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Autor: Moritz Kloß
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Titel: Aus meinem Bienengarten
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 32–33, S. 440–442, 458–460
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1857
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[440]
Aus meinem Bienengarten.
Von Moritz Kloß.
Nr. 1.

Wohl dürfte es kaum noch eine Thiergattung geben, welche so wie das muntere Volk der Immen durch ihre sinn- und kunstreiche Geschäftigkeit und geordnete Haushaltung die Bewunderung aller Freunde der Natur erregt hätte. Von den ältesten Zeiten her war die arbeitsame Honigbiene eine getreue Begleiterin des menschlichen Geschlechtes, denn nur da, wo sich dieses anbauete und häuslich niederließ, finden wir auch Bienencolonien, deren Vorkommen nach den Beobachtungen aller Reisenden nur bis an die Grenzen der Cultur zu verfolgen war.

Die Honigbienen gedeihen am besten unter der Beaufsichtigung und Pflege des Menschen, und weil ihr staunenswerthes Leben voll Instinct, Fleiß, Kunst und Ordnung so ungemein viel Anziehendes darbietet, so hat auch die Bienenzucht schon im alten Griechenland, wie in Italien und Spanien, viel Freunde gezählt und sich dieselben bis auf die neueste Zeit erhalten.

In Deutschland ist die Bienenzucht uralt, denn schon Plinius spricht von den Honigwaben der Germanen. Auf die umfänglichere Pflege der Bienenzucht, dieser Poesie der Landwirthschaft, hatte die Ausbreitung des Christenthumes einen wesentlichen Einfluß; denn die lucrative Seite dieses Industriezweiges wurde immer mehr erkannt, als man zahlreiche Klöster und einen pomphaften Cultus einrichtete, der Millionen von Wachskerzen erforderte. Kirchen und Klöster legten deshalb in ihrem eigenen Interesse Honig- und Wachszinsen auf das von ihnen vertheilte Land, dessen Bebauer so auf die Bienenzucht hingewiesen wurden.

Der Schreiber dieses gehört zu der gewiß sehr zahlreichen Classe der Bienenväter, die sich nicht des materiellen Vortheiles wegen, sondern lediglich aus Freude an der Beobachtung eines wunderbaren Thierlebens, der Pflege der Bienen unterzieht. Er gönnt sich öfters Viertel- und halbe Stunden, um auf einem stillen Plätzchen seines Bienengartens sich von der Tagesarbeit auszuruhen und dem zuzuschauen, was die Bienen, von einem stetigen, zwingenden Naturtriebe geleitet, in fröhlicher und geschäftiger Emsigkeit vollbringen. Gewiß kennen mit ihm noch Tausende diese harmlosen Freuden der Naturbetrachtung, die mancher kostspieligen „noblen Passion“ gegenüber gar unbedeutend erscheinen mögen, und doch ihre Lichtseiten haben. Versuchen wir einmal einige Beobachtungen über unsere merkwürdigen und nützlichen Thierchen niederzuschreiben, um die freundlichen Leser dafür zu interessiren.

Es glänzt unser Liebling nicht durch die Schönheit der Gestalt oder die Pracht der Farben, denn sein graubraunes Habit ist mehr als bescheiden; aber seine inneren Eigenschaften, wonach er Schönes formt und planmäßig eine geordnete Gesellschaft unter der Weisheit eines Oberhauptes bildet, geben ihm um so mehr den Preis unter allen niederen Thieren, weil er in seinem wohlgeordneten Staatsleben gar viele Spuren von freier Intelligenz und Unterscheidungsgabe, von Temperament, Muth und Absichtlichkeit zeigt, die von den trefflich ausgebildeten Sinnen des Geruchs, Gehörs, Geschmacks und Gesichts unterstützt werden.

Unsere Leser wissen vielleicht schon, daß jeder Bienenstock je nach seiner Stärke zusammengesetzt ist aus etwa 5–30,000 Arbeitsbienen, zeitweilig aus 150–2000 Drohnen und einer Königin. – Die Königin hat schon in ihrer ausgezeichneten schlanken Gestalt mit hohen goldgelben Füßen, sowie in ihrer glänzenden kastanienbraunen Färbung etwas Auffallendes, und in ihren ganzen Bewegungen verräth sich etwas Gravitätisches, so daß man schon daraus auf ihre Würde und Bedeutung in der Bienencolonie schließen kann. Sie scheint nach der Art vornehmer Damen eine Freundin feiner Odeurs zu sein, denn sie verbreitet stets einen melissenartigen Geruch um sich, vielleicht um damit die übrigen Bienen an sich zu gewöhnen. Die Drohnen zeigen dagegen einen plumpen Körperbau, dicken Kopf und breiten Hinterleib; im Fliegen geben sie ein starktönendes Gesumm von sich und lassen bei ihrem schwankenden Fluge die Beine schlotterig herabhängen. Die Arbeitsbienen endlich sind der Gestalt und der äußeren Erscheinung nach die unscheinbarsten, ihrer Zahl und Thätigkeit nach aber die bedeutendsten Bürger dieses Insectenstaates. Ihr ganzer innerer und äußerer Körperbau entspricht ihrer Bestimmung vollständig. Die Arbeitsbiene ist am ganzen Körper behaart, theils zum Schutz, theils zum Einsammeln des Blüthenstaubes. Hat sie sich in einem Blüthenkelche freudetrunken umhergewälzt, so kommt sie häufig roth, gelb oder weiß bepudert nach Hause, wo sie von ihren Genossinnen fein säuberlich geputzt und wieder gereinigt wird. Ihr langer bürstenförmiger Rüssel liegt in einer hornartigen Scheide und wird daraus schnell aufgerollt, wenn es gilt, den Blüthenhonig aus den Kelchen aufzusaugen. Der Kopf der Arbeitsbienen zeigt außer den Augen und den beiden hornartigen Zähnen zwei hervorragende Fühlhörner, in denen sich alle Sinnesorgane zu concentriren scheinen, da sie damit hören, fühlen, riechen, Zorn, Freude und Furcht ausdrücken und sich gegenseitig Zeichen geben. Ganz merkwürdig sind die drei Fußpaare construirt. Die kurzen Vorderbeine sind in ihren Gelenken sehr beweglich und dienen offenbar als Hände beim Einsammeln des Blumenstaubes und zu anderen Arbeiten, während das etwas längere mittlere Fußpaar zum Festhalten gebraucht wird, wenn die Vorderbeine arbeiten. Am längsten sind die Hinterbeine, welche mit einer schaufelartigen und mit Riefen und Borsten besetzten Narbe versehen sind, damit der Blumenstaub in Gestalt kleiner Ballen, sogenannter „Höschen“, darauf gepackt werden kann.

