Lyceum in Pilsen, worauf er die juridischen Studien an der Hochschule in Prag vollendete. Sein ganzes Leben charakterisirt eine mächtige Hinneigung zur Schule. Schon als Kind kannte er keine größere Freude, als wenn er im Kreise von Gespielen den Lehrer vorstellen konnte. Frühzeitig ertheilte er, bloß seinem Lehrdrange folgend, Privatunterricht. Bald erwarb er sich den Ruf eines tüchtigen Correpetitors. Um am sichersten zum Lehrstande zu gelangen, trug er sich lange mit dem Gedanken, in den Prämonstratenserorden einzutreten, in welchem ihm auch die Aufnahme zugesichert wurde. Seine Familie und namentlich der Prämonstratenser und Professor Dr. Smetana brachten ihn aber von diesem Vorhaben ab, und er entschloß sich, wiewohl er auf eine Unterstützung von seiner Familie nicht rechnen konnte – denn sein Vater war mittlerweile gestorben – seine Studien an der juridischen Facultät in Prag fortzusetzen. Durch Unterricht bei Familien und in Lehrinstituten brachte er sich selbst fort und trat nach Vollendung seiner Studien in die Conceptspraxis bei dem Fiscalamte in Prag ein, hatte jedoch die Absicht, das juridische Doctorat abzulegen und sodann um eine Universitätsprofessur, namentlich für Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, sich zu bewerben. Aber auch dieser Weg, zum Lehrstande zu gelangen, sollte ihm verschlossen bleiben. Als nämlich während der Pfingsttage des Jahres 1848 in Prag der Aufstand ausbrach, erschien er, dem Rufe seines Commandanten folgend, als Feldwebel der Nationalgarde auf dem Platze, und fand, nachdem sich die Nationalgarde allmälig verloren hatte, Gelegenheit, in bedenklichen Augenblicken erfolgreich und ersprießlich zu wirken. Er beherrschte nämlich durch sein muthiges Auftreten und durch seine Redegewandtheit in beiden Sprachen sehr bald das aufgeregte Proletariat, hielt dasselbe von Excessen ab, schützte öffentliche Geldinstitute, zeigte sich insbesondere dadurch sehr nützlich, daß er eine Sammlung einleitete und seine eigenen Ersparnisse dazu verwendete, um arme Leute mit Nahrungsmitteln zu versehen. Für dieses sein Wirken, das auf die Pacification Prags nicht ohne Einfluß geblieben, hat ihn der Stadtrath der Hauptstadt Prags mit einer schön ausgestatteten Dankadresse ausgezeichnet und eine an die Statthalterei gerichtete, P.’s Verdienste anrühmende Petition der Kleinseitner Bürger veranlaßte den damaligen Gouverneur von Böhmen, ihm eine Stelle als Conceptspraktikant im Statthalterei-Präsidium mit der Aussicht auf das Adjutum anzubieten. Wenngleich mit schwerem Herzen den Gedanken an die Universitätsprofessur aufgebend, hat P. diese Stelle doch angenommen, weil mit derselben die Aussicht auf ein rascheres Avancement verbunden war und weil hier vorzüglich die Angelegenheiten der Presse seiner Wirksamkeit zugewiesen werden sollten. Das ihm in Aussicht gestellte Adjutum hat er jedoch nicht erlangt und er mußte, um seine Existenz zu fristen, die Nachtstunden für journalistische Thätigkeit benützen, was ihm jedoch weniger schwer fiel, da er sich schon als Student in Kuranda’s „Grenzboten“ unter dem Zeichen P….. k auf diesem Gebiete versucht hatte. Namentlich war es die „Prager Zeitung“, deren Mitarbeiter er unter der Redaction des [221] Dr. Hasner gewesen. Bald nach seinem Eintritte in das Statthalterei-Präsidium übertrug ihm der damalige Statthalter Baron Mecséry die selbstständige Redaction der „Prazské Noviny“, welche er bis Ende des Jahres 1849 geführt hat. In dieser Stellung gelang es ihm, dem Blatte, das er mit 67 Abnehmern übernommen, einen ausgedehnten Lesekreis zu gewinnen und für die Umsicht, mit welcher er dieser schwierigen Aufgabe waltete, spricht vor allem die Thatsache, daß selbst die damaligen Gegner der Regierung seiner journalistischen Thätigkeit