BLKÖ:Kiwisch von Rotterau, Franz Ritter

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 11 (1864), ab Seite: 343. (Quelle)
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Kiwisch von Rotterau, Franz Ritter (Arzt, geb. zu Klattau in Böhmen 30. April 1814, gest. zu Prag 29. October 1851). Sohn eines k. k. Staatsbeamten. Die unteren Schulen und das Gymnasium besuchte er zuerst in Prag, und als sein Vater als Kreishauptmann nach Klattau kam, an diesem letzteren Orte. Die Philosophie hörte er wieder zu Prag, wo er auch die medicinischen Studien beendete. Noch während seiner Studien machte K. kleinere und größere Reisen in seiner schönen Heimat, besuchte die für den Forscher so ergiebigen Gebirgsgegenden, später dehnte er seine Ausflüge weiter aus und lernte bereits als Studirender der Medicin Wien, München und Berlin kennen. Am 7. August 1837 erhielt er die medicinische Doctorwürde an der Prager Hochschule und veröffentlichte aus diesem Anlasse die Inaugural-Dissertation: „Conspectus morborum in clinico medico Pragensi primo semestrianni 1836 tractatorum“. Nach erlangter Doctorwürde unternahm er mit einem Freunde eine Reise nach Deutschland und Dänemark, und besuchte die Insel Rügen. Nach seiner Rückkehr bewarb er sich um die Stelle eines Praktikanten an der Prager Gebäranstalt, auf welchem Posten er bereits mit jener seine späteren Leistungen charakterisirenden Selbständigkeit auftrat, welche durch seine frühen Reisen und auf denselben gewonnene Menschenkenntniß hervorgerufen und gestärkt worden. Am 18. Jänner 1838 erlangte er das Magisterium der Geburtshilfe und übernahm im Mai 1838 die Supplirung einer Secundär-Arztenstelle, wurde aber noch im Juli d. J. Assistent der geburtshilflichen Klinik und Secundararzt der Zahlabtheilung [344] im Prager Gebärhause. Die kleine Muße seines Berufes benützte er zu wissenschaftlichen, auf gründliche Beobachtungen in seiner Praxis basirte Studien. Zwei Jahre – die gesetzliche Frist – war er, auf diesem Posten thätig, dann unternahm er in Gesellschaft zweier Fachgenossen, des Dr. Foyrer und Prof. Pitha, eine wissenschaftliche Reise nach Frankreich, wo er vier Monate blieb, und ging von da nach London. Nach seiner Rückkehr trat er Ende October 1841 in das Sanitätsdepartement des böhmischen Landes-Guberniums ein und diente daselbst ein und ein halb Jahr; am 14. Februar 1842 wurde er als Bidžower, am 6. Mai d. J. als Berauner Kreisarzt angestellt. Der Standort des Kreisamtes in Prag machte es ihm möglich, mit der Universität im steter Verbande zu bleiben und so bewarb er sich um die Gestattung, als Docent über Frauenkrankheiten lehren zu dürfen, welche ihm mit Allerh. Entschließung vom 1. October 1842 unter Zuweisung einer eigenen Specialklinik im allgemeinen Krankenhause ertheilt wurde. Drei Jahre lehrte er auf dieser von In- und Ausländern stark besuchten Abtheilung, indeß theils durch seine Vorträge, theils durch seine in Fachblättern und selbstständig erschienenen Arbeiten sein Ruf als Arzt und Gelehrter weit über die Grenzen seines Vaterlandes drang. So geschah es denn, daß K., als durch d’Outrepont’s Tod die Lehrkanzel der Geburtskunde an der Würzburger Hochschule erledigt wurde, dem an ihn gelangten Rufe dahin Folge leistete und im October 1845 seinen neuen Wirkungskreis antrat. Wenige Jahre sollte er dort ungetrübt wirken; seine Verdienste anerkannte der König durch Verleihung des in Bayern seltenen Hofrathtitels. Der Tod seines Vaters (15. Juli 1848), welchem während eines Ferialbesuches in Prag jener seiner Frau an der damals dort herrschenden Blatternseuche (9. October 1849) folgte, waren zwei Schläge des Schicksals, welche nicht nur das Herz des Mannes trafen, sondern auch ihn physisch erschüttert haben mochten, denn seit dieser Zeit moralisch und physisch gebrochen, kehrte er nach Würzburg zurück, ohne sich körperlich je wieder erholen zu können. Im Jahre 1849 unternahm er zwar eine Reise nach Spanien, von der er einigermaßen gesünder zurückkehrte; als im Jahre 1850 durch Ritter von Jungmann’s [Bd. X, S. 316] Tod die Lehrkanzel der Geburtshilfe an der Prager Universität erledigt wurde, nahm er, seinem Drange in die Heimat folgend, diese Stelle an. Schon im nächsten Jahre erlitt er wieder einen herben Verlust, eines seiner Kinder, ein blühendes talentvolles Mädchen, starb. Ein äußerst quälender Hüftschmerz, der ihn schon früher für mehrere Wochen auf das Krankenlager geworfen, stellte sich allmälig wieder ein. Wohl stärkte ihn ein mehrwöchentlicher Landaufenthalt, aber nur vorübergehend, er selbst erkannte die Tödtlichkeit seines Uebels, dem er bei einem