BLKÖ:Grisellini, Franz

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 5 (1859), ab Seite: 354. (Quelle)
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Grisellini, Franz (Schriftsteller, geb. zu Venedig 12. Aug. 1717, gest. zu Mailand 1783). Der Sohn bürgerl. Eltern; von wem und wo er den ersten Unterricht erhielt, ist nicht bekannt, jedenfalls brachte er von Natur aus mehr als gewöhnliche Anlagen mit, durch die er in die Lage kam, in verschiedenen Gebieten Erhebliches zu leisten. In jungen Jahren noch trat er in den geistlichen Stand, aber nicht lange gefiel es ihm in demselben, er verließ ihn und heiratete. Die Wahl seines Herzens fiel auf ein Mädchen aus Parenzo, das guter Familie angehörte. Aus dieser Ehe stammten zwei Söhne und eine Tochter. Das Leben G.’s selbst ist eine Kette von Abenteuern und Wechselfällen aller Art. Er hatte mächtige Freunde und erbitterte Gegner, es fehlte ihm ebenso wenig an Lob und Ehren, als an Verfolgungen und Verdächtigungen, ja Beschuldigungen von Vergehen, die er nie begangen. In Gesellschaft mit einem Grafen Brigido, den er im Hause des kaiserl. Gesandten Graf Durazzo kennen gelernt hatte, unternahm er eine Reise in das Temesvárer Banat, wo er durch vier Jahre sich aufhielt. Für seine weiter unten angeführten „Memorie“ erhielt er von der krainischen Landwirthschaft-Gesellschaft den Preis. Für seine Schrift über die Runkelrübe zeichnete ihn der Großherzog von Toscana mit einer Medaille in Gold und der Papst mit zwei Medaillen, einer in Silber und der andern in Gold, aus, welche ihm der Cardinal Rezzonico im Namen des heiligen Vaters überreichte. In Folge seiner vielseitigen und ersprießlichen Thätigkeit ward er zum Mitglied mehrerer Gesellschaften gewählt, u. z. vom Institut der Wissenschaften in Bologna, von der Accademia dei Georgofili in Florenz, von jenen von Cortona, Mantua, Bern, von der kön. Gesellschaft in London, von jener zu Olmütz, und wurde zuletzt Secretär der patriotischen Gesellschaft in Mailand. In dieser Stellung starb er auch im Alter von 66 J., nachdem ihn zuvor der Irrsinn befallen hatte und er in das Ospizio der Fate bene Fratelli gebracht werden mußte. Die Zahl der Arbeiten G.’s in den verschiedensten Gebieten des Wissens ist sehr groß. Hier möge eine Uebersicht derselben nach den Fächern folgen. In seiner Jugend betrieb G. das Karten- und Plänezeichnen, und noch sind Proben seiner Gewandtheit in mehreren Arbeiten vorhanden, als: „Grande prospettiva della città di Venezia a tinta nera, con cinque vedute dei principali fabbricati e cogli stemmi dei Dogi all’ intorno“, worauf steht: Franciscus Grisellini delineavit; – ferner: „Esatissima nuova idrografica dimostrazione delle Lagune di Caorte, Marano e Grado, ove sono rimarcabili tutti li Canali ciòe Ghebi, Rami sott’ acqua, Barene, Paludi, Imbonimenti, Bassi fondi e Scanni con un’ accurata Topografia dei Territorj vicini, descritta da Francesco Grisellini dilettante in Geometria ed in Architettura militare“. Anläßlich dieser Zeichnung ist eines Umstandes [355] zu gedenken, welcher eine Eigenthümlichkeit des berüchtigten Rathes der Zehn beurkundet. Als nämlich G. dieses Blatt eines Sonntags, wie es damals Sitte war, an der eben abgebrochenen Kirche S. Giminiano öffentlich ausstellte, erhielt er vorerst von dem Rathe der Zehn eine strenge Verwarnung, weil er es gewagt hatte, auf dem Blatte auch die Dromi zu zeichnen, welche bei der Einfahrt in den Hafen als Begleiter dienten, wovon aus politischen Rücksichten nicht Jedermann Kenntniß zu haben brauchte. Acht Tage später gab ihm aber derselbe Rath zu wissen, daß er die Zeichnung für sich behalten möge, und ließ ihm unter Einem eine Entschädigung von 200 Ducaten in Gold für seine Arbeit anweisen. Dadurch war das Blatt der Benützung von anderer Seite entzogen. Die Tüchtigkeit seiner Arbeiten lenkte die Aufmerksamkeit des berühmten Marco Foscarini (s. d. IV. Bd. S. 299) auf G., durch dessen Vermittlung er den ehrenvollen Auftrag erhielt, die alten auf Leinwand gemalten Karten im Saale des Dogenpalastes, genannt delio scudo, zu restauriren. Aus Anlaß dieser Arbeit gab er die Schrift heraus: „Succinta descrizione delle bellissime Tele geografiche ora rinovate ed accresciute etc.