BLKÖ:Marzani, Johann Baptist Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 17 (1867), ab Seite: 72. (Quelle)
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Marzani, Johann Baptist Graf (Staatsmann, geb. in Tirol 30. October 1794, gest. zu Padua 13. October 1865). Entstammt einer südtirolischen Adelsfamilie, über deren Adel und Genealogie Näheres in den Quellen mitgetheilt wird. Der Graf Johann Baptist beendete die juridischen Studien an der Wiener Hochschule und trat im Jahre 1816 in dem damals neu errichteten lombardisch-venetianischen Königreiche seine amtliche Laufbahn an. Stufenweise vorrückend, wurde er k. k. Gubernialrath und königl. Delegat, und zwar zuerst in der Provinz Belluno, dann in Friaul, in Padua und zuletzt in Venedig. Seine freisinnige Haltung erwarb ihm die Sympathien der Bevölkerung, wo er sein mochte; mit den Interessen des höchsten Dienstes, dem er treu ergeben war, wußte er geschickt jene der seiner Leitung anvertrauten Delegationen zu verbinden und für deren Aufschwung in materieller und geistiger Beziehung rastlos seine Bemühungen zu verwirklichen. Die Versuche der revolutionären Partei, ihn im J. 1848 für ihre Sache zu gewinnen, scheiterten an seiner Treue für das angestammte Kaiserhaus und er folgte damals den aus Venedig abziehenden k. k. Truppen. Bald wurde er über Vorschlag des damaligen k. k. Feldzeugmeisters Grafen Nugent zum General-Armee-Intendanten ernannt und mit der Verwaltung der wieder zu erobernden Provinzen als ad latus des Feldzeugmeisters betraut. Er machte nun den Feldzug zuerst an Nugent’s, dann an des Freiherrn von Welden Seite mit. Unter der Autorität des commandirenden Generals unternahm er es, die Selbstregierung des Landes zu begründen. Schon nach der Einnahme von Udine erfolgte die bezügliche Kundmachung, zufolge welcher den Gemeinden mehr Selbstständigkeit eingeräumt, diese von der behördlichen Bevormundung befreit und der gesammte Wirkungskreis[WS 1] des vorigen k. k. Guberniums in Gemeindesachen und anderen Fragen localer Natur den gewählten Landesvertretungen in den Provinzen übertragen wurde. Nach der Eroberung der Lombardie wurde er zum bevollmächtigten Hofcommissär nach Mailand berufen, um die Leitung der politischen Section zu übernehmen. Nun wurden die durch ihn für das Venetianische gewonnenen oberwähnten Freiheiten über seinen Antrag und auf Grundlage seiner Arbeiten durch den Feldmarschall Radetzky auf das ganze Königreich ausgedehnt, erweitert und später zum Landesgesetze erhoben. Aber nicht nur als Vorstand der politischen Section der Hofcommission entwickelte er eine einflußreiche, die Wohlfahrt des Landes mächtig fördernde Thätigkeit, auch der damalige Finanzminister, der sich in diplomatischer Sendung eben zu jener Zeit in Mailand befand, betraute M. mit mannigfachen Aufträgen, in deren Ausführung seine genaue Kenntniß der Personen und Verhältnisse maßgebend war. M. bearbeitete nun ein neues Gemeindegesetz, ferner den Entwurf eines Verfassungsstatutes mit parlamentarischen Formen für das Königreich. Nach der Schlacht von Novara wurde der Graf von dem Feldmarschall zum Belagerungscorps von Venedig [73] entsendet. Die Unterwerfung der Stadt stand bereits in naher Aussicht. Mit dem General der Cavallerie Ritter von Gorzkowski [Bd. V, S. 275] redigirte und unterzeichnete er die Capitulation Venedigs und hatte nun die schwierige Aufgabe, in dem revolutionären Chaos die gesetzliche Ordnung wieder herzustellen. In dieser Zeit wurde M. zum Ministerialrathe ernannt, bei Errichtung der Statthalterei derselben als Hofrath zugetheilt und dann zum Vice-Präsidenten befördert. In dieser Stellung entfaltete der Graf die einflußreichste Thätigkeit in allen Organisirungs- und legislativen Entwürfen, und hatte nach Herstellung der Central-Congregation den wirksamsten Antheil an dem vollständigen Ausbaue der administrativen Autonomie des Landes. Als Erzherzog Ferdinand Max General-Gouverneur des Königreiches wurde, ertheilte er dem Grafen den Auftrag, eine Denkschrift über das Armenwesen Venedigs, welches tief im Argen lag und Gegenstand vielfacher Klagen war, zu verfassen. Auf Grundlage derselben wurde sodann die Reform aller dieser Anstalten durgeführt, und die Grundzüge derselben über Einschreiten der Landesvertretung zum Gesetze erhoben. Des Grafen Wirksamkeit währte im Lande bis zum Ausbruche des Krieges im Jahre 1859. Während dieser Zeit flossen aus seiner Feder zahlreiche, die Verhältnisse des Königreiches betreffende Denkschriften, welche die seltenen Kenntnisse des Grafen über die Zustände, Lage und Bedürfnisse des Landes beweisen. Der letzte Auftrag, den ihm der Erzherzog Statthalter ertheilte, war, sich der im Dome von Monza aufbewahrten eisernen Krone und der übrigen Reichs-Insignien zu versichern und sie in Verwahrung nach Verona zu bringen. Als Vice-Präsident der Statthalterei des lombardisch-venetianischen Königreiches trat der Graf in den Ruhestand über. Der Graf war wirkl. geheimer Rath und in Anerkennung seiner Verdienste mit dem Orden der eisernen Krone 2. Classe ausgezeichnet worden. Der Graf war seit dem Jahre 1820 mit Julie verwitweten Freifrau von Wüllerstorf und Urbair vermält, und dadurch der Stiefvater des gegenwärtigen Handelsministers Freiherrn von Wüllerstorf. Die von den Journalen gebrachte Nachricht, daß der Graf kinderlos gestorben sei, ist falsch [vergleiche unten den Familienstand].

Zeitgenossen. Almanach für das Jahr 1863 (Gratz, S. Settele, kl. 8°.) S. 214. – Die Presse (Wiener polit Blatt, Fol.) 1865, Local-Anzeiger Nr. 287. – Wiener Zeitung 1865, Nr. 238 u. 241 [nach ersterer Notiz ist Graf M. zu Padua, nach der zweiten zu Venedig gestorben]. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wirkungkreis.