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Titel: Aus vergessener Zeit
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 667–670
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Aus vergangener Zeit.
Harmlose Plaudereien eines Alten.

Wir sind heutzutage ein schnellebiges Geschlecht. Das zeigt sich unter Anderem auch darin, daß die Jetztlebenden so wenig selbst von einer unweit rückwärts liegenden Vergangenheit wissen. Kaum daß von den Aelteren Einige (weitaus nicht Alle) sich dessen erinnern, was sie selbst früher erlebt, gethan oder gelitten. Und doch ist so manches, das im Schooße der Vergangenheit schläft, werth, in unserem Gedächtniß fortzuleben, zumal, wenn es vom Hauche edler Freiheit und jenem höhen Unabhängigkeitssinne durchweht ist, an den zu erinnern in Tagen der Reaction, wie wir sie heute durchleben, doppelt Pflicht ist.

Lassen Sie mich in der leichten Form einer „Plauderei“ ein paar lose Blätter dieser Vergangenheit wieder aufschlagen!

Ich versetze mich um fünfzig Jahre zurück. Ich war Student in dem romantischen Heidelberg, das damals noch viel romantischer war als jetzt, weil es noch nicht zu einer englischen Colonie geworden, sondern einen stillversteckten Winkel, ganz im Horazischen Sinne, bildete, traulich hineingeschmiegt in die Ausläufer des Odenwaldes und doch von seiner stolzen Schloßruine, von seinem Kaiserstuhle aus weite Aus- und Umblicke gewährend auf die herrliche Rheinebene bis hinüber zu den Vogesen und bis hinauf zum Donnersberg und zu den Gebirgen des Rheingaus.

Es war eine bewegte Zeit. Ein frischer Hauch war kurz vorher, nach langer Grabesstille, durch die deutschen Lande gegangen. Das freie Wort, lange gefesselt oder doch gedämpft, war [668] wieder lebendig geworden in den süddeutschen Ständesälen und in der süddeutschen Presse. Selbst der kältere Norden war teilweise aus seinem Schlummer erwacht und regte sich. Der Geist, welcher freie, volkstümliche Verfassungen schafft hielt seinen Siegeszug in Deutschland von Land zu Land und stand erst still vor den schwarz-weißen Grenzpfählen im Nordosten und den schwarz-gelben im Südosten. Aber schon machte sich die Gegenströmung geltend. Die Ueberschwenglichkeiten des Freiheitsfiebers drohten wie so oft, die Freiheit selbst zu vernichten. Die lauernde Reaction ersah sich den Moment von Neuem hervorzubrechen. Auf der alten Feste zu Hambach (an deren Stelle jetzt die modern-mittelalterliche Maxburg steht) hatten im Mai 1832 neben deutschen Fahnen auch französische und polnische geweht. Das war schon nicht gut. Schlimmer war der wahnsinnige Frankfurter Putsch im April 1833, wo eine kleine Schaar Verwegener bei hellem Tage die Hauptwache am Sitze des Bundestags stürmte, um natürlich im nächsten Augenblicke von einer soldatischen Uebermacht zerstreut, in die Flucht gejagt oder gefangen genommen zu werden. Der Bundestag hatte nun alle seine Donner losgelassen. Censur, Paßwesen, Aufsicht auf die Universitäten, Alles war verschärft worden.

Trotzdem glaubte man, daß zu Pfingsten 1833 ein zweites Hambacher Fest stattfinden werde. Es war ein althergebrachtes Volksfest, welches alljährlich die lustigen Pfälzer auf der prächtigen Bergkuppe, diesem malerischen Luginsland, zu versammeln pflegte.