Man hat die Bienen viel beobachtet, ohne ihr inneres Familienleben und ihre Verwandlungen im. Einzelnen vollständig zu begreifen. Die gewöhnliche Ansicht ist heutzutage die, daß die Königin weiblichen und die Drohnen männlichen Geschlechtes sind, während die Arbeitsbienen geschlechtslose Wesen bilden. Von der unauflösbaren Verbindung der männlichen, weiblichen und geschlechtslosen Bienen hängt die Existenz des Bienenstaates ab; jede dieser Bienengattungen muß zum erfolgreichen Zusammenwirken das Ihrige beitragen. In der That zeigen sie auch in ihrem Zusammenleben eine solche Menge Tugenden und gute Eigenschaften, daß man wünschen möchte, dieselben in jedem Hause, in jeder Gemeinde und in jedem Staate vorzufinden. Plato fand ihre Verfassung so musterhaft, daß er seine Republik darnach einzurichten wünschte. Von dem einträchtigen und harmonischen Zusammenleben, dem Fleiße, dem kunstgerechten Baue und von der Sparsamkeit der Bienen haben bekanntlich die Dichter mancherlei Bilder entlehnt, und die Theologen [441] haben daran Moral geübt, so daß es sich wohl der Mühe lohnt, wenn unsere Leser zur Beobachtung ihrer Lebensweise im Geiste mit uns einmal vor das Bienenhaus treten.

Hier gibt es natürlich nur in der schöneren Jahreszeit Etwas zu sehen, da die Bienen erst im März oder April durch die wärmeren Sonnenstrahlen aus ihrem Winterquartiere gelockt werden. Durch hochtönendes Freudengesumme und kreisendes Umherschwärmen geben sie ihr Wohlbefinden zu erkennen, wenn sie zum ersten Male ihrer engen Haft entflohen sind und die sonnige Freiheit genießen. Das erste Geschäft der Bienen ist dann die Reinigung, denn sie gehören zu den ordentlichsten und reinlichsten Thieren, weshalb sie Nichts in ihrer Wohnung dulden, was nicht dahin gehört. Keine Biene legt ihren Unrath in ihrem Stocke ab, und verschiebt das Geschäft des Reinigens während ihrer Winterrast bis zum ersten Ausfluge. Wenn es sich dann zufällig trifft, daß eine Hausfrau etwa weiße Wäsche in der Nähe des Bienenstockes zum Trocknen aufgehängt hat, so wird dieselbe sehr bald zum Leidwesen ihrer Besitzerin mit einem braunpunctirten Buntdrucke versehen sein, denn die Bienen lieben es, auf helle Gegenstände anzufliegen.

Bald geht es nun an ein Fegen und Ausputzen der Bienenwohnung selber. Die Leichname der im Winter zahlreich abgestorbenen Bienen (sie erreichen nur ein Lebensalter von sechs bis sieben Monaten) werden alsbald fortgeschafft, wobei sich die Bienen gegenseitig unterstützen, wenn die Kräfte der Einzelnen nicht ausreichen. Größere Gegenstände, welche in der Bienenwohnung störend sind, etwa einen üblen Geruch verbreiten, ohne daß die Bienen im Stande wären, ihn fortzuschaffen, überziehen sie mit einem harzartigen braunen Kitt, den sie immer in Bereitschaft haben, um etwaige Oeffnungen ihrer Wohnung damit zu schließen, wenn Luft, Licht, Regen oder andere ihnen feindliche Elemente dadurch eindringen.

Als einmal eine Maus in eine Bienencolonie eingedrungen war, wurde sie von den erbitterten Thierchen sofort todtgestochen, ihr Leichnam aber, weil er zum Fortschaffen zu schwer war, wie eine Mumie persischer Könige mit jenem Kitt überzogen, und so die Ausdünstung hermetisch abgeschlossen. Können die Bienem auf solche Weise einen penetranten Geruch nicht beseitigen, so räumen sie lieber das Feld und ziehen eines schönen Tages in pleno aus.

