BLKÖ:Patuzzi, Alexander

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 21 (1870), ab Seite: 355. (Quelle)
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Patuzzi, Alexander (Schriftsteller, geb. zu Wien 11. März 1813, gest. ebenda im April 1869). Die Familie Patuzzi’s ist eine italienische und zu ihr gehört der seiner Zeit berühmte Jesuitengegner Vincenz Patuzzi (geb. zu Verona 1700, gest. zu Venedig 1769), Dominikanermönch und Verfasser mehrerer gelehrten theologischen Schriften, u. a. der in theologischen Kreisen einst sehr geschätzten „Ethica cristiana“. Ein Zweig dieser Familie verließ die italienische Heimat, kam nach Oesterreich und ließ sich daselbst bleibend nieder. Aus diesem stammt Alexander Patuzzi; er studirte in Wien, begann daselbst auch das medicinische Studium, das er aber bald wieder aufgab, worauf er den Buchhandel erlernen wollte und, nachdem er hie und da conditionirt, bei Kollmann in Leipzig als Gehilfe diente. Kollmann zählte zu jenen Männern seines Geschäftes, die es den Leuten, so ihrer Führung anheim gegeben sind, nicht gerade leicht machen, um sie eben zu tüchtigen Männern ihres Faches heranzubilden. Alexander P. erkannte wirklich nicht, oder wollte diese humane, unter rauher Außenseite sich verbergende Absicht nicht erkennen, kurz unter beiderseitigem Mißbehagen löste sich das Verhältniß von Meister und Gehilfe. P. soll damals zum bleibenden Andenken an diese seine Lehrzeit ein unsauberes Pamphlet, „Das schwarze Buch“ oder anders betitelt, gegen Kollmann geschrieben haben, welches wie andere seiner späteren Werke spurlos in der Literatur verschwunden ist. Nun erzählen seine Biographen von Reisen, welche P. in Deutschland, Italien und in der Schweiz gemacht. Ob auf eigene Kosten oder im fremden Auftrage ist nicht bekannt. Zu Ende der Vierziger-Jahre kehrte P. nach Wien zurück, wo er zum Theile kleinere Arbeiten in Zeitschriften und Almanachen veröffentlichte, nachdem er schon früher mit einer Sammlung von Gedichten und mit einer größeren epischen Dichtung: „Der Thron von Württemberg“, debütirt hatte. Im Jahre 1850 ging er nach Gratz. um an der Redaction der dort erscheinenden Landeszeitung mitzuwirken, aber auch in dieser Stellung verharrte er nicht lange, denn schon im folgenden Jahre kehrte er nach Wien zurück, wo er seither von dem Erträgnisse schriftstellerischer Arbeiten der verschiedensten Art lebte. Die erste Zeit seines Schaffens gehörte der Poesie an. Wenn auch – nach dem Ausspruche der Kritik – was er schuf, nicht von Bedeutung und ohne bleibenden Werth ist, so offenbart sich doch in seinen Dichtungen mitunter Phantasie, die freilich durch forcirte Schwermuth und mangelhafte Form des Ausdruckes beeinträchtigt wird. Geradezu unbedeutend und alle Schwächen einer [356] unvollendeten Bildung zur Schau tragend, zeigt er sich aber auf dem ernsteren Gebiete der Geschichte; nichtsdestoweniger, während seine Arbeiten in dieser Richtung von der Fachkritik entschieden zurückgewiesen wurden, erquickte sich weidlich daran der Janhagel, dem das Stoffliche genügte, um seine Leselust zu befriedigen, dem aber Kenntnisse, Einsicht und gesundes Urtheil fehlen, um die Bearbeitung des Stoffes zu prüfen, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden und auf Rechnung des