Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Miglioranza, Johann
Band: 18 (1868), ab Seite: 250. (Quelle)
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Migliara, Johann (Prospectmaler, geb. zu Alessandria im Piemontesischen 15. October 1785, gest. zu Mailand 18. April 1837). Obgleich im Piemontesischen geboren, so hat er doch von früher Jugend an die übrige Lebenszeit in Mailand seine Kunst ausgeübt und unter der österreichischen Regierung seinen Ruf als Künstler erlangt, weshalb ihm eine Stelle in diesem Werke eingeräumt wird. Migliara ist ein Sohn armer Eltern, der in frühester Jugend Talent zur Kunst zeigte und schon als Knabe Ansichten seiner Vaterstadt zeichnete, so daß ihn seine Eltern nach Mailand zu Luigi Zuccoli schickten, der ihn in der Holzschnitzerei unterweisen sollte. Zuccoli, der das Talent des Knaben alsbald erkannte, schickte ihn auf die Brera, wo er unter Giocondo Albertolli und Levati die Ornamenten-, Perspectiv- und Architectur-Zeichnung erlernte, worauf er bei dem berühmten Maler Galeari Unterricht in der Decorationsmalerei nahm. Dort leistete M. in Gemeinschaft mit Landriani, Perego und Sanquirini so Ausgezeichnetes, daß Galeari’s Ruf durch den Geschmack in den Arbeiten des Genannten weit über die Grenzen Mailands sich verbreitete. Von 1802 bis 1810 arbeitete M. als Decorationsmaler, aber von Haus aus schwächlicher Gesundheit, hatte er dadurch, daß er in einer feuchten Kirche Mailands längere Zeit an einem Grabdenkmal gearbeitet, sein Leiden so verschlimmert, daß er die Decorationsmalerei aufgeben mußte. Unvermögend auf seinen Füßen zu stehen, konnte er nur mehr sitzend arbeiten, und führte nun im kleinsten Maßstabe mit einer Zartheit und Genauigkeit ohne [251] Gleichen Alles aus, was er früher in großen Dimensionen und im Hinblicke auf nächtliche Lampenbeleuchtung gemalt hatte. Diese neuen Arbeiten Migliara’s fanden alsbald gerechte Bewunderung und kleine Schatullen auf dem Deckel mit Ansichten von Migliara gingen reißend ab. Auf diese Weise fristete M., seitdem er auf sich selbst gestellt war, sein Leben, aber sein Drang, Größeres zu schaffen, wozu er das Talent in sich fühlte, ward damit noch nicht gestillt. Er verfiel auf den Gedanken, die bisher übliche Prospectmalerei zu reformiren, und er malte nun Prospecte, Ansichten u. dgl. m. mit einer Meisterschaft und Genauigkeit der Perspective, stellte aber zugleich der Oertlichkeit angemessene Scenen darauf dar, kurz, er verband Prospectmalerei mit Genremalerei in geistreicher Weise, welche Gattung Bilder Defendente Sacchi unter der Bezeichnung pittura urbana zusammenfaßte und als deren Erfinder Migliara angesehen werden kann. Diese Arbeiten Migliara’s fanden die beifälligste Aufnahme. Er vollendete in dieser Weise eine Reihe der schönsten Ansichten des inneren und äußeren Domes von Mailand, der verschiedenen malerischen Denkmäler der Stadt und ähnlicher Veduten einzelner Städte in Piemont, in der Lombardei, Romagna, in Toscana und vornehmlich im Venetianischen, wozu Venedig selbst ihm eine reiche Ausbeute lieferte. Diese Arbeiten, einzig in ihrer Art, gehoben durch die Meisterschaft in Anwendung des Lichtes und Schattens, erregten allgemeine Bewunderung, und weil diese Gattung eben Niemand als er so trefflich ausführte, so hatte er, ohne zu wollen, ein eigenes Genre geschaffen, das nach ihm das „Genre Migliara’s“ und seine Bilder „Bilder à la Migliara“ genannt, wie er selbst als Meister des Lichtes (signore della luce) bezeichnet wurde. Migliara’s Arbeiten sind ungemein zahlreich, darunter, wie schon bemerkt, viele Ansichten des Mailänder Domes, „Das Innere der Kirche San Ambrosia“, „Ansicht des Canals von Mailand“, dann wieder einige Genrestücke, als: „Ildegonda“; – „Karl V. im Kloster San Just“; – „Die Verurtheilung eines Templers“; – „Franz I. als Gefangener in der Karthause von Pavia“ u. s. w. Bei diesen letzteren ist auch die figuralische Ausführung mit solcher Meisterschaft behandelt, daß sie ungeachtet der Trefflichkeit der Vedute in Perspective und Beleuchtung, wodurch sie eben als Veduten erscheinen, ebenso gut als Genrestücke angesehen werden können. Migliara’s Künstlerschaft fand allseitig große Anerkennung und Würdigung, der König von Piemont zeichnete ihn nicht nur mit seinem Civilverdienst-Orden aus, sondern ernannte ihn überdieß zu seinem Cabinetsmaler, und seine Vaterstadt Alessandria, obgleich er seit seiner Kindheit nicht mehr in ihr wohnte, ließ es sich doch nicht nehmen, den auswärts berühmt gewordenen Künstler dadurch zu ehren, daß sie im Jahre 1829 auf ihn eine Denkmünze prägen ließ. So war Migliara, wie einer seiner Biographen treffend bemerkt, „einer der wenigen Künstler, die in neuerer Zeit noch einen Glanz auf die italienische Schule werfen“. Er starb leider, erst 52 Jahre alt, viel zu früh für die Kunst, der er mit ganzer Seele angehörte und in der er in seinem Gebiete Schönes, ja Ungewöhnliches geleistet. – Seine Tochter Theodolinde trat in die Fußstapfen des Vaters. Im Jahre 1814 in Mailand geboren, bildete sie sich unter der Leitung ihres Vaters und malte gleich ihm Prospecte, Veduten u. dgl. m., und gleichfalls [252] mit solcher Meisterschaft, daß ein von ihr im Jahre 1840 gemaltes Bild: „Ansicht des Domes und Domplatzes zu Como“ (Lwd., 2 Schuh 51/2 Zoll hoch, 2 Schuh 21/2 Zoll breit) Aufnahme fand in der Abtheilung: „Moderne Schule“ der k. k. Gemälde-Gallerie im Belvedere zu Wien, eine Auszeichnung, die eben nur ausgezeichneten Kunstwerken zu Theil wird.

Tipaldo (Emilio de), Biografia degli Italiani illustri nelle scienze, lettere ed arti del secolo XVIII e de’ Contemporanei ecc. ecc. (Venezia 1837, tipogr. di Alvisopoli, gr. 8°.) Tomo V, p. 25. – Nagler (G. K. Dr.), Neues allgemeines Künstler-Lexikon (München 1839, Fleischmann, 8°.) Bd. IX, S. 273. – Biographie des hommes vivants ou histoire par ordre alphabétique de la vie publique de tous les hommes qui se sont foit remarquer par leurs actions ou leur écrits (Paris 1816, L. G. Michaud, 8°.) Tome IV, p. 430. – Nouvelle Biographie générale ... publiée sous la direction de M. le Dr. Hoefer (Paris 1850 et s., Firmin Didot, 8°.) Tome XXXIV, p. 478.