Haben die Bienen ihr Haus sammt den vielen Wachszellen sorgfältig gesäubert, so gehen sie auf Nahrung aus, die sie im ersten Frühjahr schon auf den Kätzchenblüthen der Haselnuß, der salix praecox oder frühen Weide, der Erle und anderer Cupuliferen finden. Wenn um diese Zeit die Nahrungsquellen in der Natur aber nur spärlich fließen, so geschieht es nicht selten, daß die Biene, durch ihren mächtigen Trieb zum Einsammeln von Vorräthen verleitet, ein Auge auf die Schätze ihrer Nachbarsleute wirft, die sie durch ihren scharfen Geruch bald aufgespürt hat. Sie fliegt keck vor die nachbarliche Thür, sucht sogleich einzudringen, wird aber meist mit blutigem Kopfe zurückgewiesen, denn jeder gesunde und starke Bienenstock stellt Wachen an dem Flugloche auf, die alle ihre Angehörigen durch den zarten Geruch erkennen, und jeden andringenden Fremdling abweisen, auch schnell ihre Signale geben, um nöthigenfalls Hülfstruppen in Masse heranzuziehen. Die wüthenden Thierchen fallen über den frechen Angreifer her, beißen und stechen ihn, so daß er fliehen muß oder todt auf dem Platze bleibt. Ein gleiches Geschick trifft auch die Hornissen, Wespen und Hummeln, die sich durch den Honiggeruch verleiten lassen, in die Bienenwohnung einzudringen. Gar häufig kann man diese Thiere, in einen Knäuel verbissener Bienen eingehüllt, vor dem Bienenstande niederfallen sehen, todt liegen bleibend oder die Flucht ergreifend. Ist ein Bienenstock aber so schwach, um keine oder zu wenig Wachtposten aufstellen zu können, so gelingt es wohl der naschhaften Biene, in die fremde Vorrathskammer einzudringen. Sie trägt dann eiligst das gestohlene Gut in ihren Stock zurück und meldet ihren Genossinnen die Gelegenheit zum Reichwerden ohne Mühe. Mit Verstärkung geht sie nun von Neuem auf Freibeuterei aus, die etwa noch wachsamen und sich vertheidigenden Gegner werden überwältigt und der Raubzug wird organisirt. Bemerkt der Bienenwirth diesen Unfug noch zur rechten Zeit, so kann er durch Wegstellen oder Verschließen des beraubten Stockes dem noch Einhalt thun. Außerdem wird dieser bald ein Opfer der Raubbienen, die nun die Vorrathe vollständig plündern, während die überwundenen Feinde sich auflösen, wohl gar mit in das feindliche Lager übergehen und sich zuletzt verfliegen. Diese garstige Erscheinung der Räuberei kommt im Bienenleben meist nur im ersten Frühjahr und im Herbste bei mangelnder Tracht vor, denn wenn es in Gärten, Wiesen und Feldern gute Ausbeute gibt, so fallen die Bienen gar nicht auf solche verbrecherische Gedanken.

Mit Eintritt der Stachelbeerblüthe etwa ist die Zeit gekommen, wo der Bienenwirth die Stärke zu untersuchen und zu verschneiden hat; dann gibt es wohl eine Honigsemmel, wenn nicht schon alter Sitte gemäß am grünen Donnerstage der Honigschnitt gemacht worden war. Die Bienen arbeiten um so emsiger und fröhlicher, wenn man ihnen die alten und während des Winters vielleicht angeschimmelten Wachsscheiben wegnimmt. Geht nun die Baumblüthe auf, so gibt es Arbeit in Hülle und Fülle. Die reichliche Tracht und das Wohlbefinden überhaupt verrathen die Bienen dadurch, daß immer mehrere am Flugloche Posto fassen, den Hinterleib in die Höhe recken und dazu ein schwirrendes Geräusch mit schnellem Flügelschlage verursachen. Diese Trommler scheinen ihre Genossen zu reger Arbeit anzuspornen.

Je milder die Luft wird und die Vegetation vorschreitet, desto mehr erweitert der Bienenstaat seine Thätigkeit nach außen und innen. Zur Zeit der Rapsblüthe haben die Bienen bei uns in Mittel- und Norddeutschland ihre Haupternte. Ein fortwährendes Gehen und Kommen ist dann am Flugloche wahrzunehmen. Mit einem offenbar fröhlichen Summen fliegen die fleißigen Arbeiter aus, um mit aller Freudigkeit und Virtuosität in der üppigen Flora der Wiesen, Felder und sonnigen Gärten zu handthieren, mit ihren dicken Staubhöschen von Blume zu Blume zu eilen und den Balsam aus tausend vollen, winkenden Kelchen zu saugen. Die meisten Bienen kehren von der Rapsblüthe mit schwefelgelben Höschen zurück; doch zeigt sich außerdem ein buntes Gemisch von hochrothen, weißen, hochgelben oder dunkleren Staubballen. Der Kundige sieht gleich aus der Farbe der Staubhöschen, von welchen Pflanzen oder Bäumen die Bienen gerade eintragen. Von der Linde höseln die Bienen weiß, von der Kornblume und vom Feldmohn schwarz, von der Roßkastanie carmoisinroth, vom Apfelbaum wachsgelb, vom Löwenzahn safrangelb, von der Akazie schmutzigweiß, vom Jelängerjelieber hochroth u. s. w. Viele der Bienen kommen ohne Höschen zurück; aber an ihrem schweren Fluge merkt man ihnen an, daß sie voll des süßen Nectars sind. Oft haben sie sich überladen, daß sie völlig ermattet zu Hause ankommen und nicht einmal ihr Standquartier erreichen, sondern daneben niedersinken. In Masse sieht man dann diese Schwerbeladenen am Boden vor dem Bienenhause sitzen und hastig athmend sich ausruhen, um endlich mit frischen Kräften ihrem Ziele zuzueilen.

