Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mochnacki, Basil
Band: 18 (1868), ab Seite: 405. (Quelle)
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Mochnacki, Moriz (Schriftsteller, geb. zu Bojowiec in Galizien 13. September 1803, gest. zu Auxerres in Frankreich 20. December 1835). Welche Sorgfalt der Vater der Erziehung seiner Kinder, namentlich seines ältesten Sohnes Moriz zugewendet, ist bereits in der vorstehenden Lebensskizze erwähnt worden. Mit dem Vater übersiedelte er im J. 1820, damals bereits 17 Jahre alt, nach Warschau, wo er an der dortigen Universität einige Collegien besuchte. Dann begann er auch das Studium der Rechte und setzte es bis zum Jahre 1823 fort; der Theilnahme an geheimen Gesellschaften verdächtig, wurde er an der Erlangung der Doctorwürde gehindert und zur Uebernahme jedes öffentlichen Amtes unfähig erklärt, er betrat demnach im letztgenannten Jahre die literarische Laufbahn und schrieb einige Artikel für die von Franz Grzymała herausgegebene Zeitschrift „Astreya“. Zwei Jahre später, 1825, begründete er mit Michael Podczaszyński eine gelehrte Zeitschrift, betitelt: „Dziennik Warszawski“, d. i. Warschauer Tageblatt, deren Redaction er jedoch nur das erste Halbjahr führte. [406] Da alle seine Bemühungen, zur Advocatur zu gelangen, erfolglos blieben, sah er sich anderweitig nach Arbeit um, für die er sich befähigt hielt, und wurde vom Jahre 1826 bis 1830 Mitarbeiter der „Izys polska“, d. i. Die polnische Isis, eines der Industrie und Landwirthschaft gewidmeten Blattes, und zugleich versah er die Stelle eines Adjuncten in der das Fabrikswesen überwachenden Section des Ministeriums des Innern. Unter Einem aber setzte er in seinen Mußestunden das Studium der Philosophie und Literatur auf das Eifrigste fort. Im Vereine mit Xaver Bronikowski begründete er die „Gazeta polska“, welche er vom 1. December 1827 bis 1. December 1829 redigirte. In dieser Zeitschrift, wie auch im „Kurjer polski“ erschienen viele Aufsätze M.’s, alle darauf berechnet, die Aufregung, die sich bereits seit Langem der Gemüther bemächtigt, im Gange zu erhalten. Zu gleicher Zeit verfaßte er auch mehrere anonyme revolutionäre Schriften, unter andern die an die polnischen Landboten gerichtete Stimme eines Bürgers aus dem unterjochten Lande, welche große Verbreitung im ganzen Lande, insbesondere unter den niederen Ständen fand. Wie er heimlich politisch thätig war und auf den Sturz der Regierung, welche keine der gegebenen Versprechungen gehalten, hinarbeitete, so trat er auch öffentlich, jedoch nach einer minder bedenklichen – der literarischen – Richtung entschieden reformatorisch auf. Mit seiner kurz vor Ausbruch der Revolution erschienenen Schrift: „O literaturze polskiej wieku dziewietnastym“, d. i. Von der polnischen Literatur im neunzehnten Jahrhunderte (Warschau 1830, neue Aufl. Posen 1844, 8°.), erscheint er förmlich als Bahnbrecher in Sachen des Geschmackes, und trug er zum richtigen Verständniß und gerechten Würdigung mehrerer neuerer Dichter, darunter vornehmlich Goszczyński’s und Malczewski’s wesentlich bei. Die ausgebrochene Revolution fand an ihm, der für sie als Mitglied der geheimen, sie verbreitenden Gesellschaften immer thätig gewesen, eines der energischesten Mitglieder, als ein eigenthümlicher Umstand mit einem Male allen seinen und so bedeutenden Einfluß lähmte. Chlopicki hatte nämlich, sobald Großfürst Constantin Warschau verlassen und die Bewegungspartei Herr der Stadt geworden war, die Papiere des Großfürsten mit Beschlag belegen lassen, und bei der Durchsuchung derselben fand sich der Plan zu einem neuen Systeme der Volkserziehung, von Mochnacki verfaßt und unterschrieben vor, wodurch Mochnacki in den Verdacht gerieth, ein Werkzeug der Pläne Rußlands zu sein. Mit diesem Plane aber hatte es folgendes Bewandtniß. Mochnacki war als Studirender zu wiederholten Malen, und zwar wegen Theilnahme an einem patriotischen Vereine verhaftet und längere Zeit in einem nach nordamerikanischen Grundsätzen eingerichteten Gefängnisse eingesperrt worden. Um bald wieder frei zu werden, nahm er zu einer List die Zuflucht, und suchte seine Unterdrücker durch eine verstellte Sinnesänderung zu täuschen. Zu diesem Zwecke verfaßte er ganz im Sinne der damaligen Warschauer Regierung einen Plan, wie in Polen durch ein neues Erziehungssystem die fortschreitende Aufklärung niedergehalten werden könne. M. erreichte auch vollends seinen Zweck, er wurde nämlich frei, ja noch mehr, diese Schrift wurde sogar dazu benützt, dem Großfürsten Constantin den Beweis zu liefern, wie dieses nach den nordamerikanischen Grundsätzen eingerichtete [407] Gefängniß, in welchem M. gesessen, sich entsprechend erweise, exaltirte Gemüther zum Gehorsam gegen die bestehende Regierung zurückzuführen! Diese Schrift wurde nun unter den Papieren des Großfürsten aufgefunden. Bei der damaligen Aufregung und dem damit verbundenen