BLKÖ:Gyöngyösi, Stephan I.

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 6 (1860), ab Seite: 60. (Quelle)
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Gyöngyösi, Stephan I. (ungarischer Dichter, geb. um das Jahr 1620, gest. im September 1704). Seine ausgezeichnete Bildung erwarb ihm die Zuneigung des Grafen Franz Wesselényi, nachmaligen Reichspalatins, der ihn, da er kaum etwas über 20 Jahre alt war, an seinen Hof berief und zum Kammerjunker ernannte. G. verherrlichte nun in einem Gedichte: „Márssal tarsalkodó Murányi Venus“ (erste Ausg. Kaschau 1664), die Gräfin Maria Szécsi und ihren Gemal, seinen Gönner, den Grafen Wesselényi. Die Gräfin Szécsi, wie bekannt, vertheidigte nämlich die Festung Murány gegen die Königlichen, spielte aber, in Liebe für den General derselben, Wesselényi, erglühend, nach einer an ihm vollzogenen schweren Versuchung, die Festung in seine Hände und wurde seine Gattin. Diesen Stoff behandelte G. im Gedichte. Die Gräfin beschenkte für diese Huldigung den Dichter mit dem Dorfe Bábaluska, welches später (1695) Stephan Koháry, als zu seinen Gütern gehörig, von Gyöngyösi um eine ansehnliche Kaufsumme erstand. 1653 verließ G. den Hof seines Mäcens Wesselényi, vermälte sich und trat als Gerichtstafel-Beisitzer der Gömörer Gespanschaft in’s öffentliche Leben. 1681 ging er als Deputirter auf den Reichstag nach Oedenburg. 1686 wurde er von den Gömörer Ständen, nachdem er schon 1683, aber vergeblich, zum ersten Vicegespan vorgeschlagen worden war, zu dieser Würde erwählt und 1687 neuerdings auf den Reichstag, dießmal nach Preßburg, abgesandt. Kränklichkeit halber entsagte er 1688 seinem Amte, unterzog sich aber auf dringendes Bitten der Stände neuerdings demselben, es bis an seinen Tod bekleidend, der ihn im Alter von 84 Jahren dem Staate entriß. Außer dem obigen Gedichte schrieb G. noch folgende: „Palinodia Hungariae, az az, a’ maga gyámoltalanságán kesergő, és abban a’ kardos griffnek szárnya alá folyamodó Nympha“ (erste Ausg. Leutschau 1695, 8°.); dieses Gedicht schrieb er nach der Wahl Paul Eßterházy’s zum Palatin, und indem er darin den damaligen Zustand seines [61] Vaterlandes beschreibt, empfiehlt er es Eßterházy’s mächtigem Schutze; – „Rózsakoszoru“ (Leutschau 1690, 12°.), ein Kranz geistlicher Lieder, dem Grafen Stephan Kohári gewidmet; – großes Aufsehen erregte: „Porából megélemedett Phoenix“ (zuerst Leutschau 1693, dann Oedenburg 1748, Buda 1763, Klausenburg 1768), ein episches Gedicht, oder wie Franz Toldy es nennt, vielmehr eine Biologie, in der er in 4 Büchern und 30 Gesängen den Grafen Kemény verherrlicht; – „A csalárd Cupidónak kegyetlenségét megesmerő, és mérges nyilait kerűlő tiszta életnek Géniusa“ (Oedenb. 1734, Buda 1751 u. 1772); Kupido, ein beschreibendes Gedicht in 4 Gesängen, worin allegorische Figuren auftreten, mit didaktischer Tendenz; – sein letztes Werk war: „Uj életre hozatott Ghariklia“ (Leutschau 1700, Buda 1735, 1763), ein versificirter Roman in 13 Büchern, nach Heliodors Aethiopica. Gyöngyösi’s Ruhm verdunkelte den aller seiner Vorgänger, sein Name bürgte schon für die Trefflichkeit eines Werkes. So erklären sich die vielen Auflagen seiner eigenen Schriften und der Umstand, daß ihm auch fremde zugeschrieben wurden. Eine Gesammt-Ausgabe seiner Werke, von Professor A. Dugonics (Bd. III, S. 387), nach alten Handschriften und Ausgaben gesichtet, mit seiner Biographie, seinem und Wesselényi’s Porträte und einem literarischen Commentar versehen, erschien unter folgendem Titel: „Gyöngyösi Istvánnak költemény es marad vány; Dugonics kiadása“. 2 Bde. (Pressburg u. Pesth 1796, Landerer). Ungeachtet dieser Beliebtheit zu seiner Zeit, ist G. heute vergessen und nur mehr von literar-historischer Bedeutung. – [Toldy (Ferencz), A Magyar költészet kézikönyve a Mohácsi vésztöl a legújabb időig, d. i. Handbuch der ungarischen Sprache und Literatur seit der Schlacht bei Mohács bis auf die neueste Zeit (Pesth 1855, Heckenast, gr. 8°.) Bd. I, S. 250. – Handbuch der ungarischen Poesie. In Verbindung mit Julius Fenyéry herausgegeben von Franz Toldy (Pesth u. Wien 1828, Kilian u. Gerold, 8°.) Bd. I, S. 78. (In der dieses Werk einleitenden Geschichte der ungarischen Poesie charakterisirt Toldy den Dichter Gyöngyösi (S. XXXII) folgendermaßen: „G. erregte durch seine epischen Gedichte allgemeinen, übertriebenen und andauernden Enthusiasmus. Fruchtbar wie kein ungarischer Dichter vor und lange nach ihm gab er den Leselustigen interessante Gegenstände, in leichtfließenden Versen, leichtgenießbar, in Fülle. Er war ein Schüler der Römer, jedoch statt ihren Geist aufzufassen, begnügte er sich mit ihren Floskeln; ihre Mythologie war sein Steckenpferd, so daß uns beinahe auf jedem Blatte fremde Namen entgegen treten, durch welche er seine Schilderungen zu heben glaubte. An eine consequente und nationale Charakterzeichnung ist bei ihm selten zu denken: er schwimmt meist auf der Oberfläche, Beschreibungen liebt er, ist auch hierin oft glücklich, oft wieder nur geziert, breit beinahe immer. Gyöngyösi ist der älteste sentimentale Dichter der Ungarn. Daß er die schönsten Verse unter den alten Dichtern hatte, daß Sprache und Diction durch ihn bedeutende Fortschritte machten, ist nicht zu läugnen, und diesem Vorzuge ist wohl größtentheils der Beifall zuzuschreiben, den er bei seinem Erscheinen fand.“ – Horányi (Alexius). Am angez. Orte, Bd. II, S. 62 (ganz unzureichende Notizen, unter Andern folgende Ansicht: „Quantum Tasso Italia, Voltairio Gallia, Opizio Germania, tantum profecto Gyöngyösio suo debet Hungaria“). – Vasarnapi ujság, d. i. Sonntagszeitung 1858, Nr. 7 (daselbst Biographie nebst Porträt). – Magyar irók arczképei és életrajzai Első gyüjtemény 40 arczképpel (Pesth 1858, Heckenast, kl. 4°.) S. 146 (daselbst auch sein Porträt). – Oesterreichische National-Encyklopädie, herausg. von Czikann und Gräffer (Wien 1835) Bd. II, S. 446. – Nagy (Iván), Magyarország családai czimerekkel és legszármazási táblákkal, d. i. Ungarns Familien mit Wappen und Stammtafeln, herausg. von I. Nagy (Pesth 1856 u. f., Ráth Mor., 8°.) Bd. IV, S. 470.] –