Jetzt vermehrt sich die Bienencolonie durch das Ausschlüpfen des jungen Volkes. Zeitig im Frühjahr legt die Königin Eier in die Zellen, welche die Arbeitsbienen mit der erforderlichen Nahrung für die auskriechende Made versehen und dann mit einem Wachsdeckel verschließen. Schon nach zwanzig Tagen hat sich das junge Thierlein metamorphosirt, und wenn es gesund ist, beißt es selber die Wachsdecke durch; im andern Falle reißen die Arbeitsbienen die Decken ab, schleppen das krank- oder krüppelhafte Gebilde vor das Flugloch und überlassen es seinem Geschicke. Damit verrathen die Bienen eine gute Erziehungsmaxime; sie legen dem jungen Volke eine Kraftprobe auf, um es zeitig für seinen schweren Beruf zu ertüchtigen. Wie oft zeigt es sich im Leben, daß namentlich reiche Eltern ihre Kinder in einer Weise erziehen, die denselben Alles so angenehm und bequem wie möglich macht. Ihre Geisteskräfte werden möglichst geschont, denn sie möchten zu sehr angestrengt werden; ihre Leibeskräfte läßt man wenig gebrauchen, denn sie könnten Schaden daran nehmen. Dann treten sie, schwach an Körper und Geist, in’s Leben, und man braucht sich nicht zu wundern, wenn man so häufig Leuten begegnet, die bei sonst gesunden Gliedern und Sinnen doch Schwächlinge sind, deren Entschlüsse und Vorsätze gerade so unsicher und schwankend sind, wie ihre kraftlosen Arme und Beine. Wie Viele dagegen sind aber zu großen Männern erwachsen, weil sie in ihrer Jugend allerlei Mühseligkeiten zu überwinden hatten, sich „durchbeißen“ mußten, wie die jungen Bienen.

Die ausgekrochenen und arbeitsfähigen jungen Bienchen sieht man häufig am Flugbrette sitzen, wie sie von den älteren Schwestern gebürstet, geputzt und gesäubert, auch wohl mit vorgestrecktem Rüssel gefüttert werden; an dem jetzt noch gelb gefärbten Stirnschilde sind sie deutlich zu erkennen. Die Neulinge orientiren sich zunächst, indem sie vom Flugloche aus erst in kleineren und dann in immer größeren Kreisen auffliegen, dann auch den weiteren und [442] höheren Luftraum in allen Dimensionen durchkreuzen, bis sie ihre topographischen Kenntnisse so erweitert haben, daß sie auf zwei Stunden weit fortfliegen können, ihre Heimath aber stets wiederfinden.

Wenn die Morgensonne die Luft erwärmt, beginnt auch das geschäftige Treiben im Bienenstaate und dauert unausgesetzt bis Sonnenuntergang fort. Tritt am Tage Regen ein, oder verdunkelt schwarzes Gewölk etwa plötzlich die Sonne, so eilen die Bienen schleunigst ihrem Asyle zu. Oft ist dieses Flüchten so massenhaft, daß die Passage am engen Pförtchen des Bienenstockes gehemmt wird; die Bienen bedecken wie ein schwarzer Schleier die Vorderseite ihrer Wohnung, ängstlich und stark summend hin- und herlaufend, bis sich der wirre Haufen verliert und seinen geordneten Einzug hält.

Auch im Innern des Bienenstockes zeigt sich ein geschäftiges Treiben mit Ordnen und Verarbeiten der eingesammelten Materialien. Kein Baumeister und Meßkünstler ist im Stande, sein Material sorgsamer zu vertheilen, die Räume weiser zu benutzen, seinem Baue eine künstlichere Grundlage und eine regelmäßigere Zurichtung zu geben, wie es die Bienen thun. Wie sie ihr kunstvolles Wachsschloß aufbauen, und wie sie namentlich ohne Richtscheit und Winkelmaß ihre sechseckigen Zellen construiren, ist freilich ein Geheimniß; die Bienen lassen sich bei ihrer Arbeit nicht zuschauen und bewahren ihre Kunstfertigkeit als ein privilegirtes Geheimniß, auch ohne daß sie ein Patent darauf nehmen. Was sich von ihrer Arbeit wahrnehmen läßt, bezieht sich blos auf die äußere Gruppirung. In Gestalt einer großen Traube hängen die Bienen da, unter sich in Kettenreihen verbunden, indem sich die zweite auf den Hinterleib der ersten klammert, die dritte an die zweite und so fort. Unbeweglich und unter forttönendem Gebrause verharren sie nach reicher Tracht in dieser Stellung; oft über Nacht sind schon die weißen blitzenden Wachsscheiben entstanden, die man zu sehen bekommt, wenn am anderen Morgen die meisten das Gewirke verlassen und zu neuer Arbeit ausfliegen. Man sagt, daß diese Wachsbereitung mittelst Ausschwitzens von Wachsblättchen zwischen den Bauchsegmenten des Hinterleibes zuwege gebracht würde.

Die Construction der Bienenzellen selbst ist eine vierfache, je nachdem sie zum Aufbewahren des Honigs, oder zum Ausbrüten der drei Bienenarten bestimmt sind. Nur die Zellen für junge Königinnen sind rund, in Gestalt und Größe dem Cocon einer Seidenraupe ähnlich; die übrigen sind sechseckig, für Drohnen oder Arbeitsbienen von der Größe derselben, für den Honig allein sind sie etwas tiefer.

Es ist wunderbar, daß alle drei Bienenarten aus einem und demselben Ei entstehen können, wenn sie in den betreffenden Zellen mit besonderem Futterbrei versehen werden. – Schon im Bau der palastähnlichen Königszelle nehmen die Bienen Rücksicht auf den Rang des darin zu bildenden Wesens, das durch sorgfältige Erziehungspflege und feinere Nahrung vor allen übrigen Genossen des Bienenvolkes ausgezeichnet wird. Denn die Königin nimmt in jedem Stocke die wichtigste Stelle ein; nur durch ihr Leben und ihre Gesundheit ist der Organismus des kleinen Staates gesichert. Wie die treibende Feder im Uhrwerk, gibt sie den Impuls dafür, daß jedes Glied an seinem Platze bleibt, und mit Ordnung und in Friede und Eintracht emsig seine Arbeit verrichtet. Die Bienen sind ihr mit aufopfernder Treue und Anhänglichkeit zugethan; ihrer Pflege und Beschützung widmen sie alle ihre Zeit und Kraft.

