BLKÖ:Helfer, Johann Wilhelm

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Helfert, Joseph
Band: 8 (1862), ab Seite: 247. (Quelle)
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Helfer, Johann Wilhelm (Naturforscher und Reisender, geb. in Böhmen, Geburtsjahr unbekannt, getödtet von den Wilden des Andaman-Archipels 30. Jänner 1840). Der Sohn wohlhabender Eltern, studirte in Prag und zeigte früh eine große Liebe für Naturwissenschaften, verbunden mit mächtiger Reiselust. Nach beendigten Studien besuchte er Italien und lernte daselbst Pauline Baronin Des Granges aus Berlin kennen, die zwei Jahre später seine Gemalin wurde. Das eheliche Verhältniß hatte seinen Drang, die Welt zu sehen, nicht vermindert und da seine Gattin sich freudig entschloß, ihn zu [248] begleiten, stand seinem Vorhaben nichts im Wege. Das erste Reiseziel war Smyrna, wo H., um sich für größere Fahrten vorzubereiten und zu diesem Zwecke gründliche Studien zu machen, als praktischer Arzt sich niederließ. Daselbst lernte er zwei afghanische Prinzen kennen und begab sich mit seiner Gemalin 1835 mit einer Caravane nach Bagdad; die Caravane wurde aber überfallen, beraubt und H. kam von allen Mitteln entblößt in Bagdad an. Um diese Zeit befand sich der englische Oberst Chesney mit seinen beiden Dampfschiffen „Tigris“ und „Euphrat“ in Port William und war mit Vorbereitungen zu einer Euphrat-Expedition beschäftigt; Helfer gelang es durch Vermittlung des englischen Consuls in Bagdad zur Expedition in der Eigenschaft als Arzt und Naturforscher beigezogen zu werden. Nun machte er, ehe noch die Expedition segelfertig war, Reisen in’s nördliche Syrien und in die oberen Euphratländer. Als der „Euphrat“ im Juni 1836 an der Ostküste des persischen Meerbusens Anker warf, unternahm H. mit seiner Gemalin eine Reise quer durch Persien, drang gegen Indien vor, begab sich nach Cassipoor und von da nach Calcutta. H. vermehrte auf dieser Reise in ansehnlicher Weise seine Sammlungen, correspondirte viel mit Ritter, der seine zahlreichen Daten über Westasien im 10. und 11. Bande seiner „Erdkunde“ benützte. Mehrere Vorträge, gehalten in der Asiatic Society of Bengal in welchen er nachwies, wie wenig noch auf naturhistorischem Gebiete in Indien geschehen sei, richteten die Aufmerksamkeit der englischen Regierung auf den österreichischen Gelehrten und H. erhielt eine Anstellung als Naturforscher bei der ostindischen Compagnie unter sehr vortheilhaften Bedingungen. Die nächste Aufgabe, deren Lösung er sich stellte, war eine Durchforschung der Tenasserimprovinzen und am 21. Jänner 1837 schiffte er sich mit seiner Gemalin. die ihn auf allen folgenden Reisen begleitete, nach Hinterindien ein. Bis Mai 1838 durchsegelte oder durchwanderte er nun die Küstenstriche am Salween und Jengbaingflusse, das Land von Maulmain über Ye und Tavoy; die Lagunen des Hinzuflusses, die Gegenden um Towugbiaun, Palou, und in Mergui, wo er Anfangs Mai 1838 eintraf, ließ er sich bleibend nieder. Von seiner Reise erstattete er mehrere Berichte an die ostindische Compagnie, die in Druck gelegt worden und deren weiter unten Erwähnung geschieht. Zu Anfang 1840 unternahm Dr. H. neue Reisen und zwar um die Andamaneninseln zu untersuchen. Seine Gemalin war indessen in Mergui zurückgeblieben. Mit seinem Schwager Otto Freiherrn Des Granges trat er am 13. Jänner 1840 seine Reise an – es war seine letzte; er hatte die Andamaneninseln glücklich erreicht, aber alle seine Versuche, mit den als sehr wild bezeichneten Bewohnern derselben freundschaftliche Verbindungen anzuknüpfen, scheiterten an dem Mißtrauen der Wilden. Als er am 30. Jänner d. J. noch einmal an’s Land stieg und einen erneuerten Versuch, sich ihnen zu nähern, machte, wurde er plötzlich von einem Haufen derselben, der aus