“ (Venedig 1763). Doch selbst Foscarini’s mächtiger Schutz sicherte ihn nicht vor den Nachreden seiner Feinde und er erfuhr die Beschuldigung, sich bei der Restauration Eigenmächtigkeiten durch Hinzufügung von Einzelheiten erlaubt zu haben. Erst nach seinem Tode entlarvte Cardinal Placido Zurla die Verläumdungen, und ganz kam die Schuldlosigkeit G.’s zu Tage, als man in der Raccolte, Correr die ersten Entwürfe dieser Karten mit den genehmigenden Unterschriften der Reformatoren des Unterrichts in Padua und des Dogen selbst entdeckte. Ein anderes Kartenblatt: „Palaestinae Tabula Geographica ex veteri et novo Testamento scriptisque Josephi, Eusebj, Hieronimi et Epiphanj deprompta etc. etc. elaborata a Blasio Ugolini et a Francisco Grisellini delineata“ (H. 1 Meter 24, Breite 2 Meter 12) befand sich noch vor mehreren Jahren im Besitze der Erben des Architekten Angelo Fossati. Das Blatt enthält außerdem eine grosse Menge sorgfältig gezeichneter Trachtenbilder und ethnographische Skizzen. G. verstand überdies auch mit dem Grabstichel umzugehen; Beweis dafür sind die vielen Kupfertafeln, welche sich bei seinen Werken befinden, und die von ihm selbst gestochen sind; unter anderen das gut gestochene Porträt des Paolo Sarpi. Die bisher angeführten Arbeiten G.’s sind es jedoch nicht, welche seinen Namen allgemein bekannt und ihn selbst in die Reihe der um die Menschheit verdienten Männer gestellt haben. G. war vorzugsweise als Schriftsteller thätig, und die Geographie, Geschichte, Land- und Volkswirthschaft und Naturgeschichte, verdanken ihm mannigfache, theils selbständig, theils in periodischen Werken seiner Zeit gedruckte Werke und Abhandlungen, u. z. aus dem Gebiete der Land- und Volkswirthschaft: „Il Setifizio. Memorie dodici“ (Verona 1783, Fol.); – im „Giornale d’Italia“ 1765: „Della natura e degli usi che fanno varie nazioni d’Europa delle Patate o Pomi di terra e di quelli, che far ne potrebbero con molto utile gl’Italiani“ (I. Bd.); – „Lettera sopra le piante parassite che daneggiano gli alberi, le erbe dei prati, le canapaie, le liniere ec.“ (II. Bd.); – „Memoria sopra la coltura del Cavolo Rapa“ (VIII. Bd.); – „Istruzione sulla coltura dei Mori Bianchi alla maniera dei Veronesi ... arrichita di 27 tavole incise in rame“ (Vened. 1768); – „Memoria in risposta a due quesiti ... sul miglior modo di seminare il Cardo-Rapa e trarne dell [356] Olio spogliato dal cattivo sapore che ha naturalmente“ (Florenz 1772, 4°.); – „Sul debito che hanno i Parochi di campagna d’istruire i Contadini nelle migliori regole dell’ agricoltura“ (Vened. 1773); – „Pensiere intorno ai modi di render ricca e possente una nazione“ (im III. Bande des „Giornale d’Italia“); – „Dei Napo Selvatico detto comunemente Ravizzone“ (Venedig 1771 mit Taf.); – „Memoria sul stabilimento coltura e conservazione dei boschi di Quercia“ (im IV. Bde. Des „Giornale d’Italia“); – „Dissertazione sopra il governo dei Boschi“ (Vened. 1791); diese Abhandlung wurde von der agronomischen Gesellschaft in Treviso mit dem Preise gekrönt, aber erst mehrere Jahre nach seinem Tode herausgegeben; – „Nuova maniera di seminare e coltivare il Formento“ (Venedig 1765, mit Tafeln). Auch wird ihm das „Manuale dell’ affituale di Campagna“, das in Gesprächen verfaßt und im dritten und vierten Bande des „Giornale di Agricoltura“ (Venedig, Milocco) abgedruckt ist, zugeschrieben. Eine Auswahl seiner landwirthschaftlichen Abhandlungen erschien in deutscher Uebersetzung unter dem Titel: „Briefe über allerlei Gegenstände aus der Natur und Oekonomie“ (Leipzig 1778); – die Elogien im „Giornaie d’Italia“: „Elogio all’ illustre memoria del Veneto patrizio Nicolo Lorenzo 3° da Ponte“ (VI. Bd.); – „Elogio alla memoria del fu Antonio Zanon“ (VII. Bd.); – „Elogio del N. U. Cav. Nicolò Tron“ (VIII. Bd.); – „Elogio di Caterina II, tradotto dal Francese in Italiano“ (Venedig 1773, 4°., mit vielen Tafeln); – die geo-, ethnographischen und culturhistorischen Schriften: „Alcune lettere sul viaggio di Francesco Grisellini a Temesvar“ (im XI. Bde. Des „Giornale d’Italia“); – „Lettere odeporiche sul banato di Temesvar“ (Mailand 1780); von der italienischen Ausgabe, welche mit vielen Kupfertafeln von G.’s Hand ausgestattet ist, erschien nur der erste Band; auch kam eine deutsche Uebersetzung heraus unter dem Titel: „Versuch einer politischen und natürlichen Geschichte des Temesvarer Banates“, 2 Theile (Wien 1779 und 80, Sammer, 4°.); – „Del Genio di F. Paolo Sarpi in ogni facoltà scientìfica, e nelle dottrine ortodosse tendenti alla difesa dell’ originario diritto dei Sovrani“, 2 Bde. (Venedig 1785 und wiederholt, 8°.); – „Memorie aneddotiche spettanti alla vita ed agli studj del sommo filosofo e guireconsulto F. Paolo Sarpi Servita“ (Lausanne 1760, wieder gedruckt mit der Gesammtausgabe von Sarpi’s Werken in 4 Bdn., Helmstadt 1761); eine deutsche Uebersetzung desselben erschien unter dem Titel: „Denkwürdigkeiten des berühmten Sarpi“ (Ulm 1761, Wohler, 8°.); – „Dizionario delle Arti e dei Mestieri“ (Vened. 1769, 8°., mit Tafeln). Dieses Werk konnte G. nicht vollenden; Fassadoni übernahm die Fortsetzung, doch ist es das erste dieser Art, welches in Italien erschien und Grisellini gebührt das Verdienst seiner Begründung; – und „Istituzioni, Riti e Ceremonie des Franc-Maçons ...“ (Venedig 1785, 8°.); – aus der Naturgeschichte: im „Giornale d’Italia“ 1765: „Mostro singolare in quel genere di Poliparo che è conosciuto sotto il nome di Madrepora“ (I. Bd.); – „Sopra i Polipi Marini o del passaggio della natura dal regno dei vegetabili a quello degli animali“ (Ebenda); – „Osservazioni e scoperte fatte da F. G. intorno ad alcune produzioni vegetabili ed animali della Laguna di Venezia“ (II. Bd.), diese Abhandlung hat G. an den berühmten Naturforscher Antonio Vallisnieri gerichtet; – „Discorso sopra l’utilità della Zootomia“ (Venedig 1749); – „Observations sur la Scolopendre Marine luisante [357] ...“ (Venedig 1750); diese in Form von Briefen geschriebenen Beobachtungen richtete G. an Buffon, sie wurden später von ihm italienisch im mehrerwähnten „Giornale d’Italia“ (II. Bd.) mitgetheilt. Ferner enthalten die „Memorie e Osservazioni spettanti alla storia dei fossili e dei Regni minerale ed animale tratte dagli Atti della R. Accademia delle scienze di Parigi“ (Venedig 1756, Bassaglia) mehrere Original-Abhandlungen G.’s. Auch auf dramatischem Gebiete hat sich G. versucht und es erschienen: „Socrate, tragicommedia con mi saggio dell’ antica commedia greca d’Aristofane intitolata: Le Nubi“ (Venedig 1755, 8°.); – „Il Marito desolato, Commedia“; – „I Liberi Muratori, Commedia di Ferling Isac Creas [Anagramm seines Namens] dedicata al celebre ed illustre signore Aldinoro Clog [Anagramm des Namens: Carlo Goldoni] Comico prestantissimo“ (Libertapoli 1765); davon erschienen drei Ausgaben; – „Reginella o la Virtuosa di Musica. Commedia“ (Venedig 1770). – Schlüßlich ist noch eines Blattes zu gedenken, welches G. herausgab, u. z. des „Corriere letterario“ (Venedig, Grapigli), wovon aber nur ein Band (1766) erschien. Das „Giornale d’Italia“ hatte er mehrere Jahre hindurch redigirt. So reich das obige Verzeichniß seiner Schriften ist, so ist es noch immer nicht vollständig. Unter den von Moschini dem Patriarchen-Seminar in Venedig hinterlassenen Schriften, befinden sich auch mehrere Originalbriefe G.’s an Amadeo Svajer, aus welchen erhellt, daß er zur Zeit der Unterdrückung des Ordens der Jesuiten durch Schriften thätig gewesen. Ferner schrieb er für Geistliche, welche nicht im Stande waren, ihre kirchlichen Vorträge zu verfassen, um Honorar Predigten und Kanzelreden. Jedenfalls hat G. eine Vielseitigkeit seltener Art entwickelt, und Abbé Navagnan im Elogio über Gius. Valentino Vianelli von Chioggia, obwohl er ihm nicht freundlich gesinnt ist, schreibt von ihm: „fu un versatissimo ingegno, ma spesso arrischiato, traduttore e giornalista, scrittor di commedie, di viaggi, di aneddoti storici, agronomo, botanico, naturalista“, nicht erwähnend, daß er auch ein gewandter Zeichner und Kupferstecher gewesen, wie es aus dieser Lebensskizze erhellet.

Dandolo (Girol.), La caduta della repubblica di Venezia ed i suoi ultimi cinquant’anni. Studii storici ... (Venedig 1856, Naratovich, 8°.) S. 390.