Ich hatte mich bis dahin wenig um Politik gekümmert; meine Gedanken schweiften nach anderen, idealeren Zielen hin. Aber wie hätte ich der Versuchung widerstehen sollen, auch einmal ein solches Fest und seine Erregungen in der Nähe mit anzusehen. Die Universitätsbehörde händigte mir auf mein Verlangen unbedenklich einen ordnungsmäßigen Paß aus, wie man einen solcher damals auf Schritt und Tritt benöthigte, zumal wenn man aus einem „souverainen“ deutschen Staate in den andern hinüber wandern wollte. Als harmloser Spaziergänger ohne Gepäck passirte ich glücklich die Schiffbrücke bei Mannheim und kam unangefochten, selbst ungefragt, bei der blau-weißen Schildwache vorüber, welche dort die königlich baierische Grenze vor gefährlichen Eindringlingen schützen sollte. So wandelte ich bei herrlichstem Frühsommerwetter durch die liebliche Pfalz hin, an Rebengeländen vorüber, das blauende Hardtgebirge vor mir; so klomm ich zu dem alten Hambachschlosse hinan und beschaute mir die Vorbereitungen zum morgenden Feste; dann stieg ich hinunter nach der baierischen Festung Landau, um dort zu übernachten und morgen nach Hambach zurückzukehren.

Der folgende Tag war ein Sonntag. Ich ging gewissenhaft auf’s Polizeiamt, um meinen Paß visiren zu lassen, und da dieses geschlossen war, zu dem hochmögenden Polizeicommissar in dessen Wohnung. Ich fand in ihm einen Typus des altbaierischen Beamten mit dem echt bajuvarischen verkniffenen, kleinen Schnurrbart und einer goldenen Brille über den argwöhnisch blickenden Augen. Bescheiden reichte ich ihm meinen Paß und stellte das übliche Begehr nach dessen Visirung. Beim ersten Blicke in der Paß entfiel dem guten Manne beinahe vor Schreck die Brille; sprachlos starrte er mich an. Ein Heidelberger Student mitten in der vermeintlich so wohlgehüteten Pfalz, nur eine Stunde entfernt von dem Hambacher Schlosse, jedenfalls entschlossen, morgen dort „mitzumachen“! Endlich sprach er gelassen das große Wort aus: „Auf diesen Paß kann ich Sie nur arretiren lassen.“

Nun ward ich belehrt, daß, weil mein Paß auf Mannheim, Speyer und zurück laute, ich aber auf einem Wege betroffen worden sei, der nicht zwischen Mannheim und Speyer, sondern abseits liege, ich mich straffällig und verdächtig gemacht habe und folglich arretirt werden müsse. Vergebens stellte ich vor, daß man bei solcher Erholungstouren in den Pfingstferien nicht die nächsten, sondern die schönsten Wege aufsuche und daß der schönere Weg unstreitig nicht am sandigen Rheinufer hin, vielmehr hier längs der Hardtberge laufe.

Der Hochmögende blieb beharrlich bei seinem Spruch. Er behauptete, die Universitätsbehörde zu Heidelberg hätte mir gar keinen Paß ertheilen dürfen; denn alle benachbarte Universitäten (hier schwatzte er aus der Schule) seien ersucht worden, während dieser Pfingstferien keine Pässe auszuliefern – natürlich damit kein Student den baierischen Boden betrete und dadurch das Vaterland vor Gefahr bewahrt bleibe! Das war nun aber doch geschehen, und unmöglich konnte ich für ein Versehen der Universitätsbehörde büßen. Aber der Mann ward immer ärgerlicher. „Sie haben in Hambach mit Revolution machen wollen,“ herrschte er mich an. Dagegen protestirte ich. Aber was half’s? Er hatte die Macht, ich nur mein Bewußtsein der Harmlosigkeit.