Mißtrauen, das überall Verdacht witterte, war das Schriftstück hinreichend, M. zu verdächtigen, und waren die Verhältnisse für M. nicht darnach angethan, um das Widersinnige dieses Verdachtes zu beweisen. So geschah es denn auch, daß alle Aufsätze, die er zu jener Zeit in der von ihm begründeten Zeitschrift „Mloda Polska“, d. i. Das junge Polen, veröffentlichte, und welche die kühnsten Vorschläge zur bleibenden Befreiung Polens enthielten, unbeachtet als von einem politischer Seits Verdächtigen herrührend, unwirksam blieben. Aber noch gab es einen Weg, sich von allem Verdachte zu reinigen: die persönliche Theilnahme am Kampfe zur Befreiung des Vaterlandes. Als Gemeiner trat M. in das erste Jäger-Regiment zu Fuß ein, den Officiersgrad, den ihm der Generalissimus Radziwill angeboten hatte, ablehnend. So focht er als Gemeiner in der Schlacht bei Grodno mit ausgezeichneter Bravour, bis die erhaltenen Wunden ihn kampfunfähig machten und nöthigten, sich auf’s Land zurückzuziehen und seiner Wunden zu pflegen. Einigermaßen hergestellt, erschien er wieder im Felde, und nahm an allen folgenden Kämpfen, bei Okuniew, Wawre, Liw, Dlugosiodło und Ostrolenka Theil, in welch letzterer Schlacht er wieder schwer verwundet wurde. Für seine Tapferkeit erhielt er das goldene Ehrenkreuz. Während er seine Wunden pflegte, schrieb er für die Zeitung: „Dziennik powszechny“, d. i. Allgemeines Tageblatt, gediegene Artikel, die jedoch ohne Wirkung blieben, weil ihm jene Partei, welche damals an der Spitze der Geschäfte stand, noch immer nicht recht traute. Nach dem Falle Warschau’s verließ M. mit vielen Tausenden das Vaterland und suchte in Frankreich eine Zuflucht. Dort lebte er zurückgezogen, mit wissenschaftlichen Arbeiten, vornehmlich mit einer Geschichte der letzten polnischen Erhebung beschäftigt, an der er ja selbst ein so werkthätiger Theilnehmer gewesen. Sie erschien öffentlich unter dem Titel: „Powstanie narodu polskiego r. 1830–31“, 2 Bde. (Paris 1834, neue Auflage 1850). In der letzten Zeit schon sehr leidend, nahm er seinen Aufenthalt in Auxerres, wo er auch, indem er die Zeit seines Todes genau vorausgesagt, im Alter von erst 32 Jahren starb. Erst nach seinem Tode wurde ihm das Vaterland gerecht, und nun erst wurde das Bild seiner energischen Thätigkeit für die Freiheit seines Vaterlandes in voller Reinheit hergestellt und wird sein Andenken seither von den Patrioten mit wahrer Begeisterung gefeiert. In Auxerres wurde ihm ein schönes Denkmal errichtet; seine zerstreuten Schriften und Briefe wurden mehrere Male herausgegeben, zuletzt und am vollständigsten unter thätiger Mitwirkung seiner Schwägerin Maria Pągowska, einer für die Sache Polens begeisterten Frau, sorgfältig gesammelt und in fünf Bänden (Posen 1863) veröffentlicht, von denen der 1. die Briefe an seine Mutter, der 2. und 3. die Geschichte der polnischen Erhebung in den Jahren 1830 und 1831, der 4. die vermischten Schriften, von denen schon im Jahre 1836 in Paris eine Ausgabe veranstaltet worden, und der 5. sein Werk über die polnische Literatur im 19. Jahrhunderte enthält. – Auch sein jüngerer Bruder und Kampfgenosse Camillo begab [408] sich nach dem Falle Warschau’s nach Frankreich, wo er, sehr jung noch, am 17. August 1833 starb. Seine kleineren literarischen Arbeiten sind in der oberwähnten fünfbändigen Ausgabe der Werke seines Bruders Moriz enthalten, wo sich auch eine ausführlichere Lebensskizze des Letzteren befindet.

Dziennik literacki, d. i. Literarisches Tageblatt (Lemberg, Karl Wild, gr. 4°.) Nr. 98, 99, 100, 101 u 102: „Maurycy Mochnacki“ [eine ausführliche biographische Studie; den Jahrgang der Zeitung anzugeben, bin ich außer Stande, da, sonderbar genug, keine der mir zu Gebote stehenden Nummern, welche die Biographie bringen, die Angabe des Jahres enthält]. – Encyklopedija powszechna, d. i. Allgemeine polnische Encyklopädie (Warschau, Orgelbrand, gr. 8°.) Bd. XVIII, S. 707 [nach diesem gestorben 20. December 1835]. – Nouvelle Biographie générale ... publiée par MM. Firmin Didot frères, sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1850 et s., 8°.) Tome XXXV, p. 723 [nach dieser gestorben 20. December 1834]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Bd. XXI, S. 1017 [nach diesem gest. 20. December 1834]. – Slovník naučný. Red. Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Ladisl. Rieger (Prag 1859, Kober, Lex. 8°.) Bd. V, S. 408 [nach diesem auch gestorben 20. December 1834]. – Brockhaus’ Conversations-Lexikon, X. Auflage, S. 550. – Rycharski (Lucian Tomasz), Literatura polska w historiczno-krytycznym zarysie, d. i. Die polnische Literatur im historisch-kritischen Grundriß (Krakau 1868, J. M. Himmelblau, 8°.) Bd. II, S. 316, 325 u. 326. – Nehring (Wladyslaw), Kurs literatury polskiéj (Poznan 1866, Zupański, gr. 8°.) p. 308. – Blätter für literarische Unterhaltung (Leipzig, Brockhaus, 4°.) Jahrg. 1838, Nr. 2. –