Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 18 (1868), ab Seite: 309. (Quelle)
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Mildner, Moriz (Tonkünstler, geb. zu Türmitz bei Leitmeritz in Böhmen 7. November 1813, gest. zu Prag 4. December 1865). Sein Vater Franz Mildner war Amtsverwalter in Preitenhof, einem im Czaslauer Kreise gelegenen gräflich Nostiz’schen Besitzthume. Den ersten musikalischen Unterricht ertheilte ihm sein Vater, im Jahre 1822 aber, damals zehn Jahre alt, kam M. in das Conservatorium nach Prag, in welchem er seines zarten Alters wegen und auf den Wunsch seiner Lehrer, Dir. Fr. Dionys Weber und Pixis, neun Jahre blieb. Als Pixis starb und M. mit seinem Collegen Bezdek sich um dessen Stelle, die Professur der Violine, bewarb, trug M. den Sieg über seinen Mitbewerber davon, und bekleidete diese Stelle bis an seinen Tod, zugleich war er Orchesterdirector bei dem deutschen Landestheater in Prag. Als musikalischer Pädagog nahm M. eine hervorragende Stelle ein. Sein Name als solcher war weit über die Grenzen seines Vaterlandes [310] bekannt, und wurde durch die ausgezeichneten Schüler, die er seit Jahren gebildet, über den Ocean getragen. Unter seinen Schülern seien hier genannt: Ferdinand Laub, Nemetz, jetzt in Rußland, Schuster, Concertmeister zu Königsberg in Preußen, Jul. Grünwald in Berlin; Johann Anger in Warschau; Adolph Kökert in Genf, Paulus, gestorben in Rotterdam, bekanntlich Mitglied des Mildner-Goltermann’ schen Quartetts; Herner aus Rendsburg; Bennewitz in Stuttgart; Wilhelm Labitzky in Amerika; Ludwig und Adolph Hrimaly in Gothenburg und Amsterdam; Stabler in St. Petersburg; Vasiliev in Rußland; Sitt in Meiningen; unter seinen weiblichen Schülern sind aber anzuführen die berühmten Geschwister Brousil [Bd. II, S. 161], welche M. ihre ganze künstlerische Ausbildung verdanken; die beiden Schwestern Treska u. A. Als Dirigent bei Wohlthätigkeits-Concerten wirkte M. immer unentgeltlich mit, und erwarb sich so in einer Reihe von Jahren um Prags Humanitätsanstalten und Vereine namhafte Verdienste. Gleiche Uneigennützigkeit zeigte M. bei Ausbildung junger strebsamer Talente, bei denen ihn nie materielle Rücksichten leiteten, sondern immer nur das sich kundgebende Talent des Zöglings zu oft aufopfernder Thätigkeit anregte. Fremde Künstler höheren und niederen Ranges, welche in Prag zu concertiren beabsichtigten, unterstützte er mit Rath und That mit dem ganzen Gewichte seiner vieljährigen Erfahrungen, seiner ausgebreiteten Bekanntschaften und ohne jede Rücksicht auf materielle Vortheile. Durch und durch Humanist, übte er diesen Humanismus, so und wo er nur konnte, praktisch aus, und von der Ueberzeugung durchdrungen, daß wahre künstlerische Bildung nicht ohne allgemeine humanistische Bildung bestehen könne, eine Wahrheit, die allen reisenden und stabilen Geigern, Tastenschlägern, Solo- und Quartettsängern, und übrigen ausübenden Musikanten der Gegenwart nicht oft genug wiederholt werden kann, legte er seinen ganzen Einfluß als Gewicht in die Wagschale, um seine zahlreichen Schüler auch human zu bilden. Sehr bezeichnend ist die Charakteristik, die ein Fachmann, Dr. Laurencin, von Mildner entwirft. „Mildner“, schreibt Dr. Laurencin, „war einer der wenigen Musiker älteren Schlages, denen frühzeitig der Zug und Drang unserer Gegenwart nach allgemeiner harmonischer Durchbildung des Kunstmenschen zum Manne der Wissenschaft und Weltbildung klar geworden war. In Folge