BLKÖ:Löwensohn, Bernard

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Löwenfeld, Georg
Band: 15 (1866), ab Seite: 438. (Quelle)
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Löwensohn, Bernard (Humanist, geb. zu Látrány in der Somogyer [439] Gespanschaft Ungarns im Jahre 1795, gest. zu Lengyeltóti 15. October 1849). Verlor im Alter von drei Jahren seinen Vater und übersiedelte mit seiner Mutter zu ihrem Bruder, der Ortsrabbiner in Nagy-Vársány war. Zwei Jahre später verheirathete sich die Mutter mit Hirsch Dukes aus Lengyeltóti, der für den nun siebenjährigen Knaben einen strengorthodoxen Talmudlehrer bestellte. Im Jahre 1809 kam er auf die jüdische Schule nach Palota, an der sein Verwandter Wolf Chojes, ein berühmter Rabbi, lehrte, vertauschte dann dieselbe mit der Lackenbacher Talmudschule, bis er nach Preßburg kam, wo er neben seinen jüdischen Studien auch deutsche Literatur, das Lateinische, Griechische und Ungarische fleißig betrieb. Als er im Jahre 1813 zu Mutter und Stiefvater, ein achtzehnjähriger Jüngling, heimkehrte und sie in dem heimgekommenen Bachur, wie sein Biograph schreibt, wohl was sie wünschten fanden, aber nicht Alles wünschten was sie fanden, glaubte man die gefährliche Geistesrichtung des Sohnes noch am sichersten zu dämmen und zu hemmen, wenn man ihn bald verheirathete, was denn auch bald geschah, da man ihm seine Stiefschwester Hanna zur Frau gab. Die Sorgen des Lebens, die mit dem wachsenden Kindersegen selbst wuchsen, minderten nicht seine Vorliebe für geistige Beschäftigung; deutsche, ungarische, lateinische und griechische Classiker bildeten in Nächten seine Hauptlectüre und Herder wurde sein Lieblingsschriftsteller. Der Humanismus, der bald sein ganzes Wesen erfüllte, suchte nunmehr nur ein Feld zu praktischer Bethätigung und hatte es bald in dem Somogyer Comitate, welchem er angehörte, gefunden. In diesem Comitate lebte auf einem Flächenraume von 114 Quadratmeilen eine jüdische Bevölkerung von 4 bis 5000 Seelen, zerstreut im vollsten Sinne des Wortes. Es bestand keine Synagoge – nur einige unansehnliche israelitische Bethäuser – keine Schule, kein Spital, kein Armen- und Waisenversorgungshaus. Den Behörden gegenüber ernannten die Stände fünf Vertreter der vorzüglicheren sogenannten Gemeinden, einer dieser fünf war Löwensohn’s Schwiegervater und, als dieser Altershalber zurücktrat, seit 1815 Löwensohn selbst. Dieser zählte damals 20 Jahre. Eine Bereisung des ganzen Gebietes der Gespanschaft belehrte ihn bald, daß es hier Vieles und Wichtiges zu schaffen gab. Es mußte vor Allem eine Mustergemeinde gebildet werden und zu dieser hatte er seinen Wohnort Lengyeltóti ausersehen. Schon im Jahre 1816 errichtete er eine wohlgeregelte Schule, die sich allmälig zu einer vierclassigen Unterrichts-Anstalt erhob, er führte bis an sein Lebensende die Oberleitung derselben, unterrichtete durch zwölf Jahre (1833–1845) selbst an der Anstalt und bildete einen Lehrer in seinem Hause eigens für die Anstalt aus. Später gründete er die israelitische Hauptschule zu Kaposvár und regte die Errichtung einer ähnlichen Anstalt zu Szigetvár an. Im Jahre 1841 begründete L. zu Lengyeltóti ein Spital, zu dessen näherer Würdigung der §. 