Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 23 (1872), ab Seite: 68. (Quelle)
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Politzer, Adam (Docent der Ohrenheilkunde an der Wiener Hochschule und Fachschriftsteller, geb. zu Alberti in Ungarn im Jahre 1835). Sohn eines deutschen, in Ungarn ansässigen Kaufmanns, beendete er die medicinischen Studien an der Wiener Universität und widmete sich nach erlangtem Doctorgrade (1859) dem Studium der Ohrenheilkunde. Im Laboratorium des Physiologen Ludwig führte er eine Reihe, auf Experimentaluntersuchungen an Menschen und Thieren gestützte Arbeiten über die Physiologie des Gehörorganes aus, welche der [69] Akademie der Wissenschaften vorgelegt und in den Sitzungsberichten der Akademie (14. März 1861) veröffentlicht wurden. Im selben Jahre trat P. behufs praktischer Studien in der Ohrenheilkunde eine Reise nach Deutschland, Frankreich und England an. In Würzburg, wo er mit v. Tröltsch praktische Ohrenheilkunde studirte, unternahm er gleichzeitig eine Reihe von Versuchen über den Mechanismus der Muskeln der Ohrtrompete. Er wies nach, daß bei galvanischer Reizung des h. Trigeminus in der Schädelhöhle die Ohrtrompete, deren Muskel von diesem Nerven versorgt wird, erweitert werde. In Paris, wo er neben Meniére praktisch thätig war, stellte er gleichzeitig Versuche an über die Schwingungen des Trommelfells und der Gehörknöchelchen, und war es ihm bei diesen Versuchen gelungen den Hammer, Ambos und Steigbügel ihre eigenen Schwingungen niederschreiben zu lassen. Diese, sowie die früheren Versuche wurden von Claude Bernard, dem Physiologen an der Sorbonne, der französischen Akademie vorgelegt und diese ernannte eine Commission, welche die Richtigkeit der Resultate der Versuche bestätigte. In London hat P. sich vorzugsweise dem Studium der pathologischen Anatomie des Ohres zugewendet, wozu sich ihm in der sehr reichhaltigen Sammlung des berühmten Dr. Toynbee die günstigste Gelegenheit darbot. Nach Wien zurückgekehrt, wurde er nach bestandener Prüfung behufs der venia legendi vom Professorencollegium einstimmig zum Docenten der Ohrenheilkunde an der Universität vorgeschlagen, welchem Vorschläge bald die Ernennung von Seite des Unterrichtsministeriums (1861) folgte. Ein reichliches Materiale zu seinen weiteren Studien erhielt Politzer durch seine Ernennung zum Stadtarmen-Ohrenarzte von Wien durch die niederösterr. Statthalterei und durch die ihm gestattete Benützung des Krankenmaterials auf mehreren Abtheilungen des allgemeinen Krankenhauses und des Armen-Versorgungshauses am Alserbache. Bald zeigten sich die gemeinnützlichen Folgen dieser Thätigkeit, indem die Ohrenleidenden der ärmeren Volksclasse, welche früher wegen des gänzlichen Brachliegens der Specialität in Wien kaum berücksichtigt wurden, sich nun zahlreich in dem Ambulatorium einfanden, um Hilfe zu suchen. Das Ambulatorium diente gleichzeitig zur Belehrung für die aus Deutschland, Amerika, Schweden und Rußland kommenden Aerzte, welche sich zahlreich in den Cursen P.’s einfanden, um praktische Kenntnisse in der nur an wenigen Universitäten des Continents gepflegten Specialität zu erwerben. Im J. 1863. veröffentlichte Politzer ein von ihm erfundenes neues Heilverfahren gegen Schwerhörigkeit in Folge von Unwegsamkeit der Eustachischen Ohrtrompete und von Katarrh des Mittelohres. Durch die überraschend glänzenden Erfolge, welche mit demselben in zahlreichen Fällen erzielt wurden, hat dasselbe eine rasche Verbreitung am Continente sowohl wie auch in England und Amerika gefunden. Das Verfahren, jetzt allgemein „Politzer’sches Verfahren“ genannt, zeichnet sich durch seine Einfachheit aus, wodurch es von jedem praktischen Arzte angewendet werden kann, ferner daß es dem Patienten nicht jene schmerzlichen Empfindungen verursacht, wie die Anwendung des Catheters und daß durch dasselbe sehr häufig, namentlich bei Kindern, Heilung erzielt wird, wo früher nichts geleistet werden konnte. Seit der Einführung des P.’schen Verfahrens hat sich das percentuelle Verhältniß der geheilten Ohrenkranken [70] zu den nichtgeheilten um ein Bedeutendes vermehrt. Im Jahre 1864 gründete P. in Gemeinschaft mit Dr. v. Tröltsch und Schwartze das „Archiv für Ohrenheilkunde“ (Verlag von Stahel in Würzburg), von welchem bis jetzt sechs Bände erschienen sind. Es enthält fortlaufend die wichtigsten Entdeckungen im Gebiete der Ohrenheilkunde und hat viel zur Verbreitung der Specialität bei den praktischen Aerzten beigetragen. Im Jahre 1865 erschien die umfassendste Arbeit P.’s: „Die Beleuchtungsbilder des Trommelfells im gesunden und kranken Zustande, mit 24 chromolithographirten Trommelfellbildern“ (Wien, Braumüller). Es enthält die vollständigste, auf eigene Untersuchungen gegründete Lehre von den Krankheiten des Trommelfells und der Trommelhöhle. Die in dem Werke vertretenen Ansichten sind jetzt von den Fachgenossen als allgemein giltig angenommen worden. Die beigefügten färbigen Trommelfellbilder sind nach den von P. gemalten Originalien gefertigt. Das Werk wurde in New-York in die englische Sprache übersetzt. Im Jahre 1867 hat P. auf der Pariser Welt-Ausstellung ein Tableau pathologisch-anatomischer Präparate des Trommelfells ausgestellt, welches als Unicum auf der Welt-Ausstellung allgemeine Anerkennung fand. P. wurde von der Commission ausgezeichnet. Die Zahl der von P. veröffentlichten Arbeiten beträgt beiläufig 40 Nummern. Dieselben sind theils physiologischen und pathologisch-anatomischen, theils praktischen Inhalts. Von letzteren, sind hervorzuheben: „Ueber bewegliche Exsudate in der Trommelhöhle“ („Wiener medicinische Presse“ 1869); – „Die Therapie der beweglichen Exsudate“ („Wiener medicinische Wochenschrift“ 1870). Von den in letzter Zeit veröffentlichten anatomischen Arbeiten sind „Ueber gestielte Gebilde im Mittelohre des menschlichen Gehörorgans“ („Archiv für Ohrenheilkunde“, Bd. 5) und „Ueber ein Höhlensystem zwischen Trommelfell und Hammerhals“ (Wiener medicinische Wochenschrift“ 1870) erwähnenswerth.

Gartenlaube. Illustrirte Wochenschrift (Leipzig, Ernst Keil, gr. 4°.) Jahrg. 1867, Nr. 43, S. 682: „Aus der Sprechstunde eines Ohrenarztes“. Von Dr. Hassenstein. –Zarncke’s Literarisches Centralblatt (Leipzig, Avenarius), 1866, Sp. 680. –