So mochte ich wohl eine halbe Stunde oder länger mit ihm vergebens capitulirt haben – du erschien mir ein rettender Engel in Gestalt der Familie des Gestrengen. Frau, Tochter und, wie es schien, Schwiegersohn kehrten vom Spaziergange heim und fanden zu ihrer sichtlichen Ueberraschung den Gatten und Vater in lebhafter Aufregung und ihm gegenüber ein junges Blut, dessen bestürztes Gesicht – ein solches mochte ich wohl machen – ihr Mitleid erregte. Genug, ich bemerkte, wie eine der Frauen um die andere dem erzürnten Jupiter etwas in’s Ohr flüsterte – fürbittende Worte, vermuthe ich; denn die Wogen seines Zornes legten sich; und er gab mir endlich den tröstlichen Bescheid: für diesmal wolle er es noch dabei bewenden lassen, mir – einen Zwangspaß mach Heidelberg zurück, auf dem geradesten Wege über Speyer, auszustellen: morgen früh neun Uhr müsse ich mich damit unfehlbar auf dem Polizeiamt zu Speyer melden. Auf meine Vorstellung, daß, da bis Speyer sechs Stunden Weges seien, ich früh drei Uhr würde ausrücken müssen, milderte er auch diese Sentenz auf elf Uhr. Was half’s? Ich wanderte nach Speyer, meldete mich und hatte die Genugthuung, daß man dort über den allzu großen Eifer des Landauer Collegen lächelte.

Uebrigens konnte ich meinem guten Geschick und dem baierischen Commissar zu Landau danken, daß ich verhindert worden war, diesem sogenannten Hambacher Feste beizuwohnen. Denn kaum daß dort eine pfingstfestfrohe Volksmenge sich eingefunden und bevor nur irgend etwas Verdächtiges geschehen, hatte das baierische Militär auf die Wehrlosen eingehauen und Viele verwundet. (Vergl. über diese empörenden Vorgänge die „Gartenlaube“ Jahrgang 1872, S. 364.)

Das ist ein kleines Geschichtchen aus der guten alten bundestäglichen Zeit und aus der Blütheperiode des Polizei- und Paßwesens! Nun ein paar andere Erinnerungen erfreulicherer Art!

Die Neujahrsnacht von 1833 zu 1834 war denkwürdig durch einer Sturm von seltener Heftigkeit, denkwürdiger noch für Deutschland durch ein anderes, politisches Ereigniß. Der mächtig durch Deutschland dahinbrausende Geist einer neuen Zeit – auch ein Sturm, und ein gewaltiger – warf in dieser Nacht ein Dutzend oder mehr bunte Schlagbäume um, die ebenso viele Grenzsperren für den inneren deutschen Verkehr von Land zu Land bedeutet hatten; an ihrer statt erstand eine gemeinsame Zolllinie, die ein Gebiet von beiläufig 24 bis 28 Millionen Einwohnern zu einem einiger, starken Handelskörper zusammenschloß. Der deutsche Zollverein war über Nacht entstanden, diese große, zukunftschwangere Schöpfung, von der damals ein deutscher Publicist prophetisch sagte: „Kaiser von Deutschland ist dermalen der deutsche Zollverein.“ Nun, er war mindestens die erste Stufe, oder besser gesagt, der Unterbau zu dem deutschen Kaiserthron, der freilich erst siebenunddreißig Jahre später errichtest werden sollte.

Und auf dieses erste hochwichtige Ereigniß des Jahres 1834, das die großen Industrieländer draußen, England und Frankreich, in lebhafte Erregung versetzte und ihre Sprachen mit einem neuen, bisher nicht gekannten Worte „Zollverein“ bereicherte, auf dieses erste folgte nicht lange nachher ein zweites – unscheinbar anfangs auf kleinen Raum beschränkst und doch in seinen Wirkungen kaum weniger bedeutungsvoll, als jenes: Zwischen Dresden und Leipzig ward der erste Spatenstich zu der ersten größeren deutschen Eisenbahn gethan; das war die erste Masche jenes ungeheuren Netzes von Schienensträngen, das heutzutage Deutschland nach allen Richtungen durchzieht und alle deutschen Länder mit einander verkettet, Leipziger und Dresdener Kaufleute hatten, von Friedrich List angeregt und ermuthigt, den Gedanken erfaßt, die beiden Städte durch einen Schienenstrang zu verbinden. Kühn, sehr kühn war dieser Gedanke damals; denn man hatte, auf dem europäischen Festland wenigstens, noch so gut wie keine Erfahrungen in Bezug auf dieses ganz neue Verkehrsmittel. Nur in England waren einige Eisenbahnen in’s Leben gerufen. Belgien begann sein großes Bahnnetz gerade erst in demselben Jahre; Frankreich war darin noch völlig zurück. Und da wollten einfache Private – nicht, wie in Belgien, der Staat – es wagen, einen solchen Bau und Betrieb zu unternehmen.