Parteistandpunctes zu legen, was durch derbe, im Decorationsfarbentone aufgetragene Darstellung besticht und ungebildete Sinne vorweg einnimmt. Noch schlimmer ging es ihm mit den Uebersetzungen, bei denen seine vom Gesichtspuncte des geistigen Eigenthums beanständete Manipulation zu wiederholten Malen öffentliche und verdiente Zurückweisung erfahren mußte. Hier folgen nun Patuzzi’s im Drucke erschienene Schriften nach dem Zeitpuncte ihres Erscheinens: „Der finstere Herzog“. „Die Taufe des Erstgebornen“. „Die todte Schwester“. Novellen, alle drei im 2. Bande der Sammlung: „Bunte Reihe deutscher Original-Novellen der beliebtesten Erzähler neuester Zeit“ (Grimma 1840); – „Des Wanderers Pilgerfahrt und Heimkehr. Liederkranz“ (Ulm 1841, Nebling, 12°.); – „Schwäbische Sagen-Chronik“ (ebd. 1844, Heerbrandt u. Thämel, gr. 12°.); – „Der Thron von Württemberg. Dichtungen“ (Chur 1848, G. Hitz, gr. 8°.), eine poetische Chronik des Hauses Württemberg, unstreitig das Beste, was P. geschrieben hat; – „König und Aebtissin. Trauerspiel in drei Aufzügen nebst einem Vorspiele“, bildet die 14. Lieferung des bei Wallishausser (jetzt Klemm) in Wien seit 1853 erscheinenden „Wiener Theater-Repertoirs“; – „Geschichte Oesterreichs, dem Volke erzählt. Mit Illustrationen“ Heft 1–31 (Wien 1864, Wenedikt, hoch 4°.), dieses Werk wurde von der Kritik entschieden abgelehnt. In der dem Schlusse des Werkes beigefügten Uebersicht der Künstler, Dichter, Schriftsteller u. s. w. Oesterreichs hat P. natürlich auch seinen Namen – und gewiß mit Recht – eingefügt. Die Art und Weise jedoch, wie er sich selbst beurtheilt, zeigt ebenso wenig von schriftstellerischem Tacte, wie von einer bei dergleichen Arbeiten kaum zu entbehrenden Objectivität, und wird doch dieses Selbstlob seine Geisteskinder der Vergessenheit, welcher sie für alle Zeiten verfallen sind, nicht zu entziehen im Stande sein. In diesem Jahre erschien auch von ihm als vollständige deutsche Ausgabe: „Ernst Renan’s Leben Jesu, übersetzt“ (Wien, Wenedikt, gr. 8°., mit Renan’s Portr.); gegen diese Uebersetzung legte ein Berliner Verleger – wenn wir nicht irren, Schlingemann – entschiedene Verwahrung ein, nachweisend, daß sie das Plagiat einer in seinem Verlage herausgegebenen Uebersetzung des Werkes sei, an welcher nur die Anfangszeilen jedes Capitels umgeändert sind, das Uebrige aber wörtlich abgeschrieben ist. Es ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht bekannt, daß P. irgendwelche Schritte gethan, die Anschuldigung dieses ihm ernstlich vorgehaltenen literarischen Diebstahls irgendwie zu entkräften; – die „Geschichte der Päpste“ (Wien 1867, Wenedikt, hoch 4°.), an deren Vollendung P. durch seinen Tod gehindert wurde; jedoch wurde die Fortsetzung dieses Werkes anderen Händen anvertraut. Die „Neue freie Presse“ schreibt über dasselbe: „Welch riesiges Material stand dem Verfasser zu Gebote, was bringen aber die vorliegenden Hefte? [357] Eine Geschichte der ersten römischen Kaiser, welche in jedem Schulbuche besser zu lesen und weiter eine geschmacklose Aneinanderreihung von Namen, Facten und Jahreszahlen aus der Geschichte der Päpste in einer Form, welche auf jeder Seite mehr als einmal documentirt, wie sehr der Verfasser mit der Logik und mit der deutschen Sprache brouillirt ist. Von einem höheren Gesichtspuncte ist in den vorliegenden Heften nirgends eine Spur zu entdecken. Angesichts der Wichtigkeit, welche gerade jetzt eine auf der Höhe der Zeit stehende, populär geschriebene Geschichte der Päpste hätte, ist es um so beklagenswerther, daß Zeit, Mühe und Geld auf ein Unternehmen gewendet wurden, das so sehr hinter den billigsten Forderungen, welche heutzutage an ein Geschichtswerk vollberechtigt gestellt werden, zurückbleibt.