BLKÖ:Blaskovics, Johann von

Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Band: 1 (1856), ab Seite: 429. (Quelle)
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Blaskovics, Johann von (Pädagog geb. in der kön. Freistadt Bösing in Ungarn, 22. Dec. 1777, gest. zu Preßburg 19. Nov. 1855). Ist der Sohn protestantischer adeliger Eltern, welche in dürftigen Verhältnissen lebten. Zuerst besuchte er die Schule des Ortes, später, weil er Talent zeigte, das evangelische Gymnasium in Modern. Philosophie und Theologie absolvirte er auf dem evangelischen Lyceum zu Preßburg. Daß er sich für die Theologie entschied, dazu mochte die lockende Aussicht des Besuchs deutscher Hochschulen, welcher den ungarischen Candidaten der Theologie als gesetzliches Vorrecht gestattet war, wesentlich beigetragen haben. Vor allem zog es ihn nach Jena, dessen Hochschule seit jeher von der ungarischen Jugend mit Vorliebe aufgesucht wurde und damals (Anfang dieses Jahrhunderts) gerade ihre glänzendste Periode hatte. Drei Jahre brachte B. in Jena zu, und kam mit berühmten Zeitgenossen, die dort theils lehrten oder lernten, wie Schelling, Hegel, Wilhelm von Humboldt, oder im benachbarten Weimar ihren Heroensitz aufgeschlagen hatten, wie Goethe, Herder, in Berührung, ja B. unterrichtete sogar Goethe’s Sohn August in der Mineralogie. Neben seiner Berufswissenschaft trieb B. noch naturwissenschaftliche Studien, insbesondere Botanik und Mineralogie. Besonders ausgezeichnet war er in letzterer, und wurde ihm seiner Tüchtigkeit wegen in diesem Fache das mineralogische Cabinet der Universität zu ordnen überlassen. Nach andern Universitätsstädten unternahm er instructive Ferienausflüge und zwar nach Göttingen und Halle, und an letzterem Orte studirte nun B., den der Beruf eines Pädagogen am meisten anzog, die Einrichtungen des Franke’schen Waisenhauses. Als er endlich in die Heimat zurückgekehrt war, erhielt er 1805 den Ruf als Mädchenlehrer und dritter Prediger an die evangel. Gemeinde A. C. zu Wien. Hier lernte er die Schwägerin des Superintendenten Wächter, Johanna Dorothea Dirker kennen, und vermälte sich mit ihr 1809. Doch schon nach 5 Jahren entriß ihm der Tod seine Lebensgefährtin. Blaskovics selbst fühlte seine Gesundheit so angegriffen, daß er 1812 seine Lehrer- und Katechetenstelle aus Gesundheitsrücksichten aufgeben mußte. Nun erhielt er von dem Grafen M. Fries den Antrag, die Erziehung eines Sohnes zu übernehmen. Im Juli 1814 trat B. als Begleiter der gräflichen Familie eine Reise in die Schweiz an, und dieses neue Leben in frischer belebender Alpenluft, der Verkehr mit geistig strebenden, oft bedeutenden Männern stärkten seinen Geist und Körper, er erweiterte seine pädagogischen, botanischen und geologischen Kenntnisse. In Vevay trat er in innigen Verkehr mit Herrn von Türck, einem um die Methode des Elementarunterrichts, insbesondere was die Anschauungs- und Formenlehre betrifft, verdienten Deutschen, der in der genannten Stadt eine Erziehungsanstalt besaß. Auch besuchte er Pestalozzi in Yverdun, unterrichtete sich genau über die Einrichtungen dieses Institutes u. des landwirthschaftlichen Institutes zu Hofwyl, [430] das unter Fellenbergs Leitung stand. Diese Reise war für B.’s Zukunft entscheidend. Graf Fries hatte immer den Gedanken gehegt, seinen Sohn in der Schweiz erziehen