Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 19 (1868), ab Seite: 167. (Quelle)
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Moyses, Stephan (Bischof von Neusohl, geb. zu Weselé im Neutraer Comitate Ungarns 24. October 1797. Die Eltern, schlichte Landleute, verlor er frühzeitig. Ein Herrschaftsbeamter des Baron Révay übernahm des verwaisten Knaben erste Erziehung. Im Jahre 1806 ging M. nach Tyrnau und besuchte dort Hauptschule und Gymnasium, welch letzteres er im Jahre 1813 vollendete. [168] Da er einer der besten Schüler war, erhielt er Aufnahme im Graner erzbischöflichen Seminar, aus welchem er dann in das Central-Seminar nach Pesth kam. In Pesth betrieb nun M., dem bis dahin neben den classischen Sprachen nur die Muttersprache geläufig, außer dem Studium der Theologie auch jenes der modernen Sprachen, namentlich anderer slavischer, der deutschen, ungarischen und französischen. Im Jahre 1819, noch minderjährig und deßhalb zum Empfange der heil. Weihen nicht geeignet, übernahm er in einer ungarischen Familie eine Erzieherstelle. Nach im Jahre 1821 erlangter Volljährigkeit empfing er die heiligen Weihen und trat in die Seelsorge. Nachdem er acht Jahre als Caplan thätig gewesen, bewarb er sich im Jahre 1828, indem er noch zuvor die philosophische Doctorwürde erlangt hatte, um die Lehrkanzel der Philosophie an der königlichen Akademie zu Agram, welche er fast durch zwei Jahrzehende, bis 1847, versah. Neben dem vorgeschriebenen Fache der Philosophie hielt er auch noch Vorträge aus anderen Fächern, so z. B. aus der griechischen Sprache. Im Jahre 1837 erhielt er überdieß noch das Censoramt über die in Croatien erscheinenden Druckschriften. Slave von Geburt und Gesinnung, übte er gegen die nationale Literatur, die sich in verschiedenen Flugschriften gegen die von ungarischer Seite ausgeübte Bedrückung der Slaven in Ungarn und vornehmlich in Croatien stemmte, in mildester Weise das Censoramt, wodurch freilich der seit Jahrhunderten fortglimmende Nationalhader zwischen Ungarn und Croatien nicht beseitigt, M. aber in Handhabung seines Censoramtes in nicht geringe Conflicte mit der magyarischen Regierung verwickelt wurde, da er gegen die Slaven zu viel Nachsicht zu üben schien, so daß ihn endlich die Pesther Statthalterei seines Censoramtes enthob. Als später dasselbe dem Banus von Croatien untergeordnet wurde, erfolgte auch M.’s Rehabilitation. M. wurde nun akademischer Prodirector, aber ein Vorschlag des Agramer Bischofs, der M. zum Časmaer Domherrn in Antrag brachte, wurde von der Regierung abgelehnt. Als später der ungarische Statthaltereirath den Nationalen Ober-Schulendirector Kukuljevic vom Amte entfernt hatte, bestand diese Behörde auch darauf, daß M. von seinem Lehramte enthoben werde; dieser Maßregel kam jedoch M. dadurch zuvor, daß er sich in den Clerus der Agramer Diöcese einreihen ließ, worauf im Jahre 1847 seine Ernennung zum Agramer Domherrn erfolgte. Im nämlichen Jahre noch zum Ablegaten für den Preßburger Landtag gewählt, vertheidigte er auf demselben das legitime Recht Croatiens und wurde, als Banus Jellačić an der Spitze der Banalgeschäfte stand, zum Departementschef für den Cultus ernannt. Unter Einem versah er die Stelle eines Rectors des Seminar- und Deficientenfondes und zugleich die Redaction des nationalen Kirchenblattes: „Zagrebaćki katolički list“, d. i. Agramer katholische Zeitung. Als bald darauf in Wien die Berathungen über die politischen Verhältnisse der Monarchie und ihre künftige Gestaltung stattfanden, wurde auch M. als Vertrauensmann denselben beigezogen und war während seines Aufenthaltes in Wien besonders für die Erhebung des Agramer Bisthums zum Erzbisthum thätig. Im Jahre 1850 erhielt M. den erledigten Neusohler