die freundlichste Anerkennung zollten. Vom Jahre 1850 bis 1854 war P. der Bezirkshauptmannschaft in Karolinenthal bei Prag als k. k. Bezirkscommissär zugewiesen. Auf diesem Posten gewann er durch sein äußerst humanes Vorgehen bald das Vertrauen und die Liebe der Bevölkerung, zog sich aber auch durch übermäßige Anstrengung im Dienste 1851 eine Todeskrankheit zu, die ihn mehrere Monate an’s Bett fesselte. Als Bezirkscommissär wandte er der Volksschule seine besondere Aufmerksamkeit zu und es kam ihm nebst verschiedenen Belobungsdecreten seiner Vorgesetzten auch von dem Prager fürsterzbischöflichen Consistorium im Jahre 1854 ein Dankschreiben zu, in welchem der Wunsch ausgesprochen ist, „er möge bei seiner glänzend bewiesenen Liebe zur Schule für dieselbe dauernd gewonnen werden“. Im J. 1854 wurde P. zur Prager Kreisregierung einberufen, wo er ein selbstständiges Referat führte. Doch schied er aus dieser Stellung schon nach wenigen Monaten, da ihm die Statthalterei über Auftrag des Ministers die Zusammenstellung und Redaction eines Normalienbuches für die politischen Behörden übertragen hatte, eine Aufgabe, zu welcher, wie es im betreffenden Einberufungsdecrete lautet: „Praktische Geschäftskenntniß und Kenntniß im Redactionswesen“ erforderlich ist. Während P. diese Aufgabe löste, besorgte er auch den Druck einer Administrativkarte von Böhmen, entwarf für die Organisirungscommission Amtsübergabsinstructionen und machte in Folge Auftrags Studien über die Besitzverhältnisse Böhmens, deren Resultate leider noch nicht veröffentlicht sind. Nun wurde er zum Kreiscommissär für den Prager Kreis ernannt, aber bald, 1855, in die Dienstleistung des Ministeriums des Innern einberufen. Anläßlich dieser Beförderung und Berufung beglückwünschten ihn die sämmtlichen Gemeinden des Karolinenthaler Bezirkes in einer prächtig ausgestatteten Adresse und später verlieh ihm die Gemeinde Vysočan bei Prag aus Anlaß der Begründung der dortigen Schule das Ehrenbürgerrecht. Seit P. von der Redaction der „Prazské Noviny“ freiwillig zurückgetreten ist, war er ungeachtet der vielen Anstrengungen seines Amtes noch immer journalistisch thätig. Er schrieb Artikel für das genannte Blatt und für die „Prager Zeitung“, gab im Jahre 1855 ein umfassendes „Nachschlageregister der politischen Verordnungen“ heraus, das den neuen Bezirksämtern wesentliche Dienste leistete, und veröffentlichte eine umfassende Broschüre unter dem Titel: „Einige der wichtigsten Tagesfragen, betreffend das österreichische Volksschulwesen“ (Prag, Haase). Letztgenannte Schrift fand in Fachkreisen verdiente Würdigung und richtete die Aufmerksamkeit des damaligen Referenten für Volksschulangelegenheiten im Unterrichtsministerium, des Sections-, nachmals Ministerialrathes Krombholz auf P., und so war denn P.’s Lieblingsgedanke, der Schule anzugehören, endlich im December 1855 in [222] Erfüllung gegangen, indem er damals zum Schulrath, Real- und Volksschulen-Inspector für Schlesien ernannt worden ist. Obschon ihm in seiner Dienstleistung bei dem Ministerium des Innern eine schöne Zukunft winkte, folgte er doch mit Freude dem ihm gewordenen längst ersehnten ehrenvollen Rufe. Sein nächstes Augenmerk richtete er hier auf die Hebung und Bildung des Lehrstandes. Da er für diesen einen ungenügenden Nachwuchs fand und da die meistens sehr armen Lehramtscandidaten in elenden, gesundheitsschädlichen, ja ihrer Stellung unwürdigen Wohnungen untergebracht waren, miethete er in Troppau und in Teschen auf eigene Gefahr und Kosten je ein geräumiges Haus, in welchen dürftige. Lehramtspräparanden entweder unentgeltlich oder gegen eine sehr mäßige Entschädigung die Wohnung, Beheizung, Beleuchtung oder die Mittagskost erhielten. Dieß führte viele fleißige und tüchtige junge Männer dem