BLKÖ:Lorinser, Friedrich Wilhelm

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Lorinser, Gustav
Band: 16 (1867), ab Seite: 49. (Quelle)
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Lorinser, Friedrich Wilhelm (geb. zu Niemes in Böhmen 13. Februar 1817). Er ist der Sohn des obrigkeitlichen [50] Wundarztes Ignaz Lorinser, in Niemes (geb. 1771, gest. 1841) und Bruder des Gustav L. [s. d. S. 51] und des Karl Ignaz L. [s. d. S. 52]. Nachdem L. die Gymnasialclassen zu Jung-Bunzlau beendet, auch während dieser Zeit den Grund zu seinen naturwissenschaftlichen Studien gelegt hatte, setzte er in Prag die philosophischen Studien fort und wendete sich dann, durch Familienverhältnisse bestimmt und auch aus Neigung, dem Studium der Chirurgie zu. Die zwei theoretischen Jahrgänge der Chirurgie legte er in Prag, die beiden praktischen in Wien zurück, woselbst er im Jahre 1839 in das k. k. Operateurs-Institut aufgenommen wurde. Nach einer zweijährigen Ausbildung daselbst, wurde er 1841 als Sekundar-Wundarzt im Wiener allgemeinen Krankenhaus angestellt. Er versah diesen Dienst Anfangs auf der ambulatorisch-chirurgischen, später auch gleichzeitig auf der vierten chirurgischen Abtheilung unter der Leitung des Dr. Sigmund. Hier begann L. seine eigentliche wissenschaftliche Thätigkeit, indem er einzelne kleinere Aufsätze für die österreichischen medicinischen Jahrbücher schrieb und zugleich ausländischen jungen Aerzten Privat-Unterricht[WS 1] in der Instrumenten- und Verbandlehre, in der topographischen Anatomie und der praktischen Operationslehre ertheilte. In Abwesenheit seines, damals in Amerika reisenden, Primar-Arztes Dr. Heger wurde er zum supplirenden Primar-Wundarzt des allgemeinen Krankenhauses und im Jahre 1843 zum Primar-Wundarzt des Bezirkskrankenhauses auf der Wieden ernannt. In diesem, erst in der Entwicklung begriffenen Spirale, bot sich ihm ein weites freies Feld für die literarische und praktische Thätigkeit dar. Vor allem Andern entdeckte er die merkwürdige Wirkung der Phosphordämpfe auf die Kieferknochen, indem er durch zahlreiche Beobachtungen und Untersuchungen darthat, daß die an den Arbeiterinnen bei Phosphor-Zündhölzerfabriken vorkommende Krankheit, Knochenbrand der Kiefer, einzig und allein von der Einwirkung des Phosphors herrühre, eine Beobachtung, die bald nach ihrer Veröffentlichung auch in Deutschland, Frankreich und England bestätigt gefunden wurde. Obschon[WS 2] als Primar-Chirurg und auch als praktischer Arzt sehr in Anspruch genommen, vernachlässigte L. das Studium der Naturwissenschaften nicht und widmete seine freie Zeit der Pflege der Botanik. In Verbindung mit seinem Bruder Gustav L. [s. diesen] bearbeitete er ein Taschenbuch der Flora Deutschlands und der Schweiz in analytischer Form. Seinen chirurgischen Studien suchte L. vorzugsweise die topographische und die pathologische Anatomie zu Grunde zu legen und sammelte fleißig pathologische, namentlich Knochenpräparate. Er wies dem Sehnenschnitte, der bis dahin bei Verkrümmungen eine zu unbedingte Anwendung hatte, seinen gehörigen Platz an, beschränkte die Anwendung dieser Operation und widerlegte mehrere Irrthümer über Verkürzung der Sehnen und Muskeln bei den Gelenkzusammenziehungen, auf die er namentlich durch zweckmäßig angebrachten Druck und Zug zu wirken bemüht war. Hierauf gründete sich seine Methode der Behandlung von Contracturen des Knie- und Hüftgelenkes. Durch die