[458]
Nr. 2.

Im Bienenstocke ist die Königin stets von einem Gefolge umgeben, das sich ihren Winken und Befehlen hold und gewärtig beweiset. Sie ist so fruchtbar, daß sie in einem Jahre wohl an 40,000 Eier legt. Bei der fortwährenden Regeneration des Bienenvolkes hängt davon viel ab. Die Königin braucht ebenso ein starkes und gesundes Volk, wie dieses eine gesunde Königin. Die Verbindung beider ist so innig, daß sich ihr Leben gegenseitig bedingt. Stirbt die Königin, so bemächtigt sich des ganzen Volkes Angst und Schrecken; allgemeine Muthlosigkeit stellt sich ein und die Arbeit stockt. Ja sogar in eigenen Trauer- und Leichengesängen drücken die ihrer Führerin beraubten Thierchen ihre Stimmung aus; beim Anklopfen läßt der weiserlose Stock einen langen forthallenden ungewöhnlichen Klageton hören, während der gesunde Stock dabei ein sogleich wieder aufhörendes Aufbrausen von sich gibt. Sind noch frisch gelegte Eier von höchstens drei Tagen her vorhanden, so umbauen die klugen Bienen sofort einige derselben mit Königszellen und es wird der Stock wohl noch erhalten. Geschickte Bienenwirthe setzen auch wohl bereit gehaltene Königinnen künstlich ein. Sonst aber geht das verwaiste Volk rettungslos seinem Untergange entgegen, es arbeitet nicht mehr, stirbt ab und verfliegt sich nach und nach, wenn nicht schon früher die Raubbienen ihm den Garaus machten.

Die natürliche Vermehrung der Bienencolonieen geschieht durch einen interessanten Act, das sogenannte Schwärmen, welches dem Bienenvater die meiste Freude macht.

Die warme Witterung und die reiche Honigtracht haben auf das Ausbrüten junger Bienen günstig gewirkt, so daß die Colonie stark bevölkert wird. Etwa sechs Wochen nach Beginn der Honigtracht kommen auch die Drohnen zum Vorschein, denen beim Ausbrüten junger Bienen, wie junger Königinnen, wichtige Functionen zuzukommen scheinen. Sie übernehmen wahrscheinlich für die zur Arbeit nöthigen Arbeitsbienen das langweilige Geschäft des Erwärmens der Bienenbrut, denn außerdem werden sie als Schmarotzer angesehen, die sich an den wärmsten Stellen im Stocke zusammenhocken, den besten Honig verzehren und den Stock nur selten und auf kurze Zeit verlassen, jedoch nur zur wärmsten Tageszeit und nicht der Arbeit, sondern des Vergnügens wegen. Deshalb singt auch Hesiod von ihnen:

„Der ist Göttern verhaßt und Sterblichen, welcher ohn’ Arbeit
Fortlebt, gleich an Muthe den unbewaffneten Drohnen,
Die der emsigen Bienen Gewürk aufzehren in Trägheit,
Nur Mitesser.“

Wenn die Drohnen in volkreichen Stöcken sich zeigen, ist auch bald ein junger Schwarm zu erwarten. Bei der Masse der eingesammelten Vorräthe und der Bevölkerung, wird es den Bienen zu warm und zu eng im Haus; sie lagern oder hängen in großen Trauben stark brausend vor dem Flugloche, was der Bienenwirth „Vorliegen“ nennt.

„Es wachsen die Räume, es dehnt sich das Haus.“

Der schwarmlustige Stock hat schon 16–17 Tage vorher Königszellen angesetzt, und wenn die jungen Königinnen ausgeschlüpft sind, so kann der in gespannter Erwartung harrende Bienenvater am nächsten sonnenklaren warmen Tage um die Mittagszeit sicher auf Abzug eines Schwarmes rechnen. Je näher dieser Augenblick kommt, desto ruhiger werden die vorliegenden Bienen, die mit Höschen vom Felde Kommenden gehen nicht wie gewöhnlich eiligst in die Wohnung, sondern gesellen sich zu den vorliegenden. Auf einmal erheben sich einige und immer mehr und mehr, die in engen Kreisen hastig um das Flugloch schwärmen, bis der ganze Haufe sich erhebt und die übrigen gleich einem Wasserstrahle eiligst aus dem Flugloche herausstürzen, eine über die andere hinpurzelnd. Die abfliegenden Bienen erheben sich wie eine Wolke in die Luft, fast die Sonne verdunkelnd, und geben bei ihrem Hin- und Herschwärmen einen eigenthümlichen weithin hörbaren freudigen Ton, den Schwarmton oder Schwarmgesang von sich. Wohl acht Minuten lang dauert dieser fröhliche Aufzug von 10–15,000 Bienen; dann zeigt sich ein neues Schauspiel. Am Aste eines nahen Baumes oder Strauches bildet sich ein dichter faustgroßer Haufen von Bienen, denen sich immer mehr zugesellen, bis sich alle schwärmenden Bienen hier dicht in eine große schwarze sackartig herabhängende Traube zusammengezogen haben, still und ruhig ihr weiteres Geschick erwartend, ihre Königin mitten unter ihnen. Der Bienenvater ist bald, mit Bienenhaube und Handschuhen gewappnet, bei der Hand und besprengt den Schwarm mit einem Wasserwedel, damit er sich noch fester zusammenzieht. Dann holt er einen leeren Bienenkorb herbei, stellt ihn unter den Schwarm und kehrt mit geschickter Hand den Bienenknäuel schnell hinein; wenn dieser an einem freien Aste hängt, braucht er nur kräftig darauf zu schlagen und der ganze Schwall von Bienen fällt laut aufbrausend in sein neues Asyl, das auf eine Bank gestellt wird. Hier zeigt es sich bald, ob bei diesem Einschlagen die Königin mit gefaßt wurde, denn dann ziehen sich die aufgeregten Bienen bald zusammen und am Flugloche zeigen sich die bekannten Trommler. War die Königin nicht mit eingeschlagen, so zieht das ganze Volk bald wieder aus und setzt sich von Neuem an. Nach glücklich vollbrachtem Einfassen kann der neue Stock sogleich auf seinen neuen Standort gebracht werden, wo er ohne Weiteres seine gewohnte Arbeit aufnimmt. Wohlweislich nehmen die klugen Thierchen beim Schwärmen aus dem Mutterstocke auf drei Tage Proviant und soviel Material mit, daß sie davon den Grund zu ihrem neuen Hause legen können; nach drei Tagen schon sieht man vier bis sechs nagelneue hellblitzende Wachsscheiben.