Lehrstande, zu. Die Mittel zur Erhaltung dieser Institute verschaffte sich P. durch Herausgabe des „Schlesischen Volksschulenkalenders“ (Jahrgang 1857, 1858, 1859 und 1860), welcher außerdem noch den Vortheil brachte, daß sich manche Lehrer durch die von dem Herausgeber ausgeschriebenen Preisfragen unter seiner Aufmunterung und Leitung zu literarischen Arbeiten entschlossen haben. Als P. von Troppau schied, hinterließ er dem dortigen Präparandenconvicte ein Stammvermögen von nahezu 6000 fl. und jenem in Teschen von 2500 fl. Der schlesische Landtag würdigte den Werth dieser Institute so sehr, daß er denselben fortan jährliche Subventionen zukommen läßt. Ein ebenso warmes Interesse wendete P. den Lehrconferenzen zu, die er mit großer Vorliebe sowohl an den einzelnen Lehranstalten, als auch bezirksweise abgehalten hat. Auch bewirkte er im Verkehre mit den Gemeinden vielfache Verbesserungen der Schulen, namentlich die Begründung von Schulgärten und die Einführung des weiblichen Industrieunterrichtes. Nicht minder lag ihm die Verbesserung der materiellen Lage der Volksschullehrer am Herzen, und es ist unter seiner ausgiebigen Mitwirkung die Regulirung der Lehrergehalte in Schlesien vorgenommen worden. Während seiner Dienstleistung in Troppau schrieb P. eine Broschüre: „Der Lautier-, Sprach-, Lese- und Buchstabier-Unterricht, nebst einer Erklärung des Setzkastens“ (Prag, Tempsky), welche bereits die vierte Auflage erlebt hat, in mehrere Sprachen übersetzt und in vielen Tausenden von Exemplaren verbreitet ist. Auch eine zweite Schrift desselben aus derselben Zeit: „Die wichtigsten Rechenapparate“ (Olmütz, Hölzl) fand in den Schulkreisen lebhaften Anklang. Uebrigens betheiligte er sich damals auch noch an der Mitarbeiterschaft in den Zeitschriften: „Die Realschule“ und „Der österreichische Schulbote“. Als die schlesische Landesregierung aufgelöst wurde, erfolgte die Uebersetzung P.’s zur Statthalterei nach Brünn, wo ihm als Schulrath und Volksschulen-Inspector die Leitung der sämmtlichen Volksschulen Mährens und Schlesiens zugewiesen wurde. In diesem so sehr erweiterten Wirkungskreise entfaltete er nun alle seine Kraft, um die Volksschulen zu heben. Er organisirte die Lehrer-Bildungsanstalten, begründete viele neue Schulen und erweiterte durch seinen persönlichen Einfluß sehr viele Stadtschulen zu Haupt- und Realschulen. Wie sehr die Bevölkerung beider Nationalitäten seinen Eifer für die so wichtige Sache der Volksschule würdigte, beweisen die vielen Dankadressen, welche ihm [223] von den Gemeinden zugekommen sind und seine Ernennung zum Ehrenbürger von Odrau, Zwittau, Müglitz, Neutitschein, Austerlitz und Holleschau, in welchen Orten er die Volksschulen namhaft gehoben hatte. Als im Jahre 1861 die internationale Ausstellung in London stattfand, machte sich P. um die Ausstellung von Lehrmitteln wesentlich verdient und wurde dafür mit der Mission als Berichterstatter für diese Ausstellung von der Regierung ausgezeichnet. Die Reise nach London gab ihm Gelegenheit, auch die Schulzustände mehrerer Staaten des Auslandes kennen zu lernen und mit hervorragenden Schulcapacitäten in Verkehr zu treten. Im Jahre 1864 wurde P. als Schulrath und Volksschulen-Inspector nach Wien übersetzt. Nach seinem Scheiden aus Mähren überraschte ihn der mährisch-schlesische Lehrstand zum Zeichen seiner Hochachtung und Dankbarkeit mit seinem lithographirten Porträt, das die Aufschrift trägt: „Liebesgabe des mährisch-schlesischen Lehrstandes“ und mit einer prächtigen Abschiedsadresse. In seinem neuen Wirkungskreise setzte P. seine Bemühungen zur Hebung der Volksschule in gleicher Weise fort. Zahlreich sind bereits die Schulen, welche seiner Anregung und Mithilfe ihre Verbesserung verdanken, darunter z. B. jene in Korneuburg, wo