BLKÖ:Leibenfrost, Franz

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Leibner, Hilarius
Band: 14 (1865), ab Seite: 320. (Quelle)
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Leibenfrost, Franz (Humanist und Industrieller, geb. zu Wien 25. März 1790). Der Sohn eines Wiener Bürgers, der während der verhängnißvollen Ueberfluthung des Jahres 1830 durch Aufopferungen jeglicher Art, durch Kühnheit und Unerschrockenheit, durch namhafte Wohlthaten und durch erfinderische Linderung des Unglücks als einer der seltensten Retter in den Tagen der Gefahr einen Namen erworben. Schon am frühen Morgen des 1. März, als in der Stadt das Unglück der Vorstädte noch wenig bekannt war, hatte sich L. mit Lebensmitteln in die Leopoldstadt begeben und dieselben an die Bedrängten in der Leopoldstadt, Roßau und Erdberg vertheilt und bei dieser Gelegenheit 21 Pferde gerettet. Nachdem er sich aber überzeugt, daß den der Stadt nächstgelegenen Vorstädten Hilfe von allen Seiten ward und seine Mitwirkung daselbst weniger dringend war, richtete er sein Augenmerk auf das Marchfeld, welches er durch oftmalige Bereisung genau kannte und wo die Verwüstungen der Fluth ebenso gräßlich, als rasche Linderung der entsetzlichen Noth der Bewohner dringend geboten war. L. begab sich dahin, alle Brücken waren bereits weggerissen, die weite Fläche, sonst die Vorrathskammer Wiens, war ein unübersehbares Meer, nur die Kronen der Bäume, die Thurmspitzen und die Dächer der höheren Gebäude blickten aus der mit zahllosen Eismassen bedeckten Wasserfluth. Der Jammer, der sich hier den Blicken darbot, war ein entsetzenerregender. Sollte den Tausend und Tausend Verlassenen und dem qualvollsten Tode Ausgesetzten Hilfe werden, so galt es zunächst, die Communication mit den einzelnen Ortschaften herzustellen. Mit jeder Stunde wuchs die Hilflosigkeit und Noth der Bewohner. Endlich hatte L. dreißig Pontoniere zusammengebracht, die auf seine Kosten die Wege reinigten und mit Schiffen fahrbar machten. So stellte er durch seine Energie die Verbindung zwischen Leopoldau und Floridsdorf, Eßling und Stadl-Enzersdorf, Wittau, Rutzendorf, Glinzendorf, Leopoldsdorf, Raasdorf u. s. w. her und brachte nach allen diesen Ortschaften Hilfe und Lebensmittel. Aber die Fahrt war mit großer Lebensgefahr verbunden. Niemand fand sich, der ihn bei diesem Wagniß begleiten wollte, was er auch bat und bot, Alles war vergebens, er mußte allein die Fahrt unternehmen. Acht Tage hatte diese Fahrt gedauert, und wie oft hatte L. während derselben dem Tode unerschrocken in’s Auge geblickt! Wenn er die Eismassen mit seinem Nachen nicht überschiffen konnte, so kletterte er über dieselben; barfuß ging er über das Glatteis, zerschnitt sich die Füße, achtete aber keinen Schmerz; klomm über Eismassen und Gerölle und riß sich daran die Hände wund; brach mit der Eisdecke ein und rettete sich – oft wunderbar genug – nur mit einem Schifferhaken. Während er so von Haus zu Haus schiffte, schwamm, kletterte und allen Bedrängten Rettung brachte, wartete der Diener in der Leopoldstadt seines Herrn, ohne Nachricht von ihm zu haben und es nicht wagend, in dessen Haus zurückzukehren, wo Frau und Kinder in Angst harrten und denen er nicht hatte sagen können, wo er seinen Herrn gelassen. – Bei der widerstandslosen Gewalt, mit welcher die Eisfluth plötzlich über diese Gegenden hereingebrochen war, ging auch eine Menge von Hausthieren zu Grunde. Allgemein wurde die Besorgniß rege, daß, wenn der Frost nachließ, durch die [321] wachsende Verwesung die Lust verpestet und eine Seuche unter Menschen und Thiere die schreckliche Folge sein würde. Auch diesen Umstand hatte L. in’s Auge gefaßt. Er ließ sofort alle Aeser wegschaffen, nahm, nachdem die Wassergefahr sich vermindert, Arbeitsleute, und unter seiner persönlichen Aufsicht wurden 4500 Aeser eingescharrt. – Noch