von ihm angegebene Maschine heilte L. eine Menge von Verkrümmungen, welche früher den Bemühungen der ärztlichen Kunst widerstanden hatten und seine neue Heilmethode fand bald sowohl im [51] In- als Auslande Anerkennung und Nachahmung. Im Jahre 1848 erhielt L. durch Allerh. Entschließung das Ehrendiplom eines Doctors der Chirurgie; später wurde er an der Wiener Universität zum Doctor der Medicin promovirt. Im Jahre 1850 gründete er sein orthopädisches Institut in Wien, derzeit das einzige in der Monarchie, nachdem die früher in Wien, Prag und Pesth bestandenen derartigen Heilanstalten eingegangen waren. Das genannte Institut wurde im Jahre 1852 nach Unter-Döbling verlegt, woselbst es von L. in der Gesellschaft mit Dr. Fürstenberg fortgeführt wird. Im Jahre 1861 ist Dr. L. in den Gemeinderath der Stadt Wien gewählt worden. Kurz zuvor hatte er das Princip der Krankenpflege durch Ordensschwestern in öffentlichen Krankenhäusern auf das Entschiedenste angegriffen und bildete dieser Gegenstand längere Zeit die stehende Tagesfrage der Wiener Journalistik. Die bemerkenswerthesten Werke und Abhandlungen L.’s sind: „Taschenbuch der Flora Deutschland’s und der Schweiz“ (Wien 1848, Tendler) gemeinschaftlich mit seinem Bruder Dr. Gustav L.; – „Die Behandlung und Heilung der Kontrakturen im Knie- und Hüftgelenke, nach einer neuen Methode“ (Wien 1849, mit vier Tafeln, Gerold); – „Zweiter Bericht über die Leistungen der orthopädischen Heilanstalt zu Unter-Döbling in den Jahren 1851–1853“ (Wien 1854, Gerold); – „Dritter Bericht u. s. w.“ (ebd. 1856); – „Vierter Bericht u. s. w.“ (ebd. 1863); – „Merkur und Syphilis“ (Wien 1858); – „Ueber die Täuschungen und Irrthümer in Erkenntniss der allgemeinen Syphilis“ (ebd. 1859); – „Ueber Knochenentzündung“ (ebd. 1863); alle drei Abhandlungen auch in der Wiener medicinischen Wochenschrift(1858, 1859 u. 1863); – in den österreichischen medicinischen Jahrbüchern: „Ueber die Behandlung der secundär-syphilitischen Geschwüre“ (1843); – „Necrose der Kieferknochen in Folge der Einwirkung von Phosphordämpfen“ (1845); – „Ueber die Behandlung varicoeser Geschwüre an den Unterschenkeln“ (1846); – „Zugverband bei Oberschenkelbrüchen“ (1848); – in der Zeitschrift der Wiener Gesellschaft der Aerzte: „Ueber die durch Phosphordämpfe erzeugten krankhaften Veränderungen an den Kieferknochen“ (1851); – „Ueber den Bruch des Kronenfortsatzes am Ellbogenbeine“ (ebd.); – „Die Messung des Schenkels, ein Mittel zur Erkenntniß gewisser Krankheiten des Schenkelbeines und des Hüftgelenkes“ (1853); – in der Wiener medicinischen Wochenschrift: „Bericht über die Leistungen der orthopädischen Heilanstalt zu Wien im Jahre 1851“ (1852); – „Ueber Hüftgelenkkrankheiten“ (1854 und 1855); – in dem von Pitha und Billroth redigirten Handbuche der allgemeinen und speciellen Chirurgie (Erlangen 1865): „Die Krankheiten der Wirbelsäule“.

Hirschel (Bernhard Dr.), Compendium der Geschichte der Medicin von den Urzeiten bis auf die Gegenwart. Mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der Wiener Schule (Wien 1862, Wilhelm Braumüller, gr. 8°.) Zweite umgearb. u. verm. Aufl. S. 497, 534, 543, 556, 581. – Die neuen Väter der Großcommune Wien, hervorgegangen aus der freien Wahl und dem Vertrauen ihrer Mitbürger im Jahre 1861. Von Moriz Bermann und Franz Evenbach (Wien 1861, 8°.) S. 37.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Pivat-Unterricht
  2. Vorlage: Abschon.