Auskunft über Vermißte
[35] Auskunft über Vermißte. Wir haben in dem Jahrgange 1883 der „Gartenlaube“ drei Listen mit einer Anzahl von 76 Vermißten abdrucken lassen. Aus den Zuschriften, welche uns in Folge derselben aus Nah und Fern zukamen, können wir Nachstehendes öffentlich mittheilen, während Anderes nur an die betreffenden Familien zu richten war.
Ueber Franz Klug (Nr. 36, 47) ist uns aus St. Gallen eine Spur zu weiterer Nachforschung angezeigt worden.
Ueber Leopold Gottlieb Kirsch (1882, Nr. 42, 84) ist Herr Buchhändler Jacob Block zu Gnadenfeld (Post Halbstadt, Gouvernement Taurien in Süd-Rußlands) im Stande, nähere Auskunft zu ertheilen. Da der Anmeldebrief der Angehörigen nicht mehr in unseren Händen, so bitten wir sie, sich direct an die angegebene Adresse zu wenden.
Aus Buenos Ayres wird uns geschrieben, daß man dort Hugo Engel (Nr. 28, 15) gefunden zu haben glaube. Wir erwarten weitere Nachricht durch Herrn Carlos Jabernig.
Der Buchdrucker Franz Jaksch (Nr. 36, 42) ist gefunden.
Dem Maschinenschlosser Joseph Müller (Nr. 28, 28) ist in Odessa durch die „Gartenlaube“ nach zehn Jahren wieder das erste Lebenszeichen von seinem Vater zugegangen, von dem er in dieser langen Zeit trotz aller Briefe keine Nachricht habe erlangen können. Er ist in der mechanischen Werkstätte von Gustav Bernek, Meisterkajastraße 44 in Odessa beschäftigt, glücklicher Gatte und Vater von drei Kindern, die endlich den Großvater wiederfinden.
Der Sohn und die einzige Stütze und letzte Hoffnung der armen Wittwe A. M. in Danzig, Rudolf Soth (Nr. 46, 64), scheint, wie Herr Ewald Beyer in Gera uns mittheilt, in Odessa zu finden zu sein. Wir haben weitere Nachforschung dort veranlaßt. Vielleicht ergiebt das für die alte Mutter nach zehn Trauerjahren wieder einmal ein helles Osterfest.
Ueber Joh. Scherrl (Nr. 36, 57) erhalten wir eine wahrscheinlich richtige Nachricht von dem Haus Robertson u. Hernsheim in Hamburg.
Auch der lange vermisste Paul Igel (1882, Nr. 42, 71) ist gefunden. Er hat sich von Sachsen aus selbst seiner Mutter gemeldet.
Ebenso hat Karl Höpker (Nr. 46, 74) aus Indien den Seinen Nachricht von sich gegeben.
Als Adresse des Uhrmachermeisters August Schumann (Nr. 46, 69) wird uns aus Petersburg angegeben: Wassili-Ostrow 6. Linie, Haus Lichatschew, Quartier Nr. 175, im 3. Corridor. Wir danken für diese Auskunft, die an Vollständigkeit nichts zu wünschen übrig läßt.
Große Freude kehrte nach sieben Jahren der Sorge und Sehnsucht bei dem nun einundachtzigjährigen Nachtwächter Wolf in Oberspaar (bei Meißen) ein, als derselbe wieder, in Folge unseres Aufrufs (1882, Nr. 34, 52), die erste Nachricht über seinen Sohn August Wolf in Australien erhielt. Letzterer ist wirklich erblindet, und es war nicht seine, sondern der Seinigen Schuld, daß der alte Vater so lange ohne Nachricht blieb. Seine Adresse: „Long Bay near Hobarttown, Tasmania“, die uns auch Herr Otto Koerbin daselbst mittheilte, wird nun Alt und Jung wieder in Verbindung bringen.
Denselben freudigen Dank erwarb sich die „Gartenlaube“ von der hochbetagten Mutter des Heinrich Stammerjohann (Nr. 28, 18) aus Hamburg, der sich in der brasilianischen Provinz Rio grande do Sul eine neue Heimath gegründet hat.