dieses Dranges und Erkennens blieb M. kein irgend bedeutendes Werk deutscher und fremdländischer Zunge unbekannt. Er war ein Mann umfassender Belesenheit, feinster socialer Bildung, und ebenso glücklicher und geistvoller Darstellungsgabe als Redner und Lehrer, wie als Interpret musikalischer Werke. Sein Gespräch war immer anregend, immer Zeugniß gebend von geistigem Schwunge, von jenem Zuge, der den geistvollen und vielseitig unterrichteten vom Stockmusiker scheidet. Eben dasselbe Gepräge trugen seine Vorträge am Prager Conservatorium. Mancher verknöcherte Zögling, ja selbst so mancher einseitig Gebildete seiner Collegen mochte diese Vorträge wohl impopulär gefunden haben. Wie innig aber bei M.’s Unterrichtsart Theorie und Praxis Hand in Hand gegangen, bezeugen lebendige Resultate seines Lehrganges, wie Laub, Nemetz, Hrimaly u. A. Welche Saite des Wissens und der [311] Kunst man bei M. berühren mochte, stets klang sie wieder. Das gesprochene Wort war ihm ebenso geläufig wie das in Tönen verkörperte. Eben darum ist er unter seines Gleichen sehr hoch zu stellen und sein Verlust gleich beklagenswerth, wie nicht leicht ersetzbar, denn selten geben sich wahre Größen der Zeit zum Lehramte her. Sie schaffen lieber, oder sie wirken so lange, wie immer könnend, als Virtuosen zu Nutz und Frommen der hörlustigen Welt und ihrer Tendenzen.“ Ueber Mildner als Compositeur ist nur wenig zu sagen. Die Art und Weise, wie er sich als musikalischer Humanist ganz dem Unterrichte und der Förderung der Musik als Kunst in des Wortes reinster Bedeutung hingab, ließ ihm nur wenig Zeit übrig, sich in die Wonnen des Schaffens zu vertiefen, und so ist es nur Weniges, was von ihm vorliegt. Vor Jahren, wo M., wie der „Slovník“ bemerkt, der Erste war, der čechische Lieder für die Violine componirte, erschienen ein Paar derselben im Stiche, von denen eines eine Phantasie auf ein beliebtes Volkslied eine sehr große Verbreitung gefunden hat. Im Nachlasse fanden sich einige Compositionen in Handschrift. Eine im J. 1860 bei Veit in Prag erschienenen „Etude de Concert pour Violon avec Piano“ trägt das Opus-Nummer 10. Uebrigens wurde der Druck seines musikalischen Nachlasses bei den Prager Musikverlegern Christoph und Kuhe in Aussicht gestellt. An die Stelle Mildner’s, der unstreitig die hervorragendste Persönlichkeit des Prager Conservatoriums war, ist R. Dreyschock [Bd. III, S. 382] aus Leipzig berufen worden.

Zellner’s Blätter für Theater, Musik u. s. w. (Wien, schm. 4°.) 1865, Nr. 98, 103 u. 110. – Bohemia (Prager politisches und Unterhaltungsblatt, 4°.) 1865, Nr. 289, S. 1495; Nr. 290, S. 1506; Nr. 291, S. 1519. – Oesterreichischer Volks- und Wirthschafts-Kalender (Wien, Prandel, gr. 8°.) Jahrg. 1867. [Daselbst heißt sein Geburtsort unrichtig Türnitz statt Türmitz; Türmitz liegt in Böhmen, Türnitz aber in Niederösterreich, unweit Lilienfeld]. – Schilling (G. Dr.), Das musikalische Europa (Speyer 1842, F. C. Neidhard, gr. 8°.) S. 236. – Gaßner (F. S. Dr.), Universal-Lexikon der Tonkunst. Neue Handausgabe in einem Bande (Stuttgart 1849, Frz. Köhler, Lex. 8°.) S. 614. – Neues Universal-Lexikon der Tonkunst. Angefangen von Dr. Julius Schladebach, fortgesetzt von Eduard Bernsdorf (Dresden 1857, R. Schäfer, gr. 8°.) Bd. II, S. 999. – Slovník naučný. Redaktor Dr. Frant. Lad. Rieger, d. i. Conversations-Lexikon. Redigirt von Dr. Franz Lad. Rieger (Prag 1839, Kober, Lex. 8°.) Bd. V, S. 327 [nach diesem ist M. am 6. November 1813 geboren].