Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mazza, G.
Band: 17 (1867), ab Seite: 202. (Quelle)
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Mazza, Nikolaus (Humanist, geb. zu Verona im Jahre 1790, gest. ebenda in der Nacht vom 1. zum 2. August 1865). Von Haus aus sehr vermöglich, wandte sich M., seinem Drange folgend, dem Priesterstande zu. Nach beendeten theologischen Studien widmete er sich dem Lehramte, war aber zugleich in der Seelsorge thätig. Bald lernte er die Nachtseiten des menschlichen Lebens, das Elend der Armen, die Hilflosigkeit der Waisen, das Unglück der von ihren Eltern verwahrlosten Kinder kennen, und half immer, wo er sah, daß Hilfe [203] von nöthen und noch möglich war. Aber bald genügte ihm diese Weise, Vereinzelten Hilfe zu spenden, nicht mehr, und er gerieth auf den Gedanken, zwei Institute zu gründen, eines für dürftige studirende Jünglinge, das andere für junge arme verlassene Mädchen. Aus diesen beiden entwickelte sich in der Folge der Jahre ein drittes für die Missionen in Central-Afrika. In das erste Institut, in welchem Knaben von untadelhaften Sitten Aufnahme fanden, und welche in den Studien einen ausgezeichneten Fortgang in jedem Gegenstande nachweisen mußten – sonst wurden sie unnachsichtlich entlassen – wurden 25–30 Zöglinge aufgenommen, denen, wenn sie das Gymnasium beendet, die Wahl des künftigen Berufsstudiums frei blieb. Dieses konnten sie dann wieder, wenn sie Geistliche werden wollten, bei ihm in Verona, oder wenn sie sich für das Studium der Rechte oder Medicin entschlossen hatten, in seinem Institute zu Padua fortsetzen und vollenden. So sind aus diesem Institute, welches etwa seit 1826 besteht, eine bedeutende Anzahl ausgezeichneter Priester, sowie tüchtiger Aerzte und Rechtsgelehrten hervorgegangen. Dabei nahm die Zahl der „Zöglinge immer mehr zu und betrug jene der Alumnen (Gymnasiasten, Theologen, Juristen und Mediciner) im Jahre 1856 auf nahezu zweihundert Köpfe. Das weibliche Institut, welches etwa eine Meile von dem ersteren entfernt – alle Canterine – sich befindet, umfaßt bei seiner großartigen Ausdehnung, indem es nahezu 300 Individuen zählt, eine ganze Häuserreihe. Die Mädchen darin werden in verschiedenen Lehrgegenständen und in weiblichen Arbeiten zu dem Zwecke unterrichtet, um in guten Häusern als Dienstboten aufgenommen zu werden. Viele sind unmittelbar aus dem Institute zur Hochzeit gegangen und sind vortreffliche Hausfrauen geworden. Die derzeitigen Lehrerinen sind aus der Anstalt selbst hervorgegangen. In beiden Instituten, im männlichen und im weiblichen, befinden sich Neger, im ersteren Knaben, im letzteren Mädchen, und durch diesen Umstand gerieth Mazza auf die Idee, aus beiden Instituten jenes dritte für die Missionen in Central-Afrika zu gründen. Jene Zöglinge nun, welche im Knaben-Institute sich dem geistlichen Stande widmen, machten nach beendeten theologischen Cursen bei Mazza selbst durch volle vier Jahre die für die Missionäre nothwendigen Studien und müssen vornehmlich außer der heiligen Schrift mehrere neuere Sprachen erlernen. In diesem dritten Institute werden nun die Priester zu Missionären und die Negerknaben und Negermädchen, sei es zu Missionären oder Lehrerinen gebildet, oder auch als katholische Ehegatten in das Innere von Afrika gesendet, um auf diese Weise ein katholisches Element unter die Wilden zu bringen. So war Angelo Vinco der erste Missionär aus dem Institute Mazza, der sich im Jahre 1847 nach Gondocoro begab und dort einige Jahre wirkte, bis er im Jahre 1852 dem Klima unterlag. Ihm folgte aus der Anstalt Giovanni Beltrame, Antonio Castegnaro, Daniel Comboni, Alexander Dal Bosco, Franz Oliboni, Angelo Melotto u. A. Diese Institute, deren segensvolle Wirksamkeit sich täglich fühlbarer machte, erforderten denn auch im Hinblicke auf ihre große Ausdehnung bedeutende Summen. Uebrigens muß hier bemerkt werden, daß Mazza seine Institute, wenngleich er die höheren geistigen Zwecke zunächst im Auge behielt, doch [204] auf ganz praktische Grundlagen zu stellen bemüht, und ihre Zukunft nach seinem Tode zu sichern immer bedacht war. So umgab er sich einerseits mit Geistlichen, Die ihm verwandt in Gesinnung und Grundsätzen gleich fähig, wie geneigt sind, im Geiste des Stiftes fortzuarbeiten; andererseits suchte er seine Anstalten so viel als nur möglich von zufälligen Unterstützungen dadurch unabhängig zu machen, daß die Zöglinge in den mannigfaltigsten Hand- und Kunstarbeiten, jeder entsprechend den Fähigkeiten, die besonders bildsam erschienen, unterrichtet wurden, wodurch es