Ohne menschliche Hülfe und Pflege würde der junge Schwarm nach einiger Zeit von seinem Sammelorte wieder aufbrechen, um selber in einer Baumhöhle der Wiesen oder Wälder sich ein neues Quartier einzurichten. Zu diesem Zwecke sind sogar vorher einige sogenannte Spurbienen als Fourier-Schützen ausgesandt worden, um eine passende Stelle auszumitteln. Dort geht er freilich oft schon im ersten Herbste oder Winter zu Grunde, oder wird aufgefunden und mit vieler Mühe aus dem occupirten Baumloche in einen Korb getrieben. Daß die Honigbienen bei uns wild in den Wäldern leben und sich vermehren, ist selten bemerkt worden.

Der erste Schwarm oder Vorschwarm ist der beste und stärkste; drei, sieben oder neun Tage später folgen auch wohl noch kleinere Nachschwärme, die beim Ausziehen viel unruhiger sind und beim Einschlagen oft drei oder vier Mal wieder ausziehen. Die Bienen ziehen nämlich für alle Fälle mehrere Königinnen auf, die dann mit dem Nachschwarme ausziehen. Ehe sich aber das Volk für eine derselben entscheidet, entsteht eben jene schwankende Unruhe und das unstäte Wesen der Nachschwärme. Die nun überflüssigen Königinnen werden nun unbarmherzig verstoßen oder getödtet. Jungfernschwärme, d. h. solche, welche wieder von einem Schwarme in demselben Sommer ausgestoßen werden, sind sehr selten. Um Johanni ist bei uns die gewöhnliche Schwarmzeit. Die Bienenväter sehen ein zeitiges Schwärmen sehr gern, denn dann kann sich das junge Volk noch mit den nöthigen Wintervorräthen versehen, und man ist nicht genöthigt, mit künstlichem und kostspieligem Futter nachzuhelfen. Daher sagt auch ein alter Knittelvers:

Ein Schwarm im Mai,
Gilt ein Fuder Heu;
Ein Schwarm im Jun’,
Ein fettes Huhn;
Ein Schwarm im Jul’,
Kein’ Federspul’.

Je nach der reichen Flora einer Gegend gewährt auch die Bienenzucht reichere Vortheile. Wo im Frühjahr Raps- und Esparsett-Felder blühen, im Sommer viel Linden und im Spätsommer Haidekorn und Haide (Erica), da haben die Bienen ihr gutes Auskommen. Wo das aber nicht zutrifft, da suchen sich die Bienenwirthe durch die ganz zweckmäßige Methode einer wandernden Bienenzucht zu helfen. Die Thalbewohner bringen z. B. ihre Bienen nach der Heuernte in die Waldgegend, wo die Haide noch lange in Blüthe steht. So kann die Honigtracht um einen bis zwei Monate verlängert werden. Im Herbste holt man die honigschweren Stöcke, die oft 60 und 70 Pfund wiegen, wieder zurück. In gleicher Weise läßt der Berg- und Waldbewohner seine Bienen im zeitigen Frühjahre die Rapsblüthe in der Thalgegend genießen.

Nach der Schwarmzeit wird es stiller im Bienengarten. Die [459] wohlgeordneten Colonieen gehen ruhig ihrer Arbeit nach, und nur dann und wann geben sie auch der Freude Raum, indem sie förmliche Rund- und Freudentänze anstellen. Bei ruhiger warmer Witterung bemerkt man nämlich öfter, meist in den Nachmittagsstunden, vor dem Flugloche eine freudige Bewegung unter dem Bienenvolke. Viele tummeln sich unter munterem Gesumme, in größeren oder kleineren Kreisen schwärmend, wacker umher, während sich auch die Zahl der Freudentrommler am Flugloche selbst bedeutend vermehrt hat und lustig ihren Wirbel schlägt. Etwa zehn Minuten lang dauert diese Erscheinung, von den Bienenwirthen „Vorspielen“ genannt; dann wird es wieder still. Interessant ist es, wenn auf einem starken Bienenstande ein Stock nach dem andern dieses lustige Spiel beginnt, oder alle zugleich vorspielen. Diese auffällige Erscheinung mag Plinius gemeint haben, wenn er seinen Römern von den gymnastischen Uebungen der Bienen erzählte. Einige Neuere haben gemeint, daß während des Vorspielens die Königin ihren Ausflug halte; es scheint aber das Vorspielen keinem anderen Zwecke zu dienen, sondern als ein wirkliches Spiel um sein selbst willen zu bestehen, wie es bei den meisten gesellig lebenden Insecten vorkommt.