Bischofstuhl, und nahm im Juli 1851 seinen Bischofsitz ein. Auf diesem Posten übte nun M. mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln [169] eine einflußreiche Patronanz der in Ungarn wohnenden Slavenstämme aus und neigte sich im Anbeginn so sehr den auch zu jener Zeit energisch hervortretenden čechischen Bestrebungen zu, daß er Alles versuchte, der čechischen Sprache als Schriftsprache unter den Slaven Ungarns Eingang zu verschaffen und aus diesem Anlasse auch das čechische Kirchenblatt „Cyrill a Method“ in’s Leben rief. dessen leitender Geist eben er war. Aber hier fand er in dem gesunden Sinne der slavischen Völker Ungarns, denen es ebenso wenig behaglich schien von den prädominirenden čechischen Elementen aufgesogen, als von den magyarischen niedergehalten und erdrückt zu werden, entschiedenen Widerstand, so daß er sich gezwungen sah, der Mehrheit nachzugeben und für eine selbstständige slovakische Sprache und Schrift sich zu entscheiden, welche beide so viel Eigenthümliches in sich tragen, daß ihre Verschmelzung mit der čechischen nur zwangsweise geschehen müßte. Nachdem dieser Zwiespalt beseitigt und M. ganz den Geschäften seines Bischofamtes wiedergegeben war, faßte er die geistige und humanitäre Entwickelung der Slavenstämme seiner Diöcese vollends in’s Auge und entfaltete eine große und nutzbringende Thätigkeit. Er errichtete sofort das slovakische Obergymnasium zu Neusohl, eine Präparandie für Schullehrer, sorgte für ausgiebige Unterstützung slovakischer Jünglinge an den Universitäten, für die Verbesserung des Volksschulwesens, für Herausgabe populärer Schriften für das Volk, wie er denn auch mit bedeutenden Geldopfern die Errichtung eines großen katholischen Mädchen-Institutes in Neusohl in’s Werk setzte. Immer wie bisher war er ein entschiedener Verfechter der Rechte des Slovakenstammes in Ungarn, und im Jahre 1862 Führer der nationalen Deputation, als diese dem Kaiser das Memorandum von St. Martin überreichte. Unmittelbar darauf erfolgte die Bildung des slovakischen Literaturvereins „Matica slovenska“, dieses Brennpunctes der literarischen und nationalen Bestrebungen der Slovaken in Ungarn, deren Seele eben Bischof Moyses ist. Seine in den Versammlungen der Matica gehaltenen Reden, die für die Rechte der Slovaken mit dem Feuer nationaler Begeisterung einstehen, sind in Tausenden von Exemplaren unter seinen Stammgenossen in Ungarn verbreitet. Als er sich an die Spitze der oberwähnten Deputation gestellt, erhielt Bischof Moyses in kürzester Zeit über 700 Dankadressen von Gemeinden und Corporationen Oberungarns. M. ist auch bald darauf zum kön. geheimen Rathe ernannt worden.

Slavische Blätter. Illustrirte Zeitschrift für Literatur, Kunst und Wissenschaften u. s. w. der slavischen Völker. Herausgegeben von Abel Lukšić (Wien, 4°.) I. Jahrg. (1865), S. 632 u. f. – Zeitbilder (Pesther deutsches Unterhaltungsblatt, 4°.) 1862, Nr. 25, S. 149: „Stephan Moyses“. – Biographisches Lexikon, enthaltend Lebensskizzen hervorragender, um die Kirche verdienter Männer (Znaim 1861), S. 86. – Zeitgenossen. Almanach für das Jahr 1863 (Gratz, Trigler, kl. 8°.) S. 225. – Slavostní Album Cyrila Metodaj redakcyi Fr. Jar. Kubička a Mich. Křízé (Brun 1864, Rohrer, 4°.) S. 72–82; „Stefan Moyses“, pisal Michal Chrástek. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon, Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. V, S. 512. – Porträte. 1) Unterschrift: Stefan Moyses Biskup Bańsko-Bystricky. Lithogr. o. A. d. Z. u. Lith. Tisk Reiffensteina a Röscha ve Vidni (4°.), mit Wappen. – 2) Unterschrift: Stephan Moyses, Bischof von Neusohl und königl. geheimer Rath. Nach einer Photographie auf Holz gez. von Fr. Kriehuber; auch in Lukšić’ Slavischen Blättern 1865, S. 633.