dann geschah, daß aus der Anstalt ganz vorzügliche Arbeiten hervorgingen, welche auf mehreren Ausstellungen Bewunderung erregten, und durch deren Absatz der Unterhalt der Zöglinge erleichtert und gefördert wurde. Nichtsdestoweniger kamen freilich Fälle vor, daß M. mit einem Male aller Hilfsmittel baar und auf Almosen angewiesen war. Und im Hinblicke auf diesen schon öfter vorgekommenen Umstand erzählt uns Mazza’s Biograph Mitterrutzner: natürlich ergab sich unter solchen Umständen die Frage, ob denn des Gründers Reichthum unerschöpflich, daß er eine solche Anzahl junger Leute zu versorgen im Stande sei? Von den vielen Tausenden des Vermögens, welche Mazza besaß, ist seit vielen Jahren kein Heller mehr vorhanden. Der Ankauf der nothwendigen Localitäten, und die Befriedigung der schreiendsten Bedürfnisse während der ersten Jahre dieser Anstalt verschlang große Summen. Obwohl nun in den letzten Mißjahren die milden Beiträge sehr spärlich flossen, blieb doch die Hilfe, wenn die Noth am höchsten gestiegen, nie aus. Immer fand sich der eine oder der andere Wohlthäter, der offen oder insgeheim half. Es sind, schreibt sein Biograph, Fälle vorgekommen, daß Mazza für seine fünfhundert Alumnen am Morgen weder einen Heller Geld noch ein Stäubchen Mehl im Hause hatte – und um Mittag sollten alle essen. Und sie aßen, wenn auch nur ein Stück gelbe Polenta. Bei solcher Gelegenheit schritt M., jedoch ohne Jemand um ein Almosen anzusprechen, langsam durch die belebtesten Gassen der Stadt. Jeder Veronese kannte den Mann und sein Anliegen um diese Stunde. Und M. erhielt sein Almosen, und es ist sogar vorgekommen, daß ihn gerade die Stutzer und die Pflastertreter am reichlichsten beschenkten. Schon im Jahre 1838 erhielt M. in Anerkennung seiner humanitären Verdienste von Sr. Majestät dem Kaiser Ferdinand die große goldene Civil-Verdienstmedaille sammt Kette. Dieser Schatz war längst in’s Pfandhaus gewandert. Als nun Kaiser Franz Joseph im Jahre 1850 das lombardisch-venetianische Königreich bereiste, und auf seinem Zuge durch das Land nach Verona kam, löste eine vornehme Dame dieses Pfand für achthundert Lire aus und sandte es dem Eigenthümer, damit er mit demselben vor Sr. Majestät dem Kaiser erscheinen könne. Kaum aber war der Kaiser abgereist, so wanderten die Medaille und Kette wieder in’s Versatzamt. Nahezu durch ein halbes Jahrhundert hatte M. in so hochherziger Opferwilligkeit der armen und bedrückten Menschheit seine ganze Thätigkeit gewidmet und Trauer erfüllte die ganze Stadt Verona, in der jedes Kind und jeder Arme diesen edlen Wohlthäter kannte, als es im Monate Juli 1865 mit einem Male verlautete, Mazza sei erkrankt, und als bald darauf die Schmerzenskunde von seinem Tode durch [205] die Stadt lief, ging es wie eine Wallfahrt Tag und Nacht zu seinem Sterbehause, jeder wollte noch einmal – wenn auch nur im Tode – das theure Antlitz des Mannes sehen, der ganz im Geiste des ewigen Stifters unserer Religion, das „lasset die Kleinen zu mir kommen“ erfüllte, und wo er ging, Wohlthaten säete. Monsignor Luigi Markgraf von Canossa, Bischof von Verona, führte in Person am 4. August die Leichenfeier, welche sich zu einem Volksfeste der Trauer gestaltet hatte, wie ein solches Verona noch nicht gesehen. Don Mazza war 75 Jahre alt geworden, aber erst wenige Tage vor seinem Tode verließen ihn die Kräfte, die er bis dahin, ein rühriger ungebrochener Geist, den Kindern und den Armen gewidmet.

Oesterreichischer Volksfreund (Wien) 1856, Nr. 299: „Don Nicola Mazza und seine Institute in Verona, Padua u. s. w.; – derselbe 1865, Nr. 40 der Beilage zu Nr. 219. – Salzburger Kirchenblatt 1857, Nr. 19. – Tiroler Stimmen (Innsbrucker Journal, 4°.) 1865, Nr. 202 u. 203: „Don Nicola Mazza“. Von Dr. J. C. Mitterrutzner. – Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber, kl. Fol.) 1857, Nr. 711, S. 153 [In den Briefen über die Reise des Kaisers Franz Joseph durch das lombardisch-venetianische Königreich. Daselbst heißt es S. 155 im Briefe ddo. Verona 9. Januar, in welchem Näheres über das Institut Mazza berichtet wird: „von einem Institute des verstorbenen Dr. Nikolaus Mazza“, das ist ein Irrthum. Im Jahre 1857 lebte Mazza noch, der erst ein Jahrzehend später starb.] – Kleines biographisches Lexikon, enthaltend Lebensskizzen hervorragender, um die Kirche verdienter Männer (Salzburg 1861, Endl u. Pencker’sche Druckerei; später Znaim, Lenck’s Druck, 8°.) S. 82. – Zgodnja danica. Katolisk cerkven list, d. i. der Morgenstern. Katholisches Kirchenblatt (Laibach, 4°.) 1857, Nr. 10 u. 11: „Don Nikola Mazza“. –