ihm von der Stadtcommune ebenfalls das Ehrenbürgerrecht ertheilt worden ist. Als es sich um Vertretung des österreichischen Schulwesens bei der Pariser internationalen Ausstellung des Jahres 1867 handelte, wurde P. in das Vorbereitungscomité berufen und später als officieller Berichterstatter nach Paris gesendet. Sein dießfälliger Bericht ist in dem großen Werke: „Officieller Bericht über die Pariser’ Welt-Ausstellung herausgegeben durch das österreichische Centralcomité“ enthalten. In den ersten Jahren seiner Wirksamkeit in Wien betheiligte sich P. fleißig an der Mitarbeiterschaft im „Oesterreichischen Schulboten“. Eine längere Abhandlung, die er in diesem Blatte veröffentlichte, wurde unter dem Titel: „Ein Bild aus dem Schulleben“ im Separatabdrucke herausgegeben (Wien, Seidel) und in mehrere Sprachen übersetzt. Sein größeres Werk: „Die Verbesserung der Volksschule, mit besonderer Berücksichtigung Oesterreichs“ (Wien 1868, Sallmayer) wurde von der Regierung den Schulen und Gemeinden empfohlen. P.’s Bestrebungen in der Volksschule sind mit Nachstehendem charakterisirt: Er bekämpft den leidigen Mechanismus, strebt Verständniß und Selbstthätigkeit der Schüler an und legt ein besonderes Gewicht auf den Anschauungsunterricht, wobei er der Anschauung der Objecte in der Wirklichkeit vor den Modellen und Bildern entschieden der Vorzug einräumt. Während früher in den österreichischen Volksschulen höchstens nur einige Bilder zum Anschauungsunterrichte verwendet wurden, erfreuen sich jetzt viele dieser Schulen, namentlich in den Ländern, wo P. wirkte, des Besitzes kleiner Museen von Naturalien, deren Kenntniß die Schule vermitteln soll. Eine weitere, P.’s Ansichten charakterisirende Bestrebung ist es, daß er die Anwendung von Lehrerinen zum Unterrichte der Mädchen in der Volksschule befürwortet. Ueber seine Anregung wurde eine Lehrerinen-Bildungsanstalt in Brünn begründet und es sind bereits in mehreren Gemeinden Niederösterreichs Lehrerinen angestellt worden. Seit seiner Berufung nach Wien ist P. Vorsitzender der Commission der deutschen Sprach- und Schullesebücher und [224] wurde derselbe rücksichtlich mehrerer Gesetzvorlagen und Verordnungen von der Regierung zu Rathe gezogen. P. ist gegenwärtig Landes-Schulinspector erster Classe und Mitglied des Landes-Schulraths, Ehrenmitglied des mährisch-schlesischen und des niederösterreichischen Bienenzucht-Vereins, des landwirthschaftlichen Filial-Vereins in Olmütz, des pädagogisch-literarischen und des Wiener Rettungs-Vereins, wie auch des Lehrer-Vereins „Fortschritt“[WS 1] der St. Pöltner Diöcese. Außerdem betheiligt er sich als beitragendes und wirkendes Mitglied an mehreren wissenschaftlichen und gemeinnützigen Vereinen. P. zählt als Beamter zu den Zierden seines Standes, der, nachdem zu dessen Hebung von maßgebender Seite nichts geschieht, eben nur durch Repräsentanten seines Standes, wie P. einer ist, gehoben werden kann; als Schulmann gehört er zu den tüchtigsten Männern seines Faches, der sich um das Volksschulwesen Schlesiens, Mährens und Niederösterreichs, freilich bisher nur von Gemeinden dieser Länder selbst gewürdigte Verdienste erworben hat; im Ganzen ist er ein Humanist, eine im Kaiserstaate noch dünn gesäete Sorte Menschen, die aber eben in Zeiten des Nationalitätenhaders und Sprachenkampfes in Schule und Leben im hohen Grade vermittelnd und versöhnend zu wirken berufen ist.

Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, I. L. Kober, Lex. 8°.) Bd. VI, S. 1014 [unter der Schreibung Prousek; er selbst schreibt sich Prausek]. – Fremden-Blatt. Von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1864, Nr. 315. – Porträt. Desselben geschah im Texte der Biographie Erwähnung.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Forschritt“.