einem Verstecke hervorbrach, überfallen. Durch die Flucht sich rettend, erreichte er auch noch das Boot; dieses aber im seichten Wasser auf dem festen Boden aufsitzend, stürzte bei den Versuchen, es flott zu machen, um. Alle und auch Helfer suchten sich durch Schwimmen zu retten; alle erreichten das in ziemlicher Entfernung vor Anker liegende Schiff, Helfer aber [249] wurde von einem der vielen nach ihnen abgeschossenen vergifteten Pfeile, während er schwamm, am Kopfe getroffen, sank unter, um nie wieder an die Oberfläche zu kommen. Drei Tage wurde er von der Schiffsmannschaft gesucht, konnte aber nicht aufgefunden werden. Die von Helfer erstatteten und von der ostindischen Compagnie veröffentlichten Reiseberichte sind: „Ueber Amherst Town In der Tenasserimprovinz“; – „Ueber die Provinzen Ye, Tavoy und Mergui an der Tenasserimküste“; – „Ueber Tenasserims angrenzende Völkerschaften, die eingebornen und fremden Bewohner und deren Charakter, sittlicher Zustand und Religion“; – „Ueber die Tenasserimprovinzen mit Rücksicht auf die Aussichten, welche sie europäischen Einwanderern darbieten“; alle vier in englischer Sprache abgefaßt, in der gewöhnlichen officiösen Weise von der ostindischen Compagnie (Calcutta, G. H. Huttmann, Bengal Militäry Orphan Preß 1839) veröffentlicht. Die letzteren zwei befinden sich aber auch im „Journal of the Asiatic Society of Bengal“ (vol. VIII, p. 973 et vol. IX, p. 155); – „Zwei Berichte über die in den Tenasserimprovinzen aufgefundenen Steinkohlen“, beide im obgenannten „Journal of the Asiatic Society“ (vol. VII, p. 701 et vol. VIII, p. 385) abgedruckt; – „Bemerkungen über die Thierwelt der Tenasserimprovinzen“ (ebd., vol. VII, p. 855); – „Tagebuch der Reisen zur Untersuchung des Mergui-Archipels“ – und „Tagebuch der Reise nach den Andamanen-Inseln am Bord des Schooner „Catarina“; dieses in deutscher Sprache. Alle genannten Berichte in deutscher Uebersetzung, und die zwei Tagebücher, diese zum ersten Male, erschienen in dem von der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien herausgegebenen in den Quellen angegebenen Werke: „Dr. Johann Wilhelm Helfer’s gedruckte und ungedruckte. Schriften“. Während seines Aufenthaltes in Mergui beschäftigte sich H. mit wissenschaftlichen Arbeiten, mit der Ordnung seiner reichen Sammlungen und mit Anlagen eines Gartens und großartigen Plantagen von Areccapalmen, Cocos-, Muskatnuß- und Caffeebäumen, welche leider durch seinen frühzeitigen Tod zu Grunde gingen. Schon im Jahre 1839 waren über 50.000 Areccapalmen, 6000 Cocos- und eine Menge von Caffee- und Muskatnußbäumen mit großem Kostenaufwande gepflanzt. Da bereits bedeutende Summen in das Unternehmen gesteckt worden, wollte nach Helfer’s Tode seine Witwe die Leitung der Pflanzung fortsetzen und wurde auch in Anerkennung der Verdienste Helfer’s um die Förderung der Zwecke der ostindischen Compagnie und der Fortschritte der Agricultur in den Tenasserimprovinzen mit einer Donation von 4000 englischen Acres in der Nähe der Stadt Mergui belehnt. Um den Betrieb des Ganzen fortzusetzen, erhielt sie, da die Belehnung auf 30 Jahre steuerfrei gegeben war, von einem der ersten Bankierhäuser in Calcutta den Vorschuß bedeutender Summen. Als aber dieses Bankierhaus 1842 in Folge verunglückter Indigospeculationen fallirte und alle weiteren Versuche der Witwe, sich zu helfen, scheiterten, ging die Pflanzung und mit ihr das ganze darauf verwendete große Capital zu Grunde. Helfer’s Gemalin, welche später eine neue Ehe mit dem Grafen Nostiz schloß, hat ihres für die Wissenschaft zu früh dahingeschiedenen ersten Gemals hinterlassenen wissenschaftlichen Beobachtungen der k. k. geographischen Gesellschaft in Wien zur Verfügung gestellt. Ueber Helfer’s reiche Sammlungen siehe das Nähere in den Quellen.