zu lassen. Blaskovics war von allem Anbeginn gegen dies Idee gewesen. Der Graf hatte ihn nun auf die Reise mitgenommen, um die Bedenken seines Begleiters zu besiegen. Bevor sie nun alle nach Wien zurückkehrten, mußte die Frage, ob B. mit seinem Zöglinge in der Schweiz bleiben solle oder nicht, zur Entscheidung gebracht werden. Alle persönlichen Rücksichten und seinen Vortheil aus den Augen lassend, erklärte B., der junge Graf sei kein Schweizer Patrizier, sondern österreichischer Staatsbürger, österreichischer Cavalier. Der kais. Regierung könne es nicht gleichgiltig sein, ob die Edlen des Landes daheim oder auswärts erzogen würden. Für seine künftige Bestimmung könne der junge Graf nirgends besser als unter Oesterreichern herangebildet werden. Nach einer ohne Erfolg gebliebenen mündlichen Unterredung mit dem Grafen schrieb B. an denselben: „Ich glaube, Sie sind mit mir noch gleicher Meinung, Moriz soll nach dem Beispiel der englischen Großen eine classische Bildung erhalten; nehmen wir nun die Engländer in Ziel und Tendenz als Muster an, warum nicht auch in Hinsicht der Mittel und Wege? Diese große Nation sieht eifersüchtig darauf, daß ihre Jugend bis ins zwanzigste Jahr im Vaterlande gebildet und demselben anerzogen werde; dann entlassen sie dieselbe frei in die Welt, um sich die Ecken abzustoßen und Erfahrungen für’s praktische thätige Leben zu sammeln.“ – Den folgenden Tag wurde ihm auf diese Zeilen die Erklärung, daß Graf und Gräfin seine Gründe wohl erwogen hätten und von ihrem Plane abstehend, in seine Wünsche eingehen wollten. Ihr Sohn solle in Gesellschaft von 5–6 Knaben, deren Wahl, so wie auch die Wahl der Hilfslehrer ihm (Blaskovics) überlassen bleibe, in Plankenberg [einem Gute des Grafen in Niederösterreich] erzogen werden. Seiner weitern Ueberlegung sei es anheimgestellt, ob und wie daselbst der Grund zu einer Bildungsanstalt junger Männer für Volksschulen und herrschaftliche Beamten – zunächst blos der eigenen Güter – zu legen, also eine kleine ökonomische Anstalt zu gründen sei, die in der Folge nicht blos ihm – dem Grafen – sondern auch dem Staate nützlich werden konnte. So entstand die Erziehungsanstalt in Plankenberg, eines der bedeutendsten pädagogischen Institute jener Zeit, welches leider nur die Dauer von 12 Jahren hatte, dessen Geschichte aber in der Geschichte des Erziehungswesens in der Monarchie ein erhebliches Moment bilden dürfte. B. erhielt das geräumige Schloß sammt Garten zur freieren Benützung und Umgestaltung für die Zwecke des Institutes eingeräumt. Der Ruf der Anstalt, welche die Liberalität des Gründers mit einer großen gewählten Bibliothek, reichhaltigen naturhistorischen Sammlungen und kostspieligen physikalischen Apparaten ausstattete, war schnell begründet. Angesehene Familien des hohen Adels und der Finanzwelt gaben ihre Söhne dahin, und die limitirte Anzahl war bald überschritten, was natürlich Vermehrung des Lehr- und Erziehungspersonales zur Folge hatte. Doch wurde über die Zahl von 12 Eleven nicht hinausgegangen. Seiner inneren Einrichtung nach war das Plankenberger Institut ein Privatgymnasium nach den Grundzügen des damaligen österreichischen Lehrplanes, wobei für alle freien Fächer der Wissenschaft und Kunst, welche zur standesgemäßen Bildung junger Cavaliere gehören, hinreichend gesorgt war. Turnen, ritterliche