11 der Statuten beitragen mag, welcher lautet: In diesem Spitale wird Jeder ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses und Standes aufgenommen. Unbemittelte oder ganz Arme erhalten ärztliche Behandlung, Arzeneien und Verpflegung gratis; die Zahlungsfähigen entrichten für alles dieß 24 kr. C. M. täglich. Außer dem eben angeführten Spitale nahm er während seiner Amtsthätigkeit [440] den Neubau eines Tempels, eines Schulhauses und einer anständigen Rabbinerwohnung in Angriff und brachte Alles zum Staunen seiner kleinen Gemeinde ohne alle Schuldenlast zur glücklichen Ausführung. Das Räthsel dieses Vorganges löst sich bald, wenn man erfährt, daß L. das Deficit seiner Commune aus seinem Eigenen deckte. In dieser Weise wuchs der Ruf der Lengyeltótiner Judengemeinde in solcher Weise, daß ihr mehrere Male von der Baronin James Rothschild namhafte Unterstützungen gespendet wurden und daß auch die Pesther Gemeinde der aufstrebenden jungen Commune öfter die hilfreiche Hand bot. Eine kleine Partei wußte auch da, wie überall, wo etwas Gutes entsteht, den Samen des Mißtrauens auszustreuen und unter dem Deckmantel der Religion, daß in der Schule Dinge gelehrt werden, die gegen ihre Ueberzeugung sind, heimlich und offen und leider nicht ganz erfolglos zu agitiren. Diese Partei verlangte völlige Auflösung der eingegangenen Verbindlichkeiten (diese erstreckten sich auf die Geringfügigkeit eines Jahresbeitrages von 1 fl.), selbst in Bezug auf das Spital. Alle Vorstellungen Löwensohn’s gegen die Eiferer, daß sein Schwager, Arzt, die Ordination unentgeltlich versehe, daß seine, Löwensohn’s Gattin, als Vorsteherin des von ihr gegründeten Frauenvereins, Verköstigung, Wäsche u. s. w. den Kranken ebenfalls gratis besorge, daß er die Deckung des Gemeinde-Deficits wie seit Jahren auch ferner aus seinen eigenen Mitteln zu bewerkstelligen Willens sei, Alles blieb vergebens, es kam zum Proceß, der aber von Seite der Somogyer Stände mit einer Entscheidung endete, durch welche Löwensohn die glänzendste Genugthuung erhielt, und auch jetzt noch wählte L. den Weg des Vergleiches, in Folge dessen die Eiferer mit Entrichtung eines, den sie belastenden jährlichen Beiträgen entsprechenden Capitals aller ferneren Obliegenheiten entbunden wurden. Die anstrengende Thätigkeit im Dienste seiner Gemeinde, der er durch mehr als drei Jahrzehnde vorgestanden, die Nachtwachen im Dienste der Studien und endlich der Kummer über solchen Undank, wie er auch in dem leidigen Proceß sich kundgab, brachen vor der Zeit seine Kraft und er starb, unersetzlich für seine Gemeinde, im Alter von erst 54 Jahren. Er starb arm und seine Armuth erklärte sein Freund Rabbi Eduard Ehrlich an der Bahre mit den Worten der Schrift: „Sie setzten mich zum Hüter im Weinberge des Herrn, darum hütete ich meinen Weinberg nicht“. Die Sorge, daß die von ihm begründeten Anstalten nach seinem Tode sich auflösen würden, verwirklichte sich glücklicher Weise nicht, sie bestehen noch fort. Löwensohn’s Biograph berichtet auch, daß seine Correspondenz mit hervorragenden philanthropischen und anderen Capacitäten, wie mit dem Schuldirector Joseph von Pál, mit Nikolaus von Somsich, Michael von Kacskowich u. A., worin er seine Ansichten über wichtige Fragen aus den Gebieten der Erziehung, des Unterrichts u. s. w. ausspricht, durch den Druck veröffentlicht werden solle.

Reich (Ignaz), Beth-El. Ehrentempel verdienter ungarischer Israeliten (Pesth, Bucsánszky, 4°.) III. Heft (1860), 33–42; „Löwensohn Bernard“.