Johann Wilhelm Helfer’s gedruckte [250] und ungedruckte Schriften über die Tenasserim-Provinzen, den Mergui-Archipel und die Andamanen-Inseln. Zum Theil aus dem Englischen übersetzt von Friedr. August Grafen von Marschall. Mit einem Vorworte von Franz Foetterle (Wien 1860, M. Auer, 4°.) [im Vorworte S. 1–8 J. W. Helfer’s Leben von Foetterle; nach diesem gestorben 30. Jänner 1840]. – Dr.. G. M. Schmidt-Goebel gibt im Vorberichte zu seiner Faunula Coleopterorum Birmaniae ausführliche Nachrichten über Dr. Helfer und seine Reisen in Indien. – Wiener Zeitung 1857, Nr. 47, S. 596 [im Berichte über d. Sitzung d. k. k. geogr. Ges. v. 17. Febr. 1857]. – Allgem. Zeitung 1840, Beil. Nr. 170, S. 1353. – Bohemia (Prager Unterh. Blatt) 1840), Nr. 127. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Weimar 1842, B. F. Voigt, 8°.) XVIII. Jahrg. (1840), 1. Theil, S. 158 [nach diesem, der „allgemeinen Zeitung“ und dem folgenden „Kapesní slovníček“ gest. am 31. Jänner 1840]. – Rittersberg (L.)[WS 1], Kapesní slovníček (Prag, 1850, Pospišil, kl. 8°.) S. 623. – Libussa. Taschenbuch, herausgegeben von Paul Alois Klar (Prag), Jahrg. 1851, S. 464 [gibt irrig das Jahr 1845 als H.’s Todesjahr an]. – Frankl (L. A.), Sonntagsblätter (Wien, 8°.) Jahrg. 1844, S. 831: „Die Helfer’schen Sammlungen“. – Dr. Helfer’s naturhistorische Sammlungen. Diese betrugen ungefähr 2600 Arten verschiedener naturhistorischer Gegenstände (in 55.259 Exemplaren), darunter 500 Arten für die Wissenschaft neu sein mochten. Der wichtigste und umfangreichste Theil derselben gehörte dem Thierreiche und vorzüglich der Insectenwelt an, nämlich 49.164 Insecten in etwa 1858 Arten, und darunter wieder 47.833 Käfer in 1700 Arten, die zum kleineren Theile aus Vorderindien und zwar aus der Gegend von Calcutta, zum größeren Theile aus Hinterindien, nämlich aus den ehemaligen birmanesischen, später englischen Provinzen Maulmain, Tenasserim, Mergui und den Mergui-Inseln herstammen, ferner enthielt die Sammlung 609 Vogelbälge und 14 Häute von Säugethieren, alle aus Hinterindien, theilweise aber schon etwas schadhaft. Schadhaft war auch die Sammlung der Schmetterlinge, 508 an der Zahl. Sein Herbarium – welches jedoch weniger Neues als die Insectensammlung enthielt – zählte 6086 Pflanzen in 574 Arten, größtentheils aus Hinterindien. Diese Sammlungen hat schon im Jahre 1844 das „böhmische Museum“ von Helfer’s Witwe an sich gebracht.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Rittersberg (J.).