Der Zähigkeit des einen der Unternehmer, Harkort’s, der ein Sohn der rothen Erde war, und der speculativen Phantasie eines [670] anderen derselben, Dufour’s, in dessen Adern französisches Blut floß, war es hauptsächlich zu danken, daß das kühne Beginnen in Angriff genommen und glücklich durchgeführt ward.

Von den Erfindern der Leipzig-Dresdener Bahn lebte bis ganz vor Kurzem noch einer, der Banquier W. Seyffarth in Leipzig. Auch er ist nun geschieden. Harkort ist an der Stätte seines Wirkens im Standbild verewigt; seine Büste, inmitten des grünen Baumwerkes am Rande des Parkes zu Leipzig auf hohem Sockel aufgestellt, blickt hinüber auf den glänzenden Bahnhof, der jetzt den Ausgangspunkt der Bahnlinie in Leipzig überdeckt. Ein zweites Denkmal, von Seyffarth an einer andern Stellte des Parkes gestiftet, verewigt das Unternehmen selbst, seine ersten und seine jetzigen Leiter.

Heutzutage, wo der Staat den Privaten eine dieser großen Unternehmungen – der Eisenbahnen – nach der anderen aus der Hand nimmt und sich aneignet, wirft man vielfach nur übelwollende oder höchstes mitleidige Seitenblicke auf die Privatindustrie, die, meint man, zur Schaffung und Leitung so großartiger Verkehrsmittel weder befähigt noch berechtigt sei. Aber man sollte nicht vergessen, daß ohne die wagende Kühnheit eben dieser Privatindustrie und des sie unterstützenden Associationsgeistes Deutschland wahrscheinlich noch lange ohne Eisenbahnen und hinter anderen Ländern zurückgeblieben wäre; denn die Regierungen, weit entfernt, das vorhandene Bedürfniß einer so tiefeinschneidenden Reform des ganzen Verkehrswesens zu erkennen und zu seiner Befriedigung die Hand zu bieten, verhielten sich damals meist sehr kühl dagegen, ja hinderten vielfach das Zustandekommen zweckmäßiger, dem Interesse des großen Verkehrs wirklich dienender Bahnlinien durch allerlei Rücksichten. Gerade in unserer Zeit, die so geneigt ist, den hohen wirthschaftlichen, politischen, ja sittlichen Werth des Princips der Selbsttätigkeit des Volkes zu unterschätzen und zu mißachten, kann es nicht schaden, daran zu erinnern, wie die bedeutendsten, großartigsten Unternehmungen aus jenem Gebiete in den dreißiger und vierziger Jahren fast ausschließlich und jedenfalls zuerst auf dem Wege eben dieser Selbsttätigkeit der Privaten zu Stande gekommen sind.

Noch ein anderes Bild aus jener Vergangenheit!