“ Für diese Mängel des Werkes sollte ihm aber doch die Martyrerkrone nicht fehlen; denn einer oder mehrerer Stellen wegen, an denen jedoch nicht P. unmittelbar, sondern jenes Werk, aus welchem er den Text abgeschrieben, die Schuld trägt, wurde gegen ihn ein Proceß eingeleitet, welcher mit seiner Verurtheilung zu vier Wochen Kerkerhaft endete. Außerdem hat P. noch manches Andere – ob in gleicher Weise, wie Renan’s Leben Jesu, muß vorderhand dahingestellt bleiben – übersetzt, ohne sich jedoch zu nennen. Die Notizen, welche seinen Tod meldeten, schrieben ihm auch die Autorschaft der bei Waldheim in Wien mit trefflichen Illustrationen ausgestatteten „Geschichte der Jesuiten“ zu. In der That sind auch, obwohl P. auf dem Titel nicht genannt ist, die ersten Hefte des Werkes, etwa ein Drittheil des Ganzen, von Patuzzi. Auch der Vollendung dieses Werkes wurde er in letzterer Zeit durch seine Kränklichkeit, die mit dem Tode endete, entrissen. In seinem Nachlasse befinden sich dramatische und andere poetische Arbeiten, für die er keine Bühne und keinen Verleger gefunden, unter anderen zwei größere Dramen: „Theodora“ und „Die beiden Bürgermeister von Ulm“. Unzweifelhaft war P. ein Talent, das bei gründlicher Bildung, weniger Leidenschaftlichkeit und wenn es nicht dem Haifischhunger des Erwerbens preisgegeben gewesen wäre, immerhin Gutes hätte produciren können.

Kurz (Heinrich), Geschichte der deutschen Literatur mit ausgewählten Stücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller (Leipzig 1853–1868, B. G. Teubner, schmal 4°.) S. 39 u. 360. – Oesterreichischer Parnaß, bestiegen von einem heruntergekommenen Antiquar (Frey-Sing, Athanasius u. Comp. [Hamburg, Hoffmann u. Campe], 8°.) S. 35 [nach diesem Libell wäre P. schon im Jahre 1810 geboren; der „Antiquar“ entwirft folgende Silhouette Patuzzi’s: „Kleiner, beständig gestikulirender Buchhändler-Commis, der sich in allen in- und ausländischen Blättern aufdringt und sich auf sein Wissen viel einbildet; dünnhaarig, blaßrothes Gesicht, gellende widrige Stimme, klebt überall wie eine Klette an. Er hat übrigens sehr viel, aber ohne Anerkennung, geschrieben, denn seine Sachen gefallen nur ihm selbst, das Burgtheater will seine Stücke nicht annehmen]. – Neue freie Presse (Wiener polit. Blatt) 1867, Nr. 1027. – Fremden-Blatt von Gust. Heine (Wien, 4°.) 1869, Nr. 102, in der Rubrik: „Theater und Kunst“. – Oesterreichisches Balladenbuch. Herausgegeben von Ludwig Bowitsch und Alexander Gigl (Wien 1856, Dorfmeister, Taschenb. 8°.) Bd. II, S. 724 [nach diesem wäre P. am 9. März 1813 geboren; auch erscheint er daselbst als k. k. Beamter, wovon dem Herausgeber dieses Lexikons nichts bekannt ist]. – Porträt. Mit dem Facsimile des Namenszuges: Alexander Patuzzi. Guter, äußerst ähnlicher Holzschnitt ohne Angabe des Zeichners und Xylographen (4°.).