BLKÖ:Harrach, Johann Nepomuk Ernst Graf

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 7 (1861), ab Seite: 379. (Quelle)
[[| bei Wikisource]]
Johann Nepomuk Ernst von Harrach in der Wikipedia
Johann Ernst Graf von Harrach in Wikidata
GND-Eintrag: 137123167, SeeAlso
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Linkvorlage für Wikipedia 
* {{BLKÖ|Harrach, Johann Nepomuk Ernst Graf|7|379|}}

Harrach, Johann Nepomuk Ernst Graf (Kunstfreund, Humanist und Ritter des goldenen Vließes, geb. zu Wien 17. Mai 1756, gest. ebenda 11. April 1829). Ein Sproß der jüngeren Linie; Sohn des Grafen Ernst Guido [siehe: B. 2) Jüngere Linie, S. 370] aus dessen Ehe mit Maria Josepha Gräfin von Dietrichstein, und Bruder des berühmten Grafen [380] Karl Borromäus. Nach beendeten juridischen Studien wurde Graf Johann 1776 von dem Churfürsten Reichserzkanzler in Mainz zum adeligen Hof- und Regierungsrathe berufen und schon 1777 zum adeligen Hof- und Gerichtsrathe erhoben. 1779 folgte er einem Rufe der Kaiserin Maria Theresia in österreichische Staatsdienste als Regierungsrath und 1785 ernannte ihn Kaiser Joseph zum wirklichen Reichshofrathe, in welcher Eigenschaft er 1792 auch den Kaiser zur Krönung nach Frankfurt begleitete. Im nämlichen Jahre trat H. aus dem Staatsdienste, um der Kunst, den Wissenschaften und der Verwaltung seiner ausgedehnten Herrschaften und Industrieanlagen ausschließlich zu leben. Um die Forderung des vaterländischen Gewerbsfleißes besitzt Graf H. große Verdienste; der Flor der Leinwaaren-Fabrikation aus seinen Herrschaften zu Janowitz (Olmützer Kreis in Mähren), zu Starkenbach und Schluckenau (in Böhmen), der Eisenwerke ebenda, der Glashütte zu Starkenbach, sind glänzende Belege dafür. Schon des Grafen Johann Oheim, Graf Ferdinand Bonaventura (II.) [s. d. S. 377] hatte zu Janowitz in unwirthlicher Gegend um 1750 die ersten Weber aus Böhmen anzusiedeln versucht, ihnen Wohnhäuser unentgeltlich gebaut, Grundstücke zugetheilt. Der Versuch gelang vollkommen; im Jahre 1829, zur Zeit des Todes des Grafen Johann, waren nebst vielen anderen auf eigene Rechnung arbeitenden Meistern für die gräflich Harrach’sche Fabrik allein 600 Leinweberstühle im regen Betriebe und über 3000 Spinner mit Erzeugung der Garne beschäftigt. In gleicher Weise wurden die Eisenwerke ebenda, und die Glashütte zu Neuwald auf der Herrschaft Starkenbach vervollkommnet. In letzterer wurden die geschmackvollsten Arbeiten, selbst Flintglas für achromatische Instrumente, erzeugt. Die 45jährige Verwaltung des Grafen Johann war eine in jeder Hinsicht segensvolle; der Wohlstand seiner Unterthanen steigerte sich; viele neue Wohngebäude wurden errichtet, Volksschulen bestellt, und in den schweren Nothjahren 1805, 1812, 1816 und 1817 wurden die Arbeiten nicht eingestellt, sondern vielmehr, um die Noth zu lindern, ohne Rücksicht auf Gewinn fortgesetzt. Diese Verdienste um Staat und Menschheit anerkannte der Monarch durch die 1823 an Grafen Johann geschehene Verleihung des goldenen Vließ-Ordens. Graf Johann war auch ein großer Kunst- und Naturfreund; er sammelte Kupferstiche und Gemälde und die Sammlung derselben ist eine der werthvollsten in der Monarchie. Die Gemäldesammlung enthält Werke verschiedener Schulen, insbesondere aber ausgezeichnete Stücke aus der italienischen Schule. Die Kupferstichsammlung zählte über 200 Portefeuilles. Ihre Grundlage bildet die Hertel’sche Sammlung, welche der Graf um 22.000 Gulden angekauft hat. Eine besondere, höchst werthvolle und interessante Abtheilung derselben ist die Sammlung der Carricaturen, welche Johann’s Bruder, Graf Karl Borromäus [s. d. bes. Artikel S. 381] auf seinen Reisen angelegt hatte. Auch für die Vermehrung der bereits vorhandenen Bibliothek mit den neuesten zweckmäßigen und oft sehr kostbaren Werken hatte der Graf Sorge getragen. Die Bibliothek war nicht in besonderen Räumlichkeiten, sondern in den von dem Grafen selbst bewohnten Gemächern aufgestellt. Die Anlage des heut’ noch durch seinen Blumenflor berühmten Gartens zu Bruck an [381] der Leitha ist auch ein Werk des Grafen Johann. Nach ihm führt auch eine Pflanzengattung aus der natürlichen Familie der Acantheen und der 2. Ordnung der 14. Linnéischen Classe den Namen Harrachia. Graf Johann hat diesen schönen ostindischen Strauch, der Erste in Oesterreich, in seinem Garten zu Bruck an der Leitha gezogen. Der Graf Johann war (seit 29. Jänner 1782) mit Maria Josepha Fürstin von Liechtenstein (geb. 6. December 1763), Sternkreuz-Ordens- und Palastdame, vermält. Aus dieser Ehe sind keine Nachkommen vorhanden.

Neues Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst. Herausgegeben von G. Megerle von Mühlfeld und Em. Th. Hohler (Wien, 4°.) I., der ganzen Folge XX. Jahrg. (1829), Nr. 58, S. 449: „Gallerie denkwürdiger Männer des Vaterlandes“. – Boeckh (Franz Heinrich), Wiens lebende Schriftsteller und Künstler und Dilettanten im Kunstfache (Wien 1821, B. Ph. Bauer, 8°.) S. 97 und 314.