Am Schlusse der Herbsttracht zeigt unser Bienenstand noch eine merkwürdige Erscheinung, die der Drohnenschlacht. Die Drohnen werden entbehrlich, da das Brutgeschäft nicht mehr so umfänglich betrieben wird, die Arbeitsbienen auch nun selbst mehr Zeit haben, die junge Brut zu erwärmen. Deshalb treibt man die schmarotzenden Müßiggänger förmlich aus.

 „In Heerschaar
wehren sie ab die Drohnen, das träge Vieh, von den Krippen,“

heißt es ganz richtig bei Virgil, denn die Bienen verdrängen die Drohnen zunächst von den Honigwaben und suchen sie durch Hunger zu ermatten, bis ein allgemeines Schlachten und Würgen eintritt. Zwei oder drei Bienen fallen über eine Drohne her, beißen sie, häufig auf ihr reitend, zum Stocke hinaus oder tödten sie durch Stiche. Die armen gedrängten lautsummenden Drohnen, denen jedes Mittel der Vertheidigung fehlt, müssen so Alles über sich ergehen lassen; dicht geschaart liegen sie als Leichen auf dem Schlachtfelde vor dem Bienenhause.

Die Biene hat ihre argen Feinde, gegen die sie sich wacker mit Beißen und Stechen zu wehren weiß. In ihren eigenen vier Pfählen wird sie am gefährlichsten bedroht durch einen recht heimlichen und tückischen Feind, die Wachsmotte, einen kleinen Dämmerungsfalter mit graubrauner Färbung. Derselbe weiß unbemerkt in die Bienenwohnungen einzuschlüpfen und seine Eier in die Wachszellen zu legen, wo sie von der dort herrschenden Wärme ausgebrütet werden. Die ausgekrochene Larve oder Ringmade legt sich ihre Gänge auf dem Grunde der Wachszellen an, indem sie die untern Wände durchbeißt und ihre Minen in Kreuz und Quer über die ganzen Wachstafeln ausbreitet. Das Schlimmste dabei ist, daß sie ihre Gänge sofort mit ihrem Gespinnst ausfüttert, so daß ihr die Bienen nicht beikommen können. Denn so wie sie sich außerhalb ihres Versteckes sehen läßt, wird sie von den Kneipzangen der Bienen sogleich so zugedeckt, daß sie halbtodt liegen bleibt, und dann in’s Freie geschafft wird. Mit ihren Kneipzangen zerren die erbitterten Thierchen das Gespinnst wohl heraus; wenn sie es aber nicht bewältigen können, und die listigen Schmarotzer das Wachsgebäude förmlich verschroten und überspinnen, so ziehen sie lieber aus.

Viele Insecten fressende Vögel stellen den Bienen gleichfalls nach; z. B. der Rothschwanz, die Schwalbe, die graue Grasmücke, Meisen und Spechte etc.; wenn diese aber so keck sind, sich etwa vor das Flugloch der Bienen zu setzen, um diese hier wegzuschnappen, so fallen die Bienen massenhaft Über den Räuber her, der dann elend umkommen muß. Freilich büßt die Biene ihre Wuth mit dem Leben, denn der Stachel bleibt in der Haut stecken.

Uebrigens ergreifen die Bienen die Offensive nur im engeren Bereiche ihrer Wohnung, wo sie sich für berechtigt halten, Hausrecht zu üben. Wer dort in ihrer Flugbahn hastige Bewegungen machen wollte, würde bald von ihnen verfolgt werden, während sie den ruhig Vorübergehenden, wenn er sonst nicht etwa auffällige Parfümerien an sich hat, oder schnell athmet, ganz unangefochten passiren lassen. Zur Schwarmzeit nur stechen die Bienen auch außerhalb ihres Domicils, wenn ihnen störende Elemente in den Weg kommen. Ihr Stich ist wegen des aufgeregten Zustandes um so gefährlicher, und die Beispiele sind gar nicht selten, daß die erbitterten Thierchen Menschen und Thiere, z. B. einmal ein Pferdegespann, das nicht schnell genug befreit werden konnte, zu Tode stachen. Außer der Arbeitsbiene ist nur noch die Königin bewaffnet, die jedoch nur selten von ihrem Stachel Gebrauch macht.

Für einen rationellen Betrieb der Bienenzucht sind im Laufe der Zeit mancherlei Methoden aufgetaucht, von denen diejenige immer den Vorzug verdiente, welche auf eine richtige, naturgemäße Behandlung der Bienen, auf genaue Kenntniß ihrer Natur, ihrer Vermehrung, ihrer Triebe, Fähigkeiten und Bedürfnisse basirt war. Je einfacher, natürlicher und wohlfeiler die Methode war, desto besser. Noch vor etwa acht Jahren machte die Lüftungsmethode des Engländers Nutt viel Aufsehen; sie fand aber keine weitere Verbreitung, weil sie viel zu künstlich und kostspielig war, ein leerer Kasten dazu kostete allein 10 Thaler.

Dagegen ist die Bienenbehandlung à la Dzierzon gegenwärtig überall gang und gäbe geworden, weil sie einfach und wohlfeil ist. Bemerken wir noch Einiges darüber. Es beruht diese bekannte Methode des Pfarrers Dzierzon im Grunde darauf, daß der Bienenzüchter mit sorgfältiger Berücksichtigung der Bienennatur eine vollständige Herrschaft über seine Bienenvölker ausübt, und durch verschiedene künstliche Operationen ihren Instinct so benutzt, daß er sie vollständig in seine Gewalt bekommt.