Die zwanzigjährige Lucie Pabst (Nr. 28, 17), die am Abend des 29. November 1882 das elterliche Haus in Quedlinburg verlassen, ist am 3. Juni 1883 in der Bode bei Hedersleben als Leiche gefunden worden.
Wir kommen zum letzten, einem tieftraurigen Berichte. In Nr. 28 der „Gartenlaube“ gaben wir dem Aufrufe Raum: „August Off, der Du vor zwanzig Jahren nach Rio gingst, gieb Deiner alten achtzigjährigen, allein noch lebenden Mutter, die täglich Deiner gedenkt, ein Lebenszeichen!“ – Der Angstruf der Sehnsucht aus dem Mutterherzen drang nicht mehr zu des Sohnes Ohr. Er starb, während die „Gartenlaube“ über das Meer zog, um ihn zu suchen. Nur ein Trost konnte der armen Mutter gegeben werden: Ihr Sohn fand in der Fremde wohl „nicht Glück noch Stern“, aber er hat als Künstler und Mensch sich die Achtung und die Freundschaft vieler Edlen erworben, die an seinen verwaisten Kindern nun ihre Theilnahme bethätigen. August Off galt in Rio de Janeiro als der ausgezeichnetste Maler und Lithograph von Portraits. Die „Revista Illustrada“ der brasilianischen Hauptstadt widmete ihm einen ehrenvollen Nachruf mit seinem Bildniß. Ein Seitenbildchen zeigt seine trauernde Gattin mit den sechs Kindern vom Grabe kommend. Leider ist dies nur künstlerische Zugabe. Kurze Zeit vor August Off’s Erkrankung [36] war seine Gattin mit dreien der Kinder zu Verwandten nach Antwerpen gereist. Niemand kannte bei Off’s Tod ihre Adresse. Vielleicht verkündet dieses Blatt ihr, daß sie Wittwe ist.
Mit dem hier dargelegten Erfolge unserer wenigen Vermißtenlisten im vorigen Jahrgange der „Gartenlaube“ können wir jedoch um so mehr zufrieden sein, als außer dem oben Berichteten uns noch Andeutungen über zu verfolgende Spuren Vermißter von unseren Lesern und Freunden in den fernsten Erdtheilen, von Deutschen in Japan, China, Ostindien und Inseln des Stillen Oceans zugingen, die, mit den oben genannten, uns von Neuem den ebenso ehrenden wie ermuthigenden Beweis liefern, mit welcher Treue und Aufmerksamkeit unsere in aller Welt zerstreuten Leser die Bitten ihrer „Gartenlaube“ berücksichtigen, die für Viele derselben seit einem Menschenalter die treue Stimme aus der deutschen Heimath geworden und geblieben ist.
Wir haben deshalb den wärmsten Dank all den fernen und nahen Freunden auszusprechen, welche uns in der Besorgung dieser Vermißten-Angelegenheit ihre Theilnahme erwiesen haben. Die Freude der beglückten Eltern und Lieben der Gefundenen ist ihr Werk.
Wiederholen müssen wir aber auch beim Beginn des neuen Jahrgangs unseres Blattes zwei Bitten. Aus dem vorigen Jahre müssen über hundert wegen Raummangel unerledigte Vermißten-Anmeldungen in das neue Jahr herüber genommen werden. Diese Zahl mahnt uns an die Nothwendigkeit möglichst sorgfältiger Auswahl der in die nächsten Listen aufzunehmenden Vermißten. Wir bitten deshalb:
1) um sofortige Nachricht über alle indessen durch Auffindung oder den Tod der Vermißten erledigten Anträge, und
2) um Bestätigung der noch dauernden Geltung der vorjährigen Vermißten-Anmeldungen mittelst Postkarten.
Alle Vermißte, für welche solche Postkarten nicht eintreffen, müssen wir von unserer Liste streichen.
Nicht verschweigen wollen wir, daß wir uns gegen alte und arme Eltern und Geschwister besondere Rücksichten erlauben: eine solche Bevorzugung verdient doch wohl der Versuch, vom Kummer jahrelanger Sehnsucht bedrängten Herzen den späten Lebensabend durch einen Hoffnungsschimmer erträglicher zu machen, oder, wenn es glückt, durch ein Freudenlicht zu erhellen. Fr. Hfm.