Das denkwürdige Jahr 1848 war fast zur Hälfte verflossen und hatte bereits Ereignisse von unberechenbarer Tragweite aus seinem Schooße geboren: in Preußen einen Thronwechsel; an der westlichen Grenze Deutschlands, in Frankreich, eine künstliche Heraufbeschwörung des Schattens Napoleon’s des Ersten und eine neue Auflage des Rufes nach dem „linken Rheinufer“. In der Metropole des deutschen Buchhandels aber, in Leipzig, feierte man in ungetrübter, voller Festesfreude das vierhundertjährige Jubiläum der Buchdruckerkunst, dieser echtdeutschen Erfindung. In Berlin hatte die Polizei das Fest verboten, oder sie hatte wenigstens alle die öffentlichen Kundgebungen verboten, die erst ein solches Fest zu einem rechten Volks- oder Nationalfeste machen. In Leipzig dagegen war die Polizei – Ehre ihr dafür! – so frei von Angst und so voll Vertrauen auf den guten Geist der Bevölkerung, daß sie ein wirkliches „Volksfest“ (auf dem großen Exercirplatze bei Gohlis) mit allen möglichen Lustbarkeiten nicht blos gestattete, sondern daß sie auch jeder sichtbaren Ueberwachung der wohl 30,000 bis 40,000 Köpfe starken Menge sich streng enthielt, die Wahrung der Ordnung lediglich dem Festcomité überlassend. Und sie hatte sich nicht getäuscht. Nicht Ein Fall von Unordnung, von Trunkenheit oder Lärmen trübte das schöne Fest: das Volk bewies durch die That daß, wenn man ihm vertraut, es dieses Vertrauen rechtfertigt.

Tags vorher hatte die geistige Feier stattgefunden. Auf dem Marktplatze war eine Tribüne errichtet, von der aus Raimund Härtel, der Verstand der Buchdruckerzunft, die Festrede hielt. Am Schlusse dieser ward eine dort aufgestellte Buchdeckerpresse enthüllt, die sofort ein Festgedicht druckte, das unter die Kopf an Kopf gedrängten Zuhörer vertheilt ward. Als die Masse gegen die Tribüne hin wogte, um die von da herabflatternden losen Blätter aufzufangen, sah ich neben mir einen langen, hagern Mann, ernsten, fast sauren, aber bedeutenden Gesichts und sichtlich voll lebhaftesten Interesses, halb vorwärts drängend, halb gedrängt. Es war Dahlmann, das Haupt der berühmten „Göttinger Sieben“, deren tapfere Gewissensthat kurz vorher das fast in politischen Schlummer versunkene Deutschland so mächtig aufgerüttelt hatte. Mit seinen Freunden, den Grimm’s und Albrecht, war er nach Leipzig gekommen, um das Fest mitzufeiern, zugleich um sich persönlich für die warme Theilnahme zu bedanken, die Leipzig dem Schicksal der Sieben gewidmet; denn Leipzig war der Ausgangspunkt und Sitz jenes „Göttinger Comité“ gewesen, das Ehrensammlungen veranstaltete für die Männer, die ihrer Stellen entsetzt worden waren, weil sie ihren Verfassungseid nicht brechen wollten, der Ausgangspunkt jener Bewegung, welche nicht blos Adressen und Dankesworte, sondern auch klingende Beweise dafür geliefert, daß, wenn ein deutscher Fürst strenge Gewissenhaftigkeit mit Entziehung von Amt und Gehalt straft, das deutsche Volk bereit sei, aus seinen Mitteln solche Ehrenmänner zu entschädigen.

So trat mitten in die Festesfreude der Leipziger Jubelfeier der volle Ernst des Lebens hinein, gleichsam verkörpert in der edlen Gestalt Dahlmann’s: die Erinnerung an die traurige politische Misere unserer rechtlosen deutschen Zustände, glücklicher Weise aber auch zugleich das erhebende Gefühl, daß es noch Männer gäbe, die solchem Unrecht muthig die Stirn böten.

Damals war dies der erste und einzige Staatsstreich in Deutschland. Seitdem sind wir – namentlich in den fünfziger Jahren – überreich mit Staatsstreichen aller Art gesegnet gewesen. Aber, Gott sei Dank, auch da hat es nicht an Solchen gefehlt, die dem von den „Göttinger Sieben“ gegebene schönen Beispiel von „Männerstolz vor Königsthronen“ nacheiferten – freilich auch nicht an Solchen, die schwächlich oder charakterlos genug waren, ihre Ueberzeugungen zu wechseln mit dem Wandel der herrschenden Systeme. Immerhin wird das deutsche Volk gut thun, jene tapfere Mannesthat der Sieben auch jetzt und für alle Zeit als ein leuchtendes Vorbild unvergessen sein zu lassen.