Schon die Construction der Dzierzon’schen Bienenwohnungen ist darauf berechnet. Weil die Bienen ihren Bau von oben anfangen, und weil der Querbau der zweckmäßigste ist, hat Dzierzon die Decke seiner Bienenwohnungen mit regelmäßigen, wegnehmbaren zahlreichen Querhölzern versehen, die in der Breite einer Wachstafel von einander liegen. Dadurch schreibt er schon den Bienen ihre Bauart vor, und er hat das Bequeme, wenn er den obern Deckel öffnet, beliebig einzelne Honig- oder Bruttafeln wegnehmen zu können, um sie z. B. einem andern Stocke, der gerade Honig oder Brut braucht, einzusetzen. Zu diesem Zwecke müssen die Dzierzonstöcke nach gleichem Maße gearbeitet sein.

Mit Hülfe dieser wohlfeilen und einfach aus Holzbohlen zusammengesetzten Bienenwohnungen kann die Bienenzucht sehr vervollkommnet werden. So braucht man z. B. nicht zu warten, bis es den Bienen gefällig ist, zu schwärmen, was oft zu spät nach Ausgang der Tracht erfolgt, sondern es wird eine einfache Theilung des volkreichen Stockes zeitig vorgenommen, indem durch Trommeln der größte Theil des Volkes mit der Königin in eine neue mit Honig und Wachstafeln besetzte Wohnung getrieben wird, wo sie sofort ihren Neubau beginnen, während das zurückgebliebene Volk sich aus den vorhandenen Eiern eine neue Königin erzeugt. Wer die Fatalitäten kennt, welche beim Schwärmen durch Fortfliegen oder Zusammenfliegen der Bienenvölker eintreten können, der wird den Werth dieser künstlichen Vermehrung wohl zu schätzen wissen. Im Einzelnen kann man nun noch verschieden nachhelfen, um die Bienenökonomie zu fördern. Ist im Herbste ein Stock nicht mit hinreichendem Wintervorrath versehen, so setzt man einige Honigtafeln ein, welche der stärkere entbehren kann; zeigt es sich, daß ein Stock die Königin verloren hat, so erhält er eine Tafel mit frischgelegten Eiern, und er wird sich bald eine neue Königin herstellen. Weil die Bienen ihr Honigmagazin gern nach oben anlegen, so ist die Dzierzon’sche Bienenwohnung mit einem besondern Aufsatze versehen, in welchem die Bienen den reinen Honig ablegen. Dieser Honigaufsatz ist so appetitlich, daß er ohne Weiteres abgenommen und als Dessertschüssel auf die Tafel gesetzt werden kann.

Da bei dieser Behandlungsweise stets Bienenköniginnen als Reserve in einem eigenen Kästchen bereit gehalten werden, so kann man fast allen Eventualitäten begegnen, die in der Bienenwirthschaft vorkommen. Liegen z. B. Arbeitsbienen an den Stöcken zur Trachtzeit nutzlos vor, so werden sie nach Dzierzon ohne Weiteres in einen neuen Bienenkorb gekehrt, der vorher mit einer Königin und einigen Wachs- und Honigtafeln versehen war. Das zusammengepreßte Volk mit der octroyirten Königin stutzt zwar anfänglich; nachdem man es aber 24 Stunden lang an einem dunklen kühlen Orte stehen ließ, beginnt es schon seine neue Thätigkeit. Der aufmerksame Bienenvater erkennt sogleich, was in der Oekonomie seiner Bienenvölker künstlich zu ändern wäre; mit seinen Dzierzonstöcken kann er ihnen von allen Seiten beikommen und so seine Operationen auf das Vortheilhafteste auf Vermehrung der Bienenvölker wie des Honig- und Wachsvorrathes richten.

Diese Bienenbehandlung ist auch dem Städter zugänglich, selbst dem, der keinen Garten besitzt, wenn seine Wohnung nur nicht ganz inmitten großer Häusermassen liegt, sondern wenigstens einen freien Ausflug nach Gärten und Feldern gewährt. Ein trocknes Plätzchen [460] in einem Stuben- oder Alkoven-Fenster, auf einem Corridor oder Dachstübchen, reicht hin, um hier einen zierlichen Glasstock à la Dzierzon aufzustellen. Wie es jetzt Mode geworden ist, Aquarien in den Zimmern aufzustellen und sie mit allerlei Fischen und Amphibien zu bevölkern, so wäre auch die Möglichkeit geboten, dem städtischen Miethsbewohner durch solche Bienenstöcke Gelegenheit zu geben, die Natur in ihrer geheimsten Werkstatt zu belauschen und sich an dem wunderbaren Treiben der Bienen zu erfreuen. Das Dulce ließe sich hier mit dem Utile viel schöner verbinden, als bei den Aquarien. „Aber die Bienen stechen ja!“ wird man ängstlich diesem Vorschlage einwenden und sich solche gefährliche Nachbarschaft verbitten. Allein bei richtiger Behandlung ist die Biene ein so wohlgesittetes und artiges Thierchen, daß man sie sich nicht als stechende Barbaren vorzustellen braucht.

Wenn ein solcher Glasstock mit seiner Flugseite an einem sonst nicht im Gebrauche befindlichen Fenster eingesetzt wird, so kann man ihm bequem zuschauen. Die fleißigen auf ihre Arbeit bedachten Thierchen incommodiren Niemanden, wenn man sie nicht reizt und beunruhigt, oder in ihre Flugbahn kommt. Unmittelbar bei den Städten gibt es viel Nahrung für die Bienen, namentlich aus den Pflanzen und Sträuchern der Ziergärten und Parkanlagen. Alle die verborgenen Schätze an Wachs und Honig kann der Städter haben, wenn er sich solche emsige Trabanten anschafft, deren Cultur ein so schönes und nützliches Vergnügen gewährt.