drohte eine andere Gefahr den schwer heimgesuchten Bewohnern. Die Häuser und vornehmlich die Keller waren mit Wasser erfüllt, das allmälig in Fäulniß überging und nicht minder gefährlich zu werden drohte als die oberwähnten Aeser. Auch da war L. bald rettend zur Hand. Nach allen Ortschaften ließ er auf eigene Kosten Pumpmaschinen bringen, mit denen das faulende Wasser aus Kellern und Löchern weggeschafft wurde und mehrere Ortschaften beschenkte der Menschenfreund mit solchen Pumpmaschinen zu künftigem Gebrauche. Die Wassernoth war nun wohl schon lange vorüber, aber L. ermüdete noch immer nicht und erschien noch lange als rettender Engel in den so schwer heimgesuchten Ortschaften, brachte Geld den Kranken und Hilflosen, kaufte und vertheilte Getreide zum Anbau, kurz half mit Rath und That, wo es zu helfen gab. Noch war der edle Menschenfreund mitten auf dem Schauplatze der Verwüstung, und hatte keine Ahnung, wie höchsten Orts die Blicke auf ihn gerichtet waren. Während er im Marchfelde den Bewohnern Hilfe brachte, verkündete das amtliche Blatt, daß Se. Majestät mittelst Allerh. Entschließung vom 13. März 1830 dem edlen Menschenfreunde Franz Leibenfrost die goldene Civil-Ehrenmedaille mit Oehr und Band zu verleihen geruht haben. Noch einmal sollten sich die seltenen Tugenden dieses Menschenfreundes bewähren, und zwar als die Choleraseuche unter einer rath- und fast hilflosen Bevölkerung zu wüthen begann. Sofort errichtete L. zwei Spitäler, organisirte eine Holzvertheilung an Arme und sonst Unbemittelte, wobei er aus eigenen Mitteln Tausende darbrachte; an der Spitze der Direction war er Tag und Nacht unermüdet beschäftigt, Hilfe zu schaffen, und die drohende Gefahr zu verringern. Diese rührende, kein Opfer scheuende Menschenliebe ist aber ein Grundzug von L.’s Charakter, denn wie unsere Quelle berichtet – und diese stammt aus dem Jahre 1846 – so verabreicht L. während eines Zeitraumes von fünfunddreißig Jahren täglich an 80 bis 100 Arme gratis die Mittagskost. Seine Eigenschaft als Gastgeber verringert nicht im mindesten den Werth dieser Handlung, da es noch sehr viele Gastgeber gibt, die Niemand gratis speisen. Auch aus industriellem Gebiete ist L.’s Wirksamkeit eine bemerkenswerthe. L. ist k. k. Hof-Weinlieferant und Weingroßhändler, dessen Firma aus dem Jahre 1780 datirt. Die Kellereien des Hauses befinden sich in Döbling, wo an 20.000 Einer der edelsten österreichischen und ungarischen Weine lagern, die nach allen Ländern der Monarchie, nach dem deutschen Norden, nach Rußland und dem Orient versendet werden. Auch hat das Haus an der günstig gelegenen Seite gegen den Kahlenberg bei Wien – Nußberg genannt – einen Grundcomplex von nahezu zwölf Jochen angekauft und denselben mit den edelsten Rhein-, Riesling- und Traminer Rebensorten bepflanzt. Aus diesen Reben wird der treffliche, unter dem Namen „Nußberger“ bekannte Wein gewonnen. Noch sei des „Tokaiergemaches“ gedacht, jener Räumlichkeit in den Leibenfrost’schen Kellern Wiens, in welchem dieser König der [322] Weine – von dem auf der Pariser Ausstellung ein Eimer 500 fl. kostete – in verschiedenen Jahrgängen von 1797 bis zur Gegenwart vertreten ist. Auf mehreren Ausstellungen wurden L.’s Erzeugnisse mit Medaillen ausgezeichnet.

Oesterreichischer Bürger-Kalender (Wien, A. Pichlers Witwe, gr. 8°.) I. Jahrg. (1846), S. 82–88: „Franz Leibenfrost“. – Arenstein (Jos. Dr.), Oesterreich auf der internationalen Ausstellung 1862 (Wien 1862, Staatsdruckerei, Lex. 8°.) S. 30. – Presse (Wiener politisches Blatt) vom 18. Juli 1855: „Die österreichische Industrie auf der Pariser Weltausstellung XIV.“- Oesterreichische Zeitung (Wien, Fol.) 1855, Nr. 285: „Pariser Ausstellung. Oesterreichs Wein-Industrie. III.“ – Porträt. Unterschrift: Franz Leibenfrost. Gedruckt bei J. Rauch in Wien (8°.) [trefflicher Holzschnitt].