neuen Anfalle, auch erst 37 Jahre alt, erlag. Auf wissenschaftlichem Gebiete hat K. als Gynäkolog eine hervorragende Stelle eingenommen. Außer zahlreichen größeren und kleineren Aufsätzen in Fachblättern des In- und Auslandes, als: in der Prager Vierteljahresschrift, in der Zeitschrift der Gesellschaft der Aerzte Wiens, in den Canstatt’schen Jahresberichten, in den Verhandlungen der physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzburg und in jenen der Gesellschaft der Geburtshilfe in Berlin, hat er selbstständig herausgegeben: „Die Krankheiten [345] der Wöchnerinnen nach den in der k. k. Entbindungsanstalt und im allgemeinen Krankenhause zu Prag gemachten Beobachtungen“. 2 Theile (Prag 1840 und 1841, Haase Söhne, gr. 8°.); – „Beiträge zur Geburtskunde“. 2 Abtheilungen (Würzburg 1846 und 1848, gr. 8°., mit Steindrucktaf. in gr. 4°.); – „Die Geburtskunde mit Einschluss der Lehre von den übrigen Fortpflanzungsvorgängen im weiblichen Organismus. 1. Abtheilung: Physiologie und Diätetik, 2. Abtheilung, 1. Heft: Pathologie und Therapie“ (Erlangen 1851, Encke, Lex. 8°.); zur 1. Abtheilung 1 Atlas mit 19 Tafeln in Fol.; den zweiten Theil dieses Werkes vollendete nach K.’s Tode sein Freund und Fachgenoß Dr. Halla; – „Klinische Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechtes. 1. Abtheilung: Die Krankheiten der Gebärmutter mit Einschluss des Puerperalfiebers“ (1. Aufl. Prag 1845, 2. Aufl. ebd. 1847, gr. 8°., mit 1 Tafel in Fol., 3. Aufl. ebd. 1851); 2. Abtheilung: „Die Krankheiten der Eierstöcke, der Eileiter, der Mutterbänder, der Scheide und der äusseren Geschlechtstheile. Die extrauterine Schwangerschaft und differentielle[WS 1] Diagnostik der Geschwülste im weiblichen Becken“ (ebd. 1841), 2. verm. und verb. Aufl. 1852, gr. 8°.); ein 3. Band, von Dr. und Prof. F. W. Scanzoni bearbeitet, erschien nach K.’s Tode (Prag 1855). Gleich ausgezeichnet wie als schriftstellernder Gelehrter war K. als Operateur, und förderte wie durch seine Werke, so durch seine zweckmäßigen, theils neuen, theils verbesserten Vorrichtungen, Instrumente u. dgl. m. im hohen Grade das Heilverfahren. Was K.’s Stellung in der Wissenschaft betrifft, so hatte er damit anfänglich einen schweren Stand. Als Gegner der naturphilosophischen Richtung der Medicin – welche damals als Ausfluß der Schelling’schen Philosophie, die auf alle wissenschaftlichen Disciplinen tief eingewirkt hatte, auch in der Medicin viele und darunter bedeutende Männer, wie einen Oken, G. H. Schubert, Burdach, Carus u. A. zu ihren Anhängern zählte – trat er als muthiger und beharrlicher Kämpfer für die sogenannte anatomische Richtung der Medicin auf. Er warf sich dabei auf das specielle Fach der Krankheilen des weiblichen Geschlechtes und nicht sich begnügend mit den leichteren Anforderungen, welche man an Frauenärzte gewöhnlich zu stellen pflegt, arbeitete er sich durch seine scharfsinnigen Beobachtungen, sein rastloses Forschen und Studiren, wie durch seine humane Gewissenhaftigkeit in bedenklichen Fällen bald zu einer Specialität seines Faches hinauf, die in den Kreisen der Wissenschaft achtunggebietend genannt ward. Leider war ihm eine zu kurze Spanne Zeit zugemessen und doch reichte dieselbe hin, seinem Namen, so lange der deutsche Forschergeist wirkt und strebt, ein herrliches Andenken in der Wissenschaft, der er mit Leib und Seele angehörte, zu sichern. K. war (seit 26. November 1843) mit Emilie von Nadherny, der Tochter des k. k. Landesprotomedicus Dr. Ign. von Nadherny, verheirathet. Eine einfache Tafel auf dem Kleinseitner Friedhofe zu Prag zeigt die Stätte, wo der Frühhingeschiedene ruht.

Libussa. Jahrbuch, herausgegeben von Paul Alois Klar, (Prag, Taschenformat), XVII. Jahrg. (1858), S. 348: „Biographisches Denkmal von Ferdinand Sigmund“. – BrockhausConversations-Lexikon, 10. Auflage, Bd. IX, S. 33 [nach diesem geb. 30. April 1814, gest. 29. Nov. 1852]. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen, Bibliograph. Institut. 8°.) IV. Suppl. Bd. S. 253 [nach diesem geb. 30. April 1814, gest. 29. Nov. 1852) – Hirschel (Bernhard Dr.), Compendium [346] der Geschichte der Medicin von den Urzeiten bis auf die Gegenwart, mit besonderer Berücksichtigung der Neuzeit und der Wiener Schule (Wien 1862, Braumüller, gr. 8°.) Zweite, umgearb. u. vermehrte Aufl. S. 409, 477, 484, 492, 564, 567, 569, 570. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau, B. Fr. Voigt, 8°.) XXVI. Jahrg. S. 1079, XXIX. Jahrg. S. 914. – Porträt. Gez. und lith. von Christ. Stößel (Würzburg, Stahel, Fol.). –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: disserentielle.