Uebungen wurden eifrig gepflegt, und ländliche Beschäftigungen in der freien Natur förderten die körperliche [431] Entwickelung im gleichen Maße mit der geistigen. Plankenberg konnte das österreichische Schnepfenthal genannt werden. Was die Heranbildung von Schullehrern und Wirthschaftsbeamten betrifft, so ist es nicht bekannt, ob diese Idee auch ist verwirklicht worden. Im J. 1819 vermälte sich B. zum zweiten Male mit Katharina von Kalchberg, einem Edelfräulein aus Graz, in der die junge Colonie in Plankenberg eine sorgliche Pflegemutter erhielt. Als Graf Moritz Fries, sein Zögling, den Gymnasialcurs beendet hatte, unternahm B. mit ihm eine Reise nach Deutschland, wo der Graf zurückblieb und in Leipzig akademische Studien machte. Die finanzielle Crisis des Hauses Fries endete die schönen Tage von Plankenberg. B. übersiedelte 1826 mit seinen Zöglingen nach Preßburg, wo er ein passend gelegenes Haus und Garten ankaufte und ein Institut herrichtete, das noch ein Jahrzehend in Blüte stand, bis ungünstige äußere Verhältnisse die Abnahme der Frequenz und endliche Auflösung der Anstalt herbeiführten. In der Liste der Zöglinge, welche theils in Plankenberg, theils in Preßburg an dem Blaskovics’schen Institute ihre Erziehung erhielten, glänzen die Namen: Joseph Fürst Colloredo, die Grafen Marschall, Schladen, Rechberg, Stackelberg, Grünne, zwei Grafen O’Donnel, Harrach, Wallis, die Barone Scheibler, Trenk von Tonde, Friesenhof, R. Geimüller, v. Brevillier u. A. Als für die Dauer des 1836ger Landtages weiland Se. k. Hoheit Erzherzog Joseph Palatin seine Familie nach Preßburg kommen ließ, ward B. die Auszeichnung zu Theil, den jungen Erzherzog Alexander in einigen wissenschaftlichen Gegenständen zu unterrichten. B.’s. Thätigkeit wendete sich nun immer mehr dem öffentlichen Gemeinwesen zu. In den J. 1839 u. 1840 stand er als Stadtvormund dem Collegium der Stadtverordneten (Wahlbürgerschaft) vor. An den Angelegenheiten der Preßburger evangelischen Gemeinde nahm er, besonders was die Lehranstalten betraf, regen Antheil und führte mehrere Jahre hindurch das Inspektorat über die Elementar- und Bürgerschulen. Die Kleinkinderbewahranstalt, das städt. Waisenhaus, das Preßburger Taubstummen-Institut verdanken ihm ihr Entstehen und ihre zweckmäßige Einrichtung, auch leitete er diese Anstalten als Director bis zu seinem Tode. Der Tod einer geliebten Tochter und die Abnahme seiner Körperkräfte, namentlich seines Gehörsinnes, trübten seine letzten Lebensjahre. Doch als hochbejahrter 70jähriger Greis nahm er an allen Erscheinungen im Gebiete der Wissenschaften und Künste regen Antheil. Noch kurz vor seinem Tode ward ihm eine große Freude. Er hatte seinen ältesten Sohn als Bräutigam gesegnet, aber am Vorabende der Vermälung einer geliebten Tochter überfiel ihn ein Schwindel, dem kurz darauf ein Nervenschlag folgte, der sein Leben endete. In der Vorahnung seines nahen Endes hatte er selbst ausgerufen: „Es sind der Freuden zu viele, sie können nicht ungetrübt bleiben.“ Der edle Greis, der etwas Rechtes im Leben geschaffen, viel Gutes gewirkt, hatte das seltene Loos, mitten in der Freude seines Herzens von Diesseits zu scheiden.

Der Pesther Bote. Großer gemeinnütziger Kalender für 1857 (Pesth, Landerer u. Heckenast) III. Jahrg. S. 70 [daselbst sein in Holz geschnittenes Porträt].