Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 3 (1858), ab Seite: 138. (Quelle)
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Damböck, Marie[BN 1] (dramatische Künstlerin, geb. zu Fürstenfeld in Steiermark 16. Dec. 1827).[WS 1] Ihr Vater lebte als k. k. Beamter in Fürstenfeld, einem an der Gränze Ungarns gelegenen steirischen Städtchen, und die Tochter kam, 7 Jahre alt, in die Klosterschule nach Graz. Mit 13 Jahren, als sie den berühmten [139] Monolog aus der „Jungfrau von Orleans“ vortrug, zeigte sie bereits ihre dramatische Begabung, und als sie später in „Wilhelm Tell“ die Rolle der Armgard spielen sah, sprach sie ihre Neigung für die Bühne unverholen aus. Da ihre Bildung noch nicht vollendet war, erfüllte der Vater den Wunsch der Tochter nicht, gewährte ihn aber, als sie 2 Jahre später dieselbe Neigung offenbarte. Im Alter von 15 Jahren spielte sie in Innsbruck die „Pfefferrösel“ im gleichnamigen Stücke. Nach dieser Proberolle wurde sie an diesem kleinen Theater engagirt, konnte sich aber den beschränkten Verhältnissen kleiner Bühnen zu Folge keinem besondern Fache widmen. Von Innsbruck kam sie nach Brünn und erweckte als „Maria Stuart“, „Johanna“, „Parthenia“ allgemeine Aufmerksamkeit. In Brünn sah sie Baron Perglas, Intendant des Hoftheaters zu Hannover und gewann sie für seine Bühne, welche sie 1845 betrat. Im folgenden Jahre machte sie eine Kunstreise, spielte in Frankfurt a/M., wo Gutzkow die Bedeutenheit ihres Talentes anerkannte; in Hamburg, wohin sie 1847 wiederkehrte und wo die Schröder ihr eine schöne Zukunft prophezeite; im J. 1848 auf mehreren kleineren Hofbühnen und 1849 in Berlin, wo sie Tiecks Aufmerksamkeit erweckte, ohne jedoch im Publicum entschieden durchzugreifen, woran zunächst der süddeutsche Dialect, der den Berlinern nie gefallen will und wird, Schuld trägt. Bis zum Jahre 1851 blieb sie in Hannover. Noch war aber ihr bedeutendes dramatisches Talent nicht ganz zum Durchbruche gekommen. Sie spielte kleinere Rollen wie die Königin im „Don Carlos“ u. dgl. m. erst als sie die „Deborah“ in Mosenthals gleichnamigem Stücke darstellte, kamen sie und das Publicum zugleich zur Einsicht ihres eigentlichen Talentes, welches sie ausschließlich zu hochtragischen Rollen berief. Von Gastspielen in Bremen und München mit den Zeichen glänzender Anerkennung nach Hannover zurückgekehrt, erhielt sie mit einem Male vier Anträge zugleich, von Küstner für Berlin, von Baron Gall für Stuttgart, von Dingelstedt für München, von Laube für Wien. München both ihr die eigentlich würdige Laufbahn für ihr Talent und diesen Antrag nahm die Künstlerin an. Seit dieser Zeit und heute noch wirkt sie an dieser Bühne. Ihre Glanzrollen sind: „Julie“, „Iphigenie“, „Phaedra“, „Judith“, „Jokaste“, „Antigone“. Ueberhaupt ist sie groß in den weiblichen Charakteren des classischen Alterthumes, wozu ihre seltenen Vorzüge des Organs und ein vollendetes Ebenmaß in der äußeren Erscheinung wirksame Hilfe leisten.

Ergänzungs-Conversations-Lexikon von Dr. Fr. Steger (Leipzig u. Meißen 1853, Lex. 8°.) VIII. Bd. S. 703. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für gebildete Stände (Hildburghausen 1845, Bibl. Inst., Lex. 8°.) II. Suppl. Bd. S. 1273. – Illustrirte Zeitung. Im Jahrgange 1848 oder 49 befindet sich ihr Porträt.[BN 2] – Im Nürnberger Correspondenten spricht sich ein gewandter dramatischer Kritiker über Marie Damböck in dem Aufsatze: „Die Münchener Hofbühne und ihre hervorragendsten Mitglieder unter Dr. Fr. Dingelstedts Leitung“ folgender Maßen aus: „Marie Damböck machte in München die Aufführung der antiken Tragödien und der Hebbel’schen Stücke mit ihren aus Marmor und Feuer geschaffenen Gestalten möglich. Ihre schönen, edlen, aber kühn ausgeprägten und tief-ernsten Gesichtszüge, ihr imposantes Organ mit seinen durch alle Stimmregister vollklingenden, markigen und metallreichen Tönen, ihre hohe, echt tragische Gestalt, voll edler Würde und schöner Fülle bestimmen sie in ungleich höherem Grade zu dem Ausdrucke der Kraft als der Zartheit, der Erhabenheit als der Innigkeit, der Leidenschaft als der Empfindung und rücken die Idealität und die Plastik der antiken Tragödie, sowie alle gigantischen, ihrer Natur losgelösten Charaktere zu ihrer Productionskraft in eine weit engere und unmittelbarere [140] Beziehung als die Realität und die musikalische Gefühlsinnigkeit des romantischen Drama’s. Die trüben, dunkeln Parthien des Lebens, die Nachtseiten der Menschennatur, sind ausschließlich das Gebiet dieser Künstlerin. Vor dem Schmerze und der Klage Antigone’s, vor dem tödtlich getroffenen Stolze, vor der Rachegluth der Jüdin Deborah, vor der Leidenschaft und der kolossalen Kraft der Selbstüberwindung einer Judith, vor der Fieberraserei Phädra’s zittert und erbebt unser Herz bis in die geheimsten Fibern. Wir sehen die Leidenschaft entstehen, die Gränzen der Weiblichkeit, des Menschlichen überschreiten, sie bis auf den Gipfelpunct einer Gorgo hinaufwachsen und ragen, die Schlangenhäupter blitzen um uns, dieser Blick säet rings Gift, Tod und Verderben, Furcht, Grauen und Abscheu zieht durch unser Inneres, bis sich die verheerende Wuth selbst den Dolch in’s Herz drückt – unser sittliches Gefühl ist befriedigt – wir athmen auf – der bange Traum der Wirklichkeit ist vorbei und an seine Stelle tritt die Bewunderung für eine große Künstlerin.“

Berichtigungen und Nachträge

  1. Damböck, jetzt Straßmann-Damböck, Marie (Bd. III, S. 138; Bd. XIV, S. 389].
    Deutsche Schaubühne, herausgegeben von Perels, 1868, S. 52 u. f., im Aufsatze: „Das Münchener Hoftheater 1852–1864“, von C. G. Demptwolff. [Band 24, S. 383]
  2. E Damböck, Marie, dramatische Künstlerin [s. d. Bd. III, S. 138].
    Illustrirte Zeitung (Leipzig, J. J. Weber) 1853, Nr. 507. S 184: Ausführliche Biographie mit Holzschnitt-Porträt. [Band 11, S. 389]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zu dieser Person gibt es Band 39